Interview: Serie Unser Rhein Vom Glück im Gemüsegarten

Düsseldorf · Hinterm Volmerswerther Deich liegt das Idyll vieler Städter: Die Agentur "Meine Ernte" vermietet dort Kleinparzellen auf Ackerland.

 David Froessler baut seit drei Jahren Zwiebeln und Kartoffeln an. Für ihn ist das die perfekte Kombination aus Stadt- und Landleben.

David Froessler baut seit drei Jahren Zwiebeln und Kartoffeln an. Für ihn ist das die perfekte Kombination aus Stadt- und Landleben.

Foto: Andreas Endermann

Am schnellsten kann man immer die Zucchini ernten, weiß David Froessler. "Wenn man das nicht früh genug macht, werden die viel zu groß", sagt er. Salat hingegen hat es im Moment schwer, es regnet viel zu viel, und das Gemüse verschimmelt schnell auf dem Acker. Die Dicken Bohnen freut's: "Die mag ich am liebsten und habe erst kürzlich vier Kilo geerntet."

Man könnte meinen, David Froessler beschäftige sich professionell mit dem Anbau von Kohl, Salat und Kartoffeln. Tatsächlich aber ist das Dasein als Gemüsebauer seit drei Jahren das liebste Hobby des Düsseldorfers: Über die Firma "Meine Ernte" hat er ein kleines Stück Ackerland gleich hinter dem Volmerswerther Deich gemietet und sät und erntet dort nun auf gut 85 Quadratmetern von Mai bis Oktober alles, was sich eben so anbauen lässt. "Das ist für mich die ideale Kombination von Stadt- und Landleben", sagt Froessler. Seine Wohnung hat er mitten in der Innenstadt, gleich am Hauptbahnhof, für einen Garten oder gar den Anbau von Gemüse ist da kein Platz. "Aber weg aus der Stadt wollte ich auch nicht." Da sei ihm das Angebot von "Meine Ernte" gerade recht gekommen, als er es per Zufall entdeckte. Jedes Jahr mietet Froessler jetzt seinen Gemüsegarten neu von der Bonner Agentur, die in 21 Städten deutschlandweit in Kooperation mit ansässigen Landwirten den Acker für Hobby-Gärtner anbietet. In Düsseldorf unterhält "Meine Ernte" Flächen in Volmerswerth und Niederkassel.

David Froessler kommt fast jeden Tag zum Deich, meist zum Gießen und um nach dem Rechten zu sehen. Samstags verbringt er dann den ganzen Tag mit seiner Familie im Garten, zupft Unkraut, sät neu ein und - am wichtigsten - erntet, was erfolgreich gereift ist. Und das ist meist eine ganze Menge, Gemüse selbst einkaufen muss der Hobbybauer schon lange nicht mehr. "Mit den Zwiebeln und Kartoffeln bin ich im vergangenen Jahr sogar durch den gesamten Winter gekommen", sagt er. Meist reift sogar so viel Gemüse auf dem kleinen Ackerstück, dass Froessler seine ganze Fantasie nutzen muss, um Gurke und Zucchini auch nach drei Wochen auf dem Speiseplan noch genießbar unterzubringen. "Ich habe unglaublich gut Kochen gelernt, seit ich den Garten habe. Man muss sich ständig neue Variationen einfallen lassen, damit es noch schmeckt. Marmelade, Chutney, Suppe - ich habe schon fast alles aus Zucchini gemacht." Und die ganze Familie isst mit: Auch Froesslers Freunde und Verwandte profitieren von seinem Gemüsegarten.

Ähnlich ist es bei Jutta Block: Seit sie vor vier Jahren gleich zu Anfang des "Meine-Ernte"-Projekts ein Stück Ackerland gemietet hat, bringt sie zur Erntezeit bei Feiern und zum Kaffeeklatsch mit Freunden immer nur noch Körbe mit Gemüse mit. Für die Erzieherin, die selbst fast am Deich lebt, war es aber nicht die Sehnsucht nach dem Land, die sie motiviert hat, Salat und Co. selbst anzubauen: "Ich habe mich schon immer sehr bewusst und gesund ernährt und deshalb gefiel mir die Idee von Anfang an", sagt Block. Wenn sie jetzt spontan abends noch einen Salat essen wolle, setze sie sich einfach kurz aufs Fahrrad und fahre zur Ernte in den Garten. In den vergangenen Jahren seien sogar immer mehr Hobby-Gemüsebauern dazugekommen, ist sich Block sicher. "Am Anfang waren wir viel weniger. Ich denke, das ist dem Trend zur Nachhaltigkeit geschuldet. Das wollen auch viele Eltern ihren Kindern vermitteln, deshalb sind mittlerweile viele Familien dabei."

Das Land als Idyll für gestresste Städter, als Ausgleich zur schlechten Luft und überhaupt zu allem, was die Stadt so stressig macht - klingt romantisch, ist aber doch mehr Arbeit, als man annehmen mag: Die meisten Gärtner kommen zumindest alle zwei Tage, kümmern sich darum, dass das Unkraut nicht wuchert, sammeln lästige Kartoffelkäfer ein und pumpen unermüdlich das Wasser am Brunnen für ihre Beete. Wer das nicht leisten kann, gibt irgendwann auf. Und so kommt es vor, dass man aus der Vogelperspektive vom Volmerswerther Deich aus zwischen den wuselnden Gärtnern, ihren Kohlköpfen und Bohnenranken auch immer wieder verwilderte kleine Grünflächen sieht. Bis dann "Meine Ernte" einspringt und den Acker platt macht, damit das gewucherte Unkraut nicht auf die schön gepflegten Gärten der fleißigen Gemüsebauern übergreift.

Für die, die es schaffen, ist das Glück vom eigenen Gemüsegarten gleich am Rhein perfekt. Anders als im vermeintlich zu strengen Schrebergarten müssen sie sich kaum an Regeln halten, "es gibt keine Vereinsmeierei", meint David Froessler. Wessen Beete aneinandergrenzen, der freundet sich irgendwann an oder lässt es eben. Wenn die Sonne genug Kreise gezogen hat, geht es dann ans Ernten, den schönsten Teil der Arbeit, und ans Kochen. Tja, und die echten Landwirte? "Die schmunzeln ein wenig über uns Hobbygärtner", sagt Jutta Block.

(lai)
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