Konzert am Nürburgring Die Ärzte rocken den Ring

Nürburg · Die Berliner Punk-Rock-Legenden haben in der Eifel einen ihrer beiden einzigen Deutschland-Auftritte in diesem Jahr hingelegt. Nach sechs Jahren Pause können es die Fans im Vorfeld kaum noch erwarten – und werden nicht enttäuscht.

RaR19: Das sind die Bilder von Rock am Ring 2019
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Das sind die Bilder von Rock am Ring 2019

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Foto: dpa/Thomas Frey

Sie haben es nicht verlernt, wirken bissig wie eh und je. Die Ärzte sind am Samstag bei Rock am Ring in der Eifel aufgetreten - sechs Jahre nach ihrem letzten großen Auftritt in Deutschland. „Wer von Euch hat sich auf uns gefreut?“, fragt Sänger Farin Urlaub nach den ersten Liedern die Menge - und das Publikum antwortet mit einem lauten Schreien. Rock am Ring hat seinen Höhepunkt erreicht. Besser als mit der besten Band der Welt, wie sich die Ärzte selbst nennen, kann es nicht mehr werden.

Die Ärzte steigen mit dem Lied „Take me home, country roads“ in ihr zweieinhalbstündiges Konzert im Schatten der Nürburg ein. Noch verdeckt ein schwarzer Vorhang die Hauptbühne an der Rennstrecke. „Take me home, to the place, where I belong“ singen die drei Musiker: „Bring mich nach Hause, an den Ort, an den ich gehöre.“

Für die Ärzte ist das die Bühne. Dort sind die Punk-Dinosaurier zu Hause, dort wachsen sie über ihre Musik hinaus, dort begeistern sie die Massen. Der Coversong wechselt nach einigen Takten in das Ärzte-Lied „Unrockbar“. Der schwarze Vorhang fällt, die Ringrocker rasten aus, Deutschland hat seine Live-Legenden wieder.

Das Gefühl, das dann folgt, ähnelt einem Anzug, den man vor ein paar Jahren das letzte Mal angezogen, in den Schrank gehängt hat, nun wieder auspackt und merkt: Er passt noch ziemlich gut, zwackt an der einen oder anderen Stelle noch ein wenig, aber nur am Anfang. Dann sitzt er wieder wie früher. Dass er hier und da Staub angesetzt und dass sich die Mode weiterentwickelt hat, macht überhaupt nichts. Er erinnert an die gute alte Zeit und sorgt für ein zufriedenes, mollig-warmes Gefühl.

Das tut auch Not, denn die Temperaturen am Nürburgring befinden sich im einstelligen Bereich, als neben Farin Urlaub Schlagzeuger Bela B. und Bassist Rodrigez Gonzalez die Bühne betreten. „Ich kann mit den kalten Fingern nicht besser Gitarre spielen. Ich meine es nicht böse, ich habe Euch lieb“, sagt Farin Urlaub, während er an seinem heißen Pfefferminztee nippt. Die Fläche vor der Hauptbühne ist voller Menschen, obwohl auf der zweiten Bühne des Festivals die Thrash-Metal-Legenden Slayer eines ihrer letzten Deutschland-Konzerte spielen. Vor allem Bela B. bedauert, dass die Konzerte beider Bands parallel erfolgen. Er ist selbst großer Fan von Slayer.

Die Ärzte haben Lust auf Live-Konzerte, das merken die Fans an jedem Lied und jeder Anmoderation. Lediglich Bassist Rodrigez Gonzalez wirkt manchmal etwas gelangweilt. Das kann auch an der Setlist liegen, die aus alten Songs besteht. 2012 ist das letzte Album der Band („auch“) erschienen, der Erfolg der Berliner findet in den 80er-Jahren ihren Ursprung. Lieder wie „Westerland“, „Zu spät“ oder „2000 Mädchen“ stammen aus der Anfangszeit und gehören auch heute noch zu den beliebtesten Stücken der Band, die sie unzählige Male bereits live gespielt hat. Aber auch Songs wie „Junge“, „Himmelblau“, „Schrei nach Liebe“ und „Kopfüber in die Hölle“ kredenzen die Punkrocker am Samstag in gewohnt souveränes Manier ihrem Publikum. Im Hintergrund der Bühne leuchtet ein großes Ä mit drei Punkte.
Noch in diesem Jahr könnte ein neues Album der Band auf den Markt kommen. Zwei neue Songs („Abschied“ und „Rückkehr“) haben sie in den vergangenen Monaten bereits veröffentlicht. Und die Bandmitglieder haben entsprechende Andeutungen gemacht. Auch wenn es keine offizielle Bestätigung gibt, gehen Fans und Experten davon aus.

Rock-am-Ring-Veranstalter Marek Lieberberg hat im vergangenen Jahr mit der Ankündigung für Furore gesorgt, die Ärzte nach der langen Bühnenabstinenz für zwei exklusive Auftritte am Freitag bei Rock im Park in Nürnberg und am Samstag bei Rock am Ring in der Eifel verpflichten zu können. Die beiden einzigen Deutschlandauftritte der Band in diesem Jahr wurden flankiert von der „Miles&More“-Tour, die die Berliner ins nahe Ausland beispielsweise nach Amsterdam, Brüssel und Prag geführt hat. Dort haben sich die Drei für ihre Auftritte bei den Zwillingsfestivals warmgespielt.

Die Ärzte sind immer noch hungrig, wie sie am Samstag gezeigt haben. Und sie wären nicht die Ärzte, wenn sie nicht zwischen allen Sitz-Laolas und Publikumsinteraktionen auch politisch werden würden. Das Lied „Deine Schuld“, in dem die Zeile „Es ist nicht Deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist. Es ist nur Deine Schuld, wenn sie so bleibt“ beispielsweise widmet Schlagzeuger Bela B. Annegret Kramp-Karrenbauer und Julia Klöckner. Ob er in diesem Moment weiß, dass die Bundeslandwirtschaftsministerin kurz zuvor am Nürburgring eingetroffen ist, um von einem Logenplatz aus das Festival zu verfolgen, bleibt unklar. Ebenso wie die Reaktionen der Politikerin.

Zweieinhalb Stunden rocken die Berliner die Bühne. Keine Spur von Ermüdungserscheinungen, keine Anzeichen eines nahenden Endes der Band. Die Fans singen auch noch lange „Westerland“, als die Ärzte das Festivalgelände schon längst verlassen haben.

Am Sonntag startet der letzte Tag von Rock am Ring. Bands wie The Bosshoss, Tenacious D, Slipknot sowie Künstler wie Marteria und Casper bilden den Abschluss des größten Musikfestivals Deutschlands. Rund 80.000 Besucher haben dann drei Tage in der Eifel gezeltet, Musik gehört und eine Menge Bier getrunken.
Am Nachmittag wird Veranstalter Marek Lieberberg erste Details zum Line-up 2020 verraten. Dann feiert Rock am Ring 35. Geburtstag. Wie dieser Anlass die exklusiven Auftritte der Ärzte in diesem Jahr toppen soll, bleibt spannend.


In einer älteren Version hieß es, dass die Thrash-Metal-Legenden Slayer bei Rock am Ring ihr letztes Konzert in Deutschland gegeben haben. Dabei war es einer ihrer letzten Deutschland-Auftritte, es folgen noch eine Handvoll.