Kölnerin berichtet über Flughafen-Chaos „Am Ende hilft einem niemand“
Köln · Die Situation an den großen Flughäfen in NRW ist immer noch extrem angespannt. Welche Zumutung es bedeutet, mehrere Stunden vor den Sicherheitskontrollen zu warten, immer in der Angst, den Flug zu verpassen, erzählt die Kölnerin Susanne Quellmann im Ich-Protokoll.
Die teils chaotischen Zustände an den Flughäfen Köln/Bonn und Düsseldorf halten weiter an. Immer wieder kommt es zu langen Schlangen vor den Sicherheitskontrollen, die Wartezeiten liegen in Spitzenzeiten bei bis zu drei Stunden. Susanne Quellmann, Apothekerin aus Köln, hat selbst erfahren, was es bedeutet, unter solchen Umständen zu reisen. Eindrücklich schildert die 45-Jährige, was vor dem Abflug nach Brindisi am Kölner Flughafen erlebt hat.
„Am vergangenen Samstag war mein Flug vom Airport Köln/Bonn nach Brindisi angesetzt. Dieser geht nur einmal pro Woche. Was ich vor dem Abflug am Flughafen erlebt habe, hat mein Vertrauensverhältnis in die Institutionen und Verantwortlichen dort nachhaltig erschüttert. Weil man sich auf nichts mehr verlassen kann. Es sagt einem auch keiner, wie viel früher man da sein soll. Bei Verdi hieß es dreieinhalb Stunden, der Flughafen sagt, man solle sich an die Airlines wenden. Die Airline schreibt auf ihrer Webseite ,frühzeitig‘. Keiner will sich festlegen, einer verweist auf den anderen. Ich war vier Stunden vorher da und zuversichtlich, dass das ausreicht. Am Ende hilft einem aber niemand. Nach mehreren Stunden Anstehen wurde es vor dem Eingang zum Sicherheitsbereich wegen der Menschenmassen total unübersichtlich. Ich fühlte mich sehr allein gelassen und den Zuständen ausgeliefert. Sicherheitspersonal war kaum zu sehen. Hilfe holen konnte ich nicht, sonst hätte ich ja meine Position in der Schlange verloren! Ich war sogar kurz davor, den Notruf zu wählen, da ich mich körperlich bedrängt fühlte und das Gefühl hatte, mich und meine Position mit allen Kräften allein verteidigen zu müssen.
Als ich durch die Schleuse ging und den Sicherheitsbereich betrat, traf mich der Schlag: Dort konnte man nicht etwa schnurstracks zur Handgepäckkontrolle gehen, sondern auch dort standen massenhaft Menschen an. Damit hatte ich nicht gerechnet. Dies ließ meine Anspannung merklich steigen. Dann kam der erste Aufruf für meinen Flug, sich zum Gate zu begeben. Insgesamt drei Mitarbeiter vom Sicherheitspersonal habe ich angesprochen, ob sie mir helfen könnten, nach vorne zu kommen. Keiner hat sich zuständig gefühlt. Die Menschen, die dort arbeiten, tun mir leid, die sind alle total gestresst. Aber eine Mitarbeiterin, an die ich mich gewendet habe, sagte lapidar: Da müssen sie eben früher am Flughafen sein. Das ist eine Unverschämtheit, die wusste überhaupt nicht, wie lange ich dort stehe. Mich erschüttert, dass man sich an die Regeln hält, sich nicht durchprügelt, aber am Ende trotzdem auf sich alleine gestellt ist.
Ich möchte mich nicht über Regeln hinwegsetzen, musste es aber tun, um selber durchzukommen. Nach dem zweiten Flugaufruf bin ich daher im Sicherheitsbereich einfach unter den Absperrungen hindurch gegangen, etwas, wofür ich eigentlich gar nicht der Typ bin. Ich habe nur gedacht, mal sehen, wer mich aufhält. Es hat keiner getan. Ich hätte auch mehr Protestgeschrei von anderen Passagieren erwartet, weil die Stimmung so aufgeheizt war. So etwas habe ich noch nie erlebt. Gottseidank ist die Situation nicht eskaliert, aber das kann sicher passieren.
Als ich mich am Ende zur Handgepäckkontrolle vorgearbeitet hatte, ließen mich die Passagiere vor mir nicht vor, weil deren Flug vor zehn Minuten geschlossen worden war. Und die hinter mir sagten, sie stünden nur hier, weil sie an ihr ausgeladenes Gepäck wollten. Deren Flug war schon weg. Die standen da aber ganz ruhig. Das ist ja das Absurde: Das sind alles brave Menschen. Wenn aber bei einem Fußballspiel ein paar Hooligans erwartet werden, kommt gleich ein großes Polizeiaufgebot und regelt das. Wenn zumindest im Sicherheitsbereich vor der Handgepäckkontrolle ein paar Sicherheitsmitarbeiter dafür zuständig wären, die Passagiere einzusammeln, deren Flug gerade beim Boarding ist, dann wäre das Problem schon viel kleiner. Dieses fehlende Ineinandergreifen der verschiedenen Zuständigkeiten, das hat mich so entsetzt. Dass Personalmangel herrscht, ist bekannt. Daher ist das auch nur eine Mangelverwaltung. Aber die Verwaltung dieses Mangels ist extrem schlecht organisiert.
Am Ende habe ich es rechtzeitig zum Gate geschafft. Hätte ich mich nicht über die Regeln hinweggesetzt und wäre ich nicht beherzt an den anderen Wartenden vorbeigegangen, hätte ich den Flug verpasst. Hilfe vom anwesenden Personal habe ich zu keinem Zeitpunkt erhalten – nicht mal, als das Boarding begonnen hatte. Nur wer Stärke, Mut und ein gewisses Maß an Dreistigkeit besitzt, hat also reelle Chancen, seinen Flug zu erreichen. Das Absurde ist, dass wir dann noch zwei Stunden Verspätung hatten, weil das Gepäck derjenigen Passagiere wieder ausgeladen werden musste, die nicht rechtzeitig zum Boarding gekommen sind. Was für ein Hohn für diese Menschen! Mich würde sehr interessieren, wie viele diesen Flug verpasst haben.

Chaos am Flughafen Köln/Bonn - Fluggäste verpassen Flieger
Wer übernimmt für dieses völlige Systemversagen die Verantwortung? Ich höre nur immer wieder, dass dieser Ansturm an Fluggästen nicht vorhersehbar war. Dafür braucht man aber kein ausgeklügeltes Computersystem oder einen validierten Vorhersagealgorithmus, sondern es reicht der gesunde Menschenverstand, um vorherzusagen, dass mit Beginn der Sommerferien ohne Coronaauflagen die Menschen wieder so reisen möchten wie vorher. Ich habe bisher nichts davon gehört, dass irgendjemand die Verantwortung übernimmt.
An diesem Tag habe ich mehr als drei Stunden angestanden ohne Gelegenheit, auf Toilette zugehen, mich zu setzen oder etwas zu trinken zu kaufen. Meinen geringen Getränkevorrat hatte ich schon lange aufgebraucht. Wie sollen Menschen mit einer weniger robusten körperlichen Verfassung diesen Marathon überstehen? Warum gibt es kein Personal, das die Schlange abgeht und dafür sorgt, dass zumindest Getränke verkauft werden oder prüft, ob es den Wartenden körperlich gut geht? Ein anderes Wort als ,Tortur‘ fällt mir dafür nicht ein.“