Durchsuchung in Recklinghausen Angreifer von Paris lebte in Asylbewerberunterkunft in NRW

Düsseldorf · Der Mann, der am Donnerstag vor einer Polizeiwache in Paris erschossen wurde, wohnte in einer Asylbewerberunterkunft in Recklinghausen. Das Landeskriminalamt hat die Wohnung des 20-Jährigen am Samstag durchsucht.

Laut Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve hat sich der Mann außer in Deutschland auch in der Schweiz und Luxemburg aufgehalten. Heute sei bekannt, dass er ohne Zweifel tunesischer Herkunft sei und "dass er sich in mehreren Ländern der Europäischen Union aufgehalten haben soll, in Luxemburg, der Schweiz, Deutschland", sagte Cazeneuve am Sonntag. Auf die Frage, ob der Mann möglicherweise Komplizen gehabt habe, erwiderte er in dem Interview mit den Sendern Europe 1 und iTélé sowie der Zeitung "Le Monde": "Meines Wissens nicht."

Wie das Landeskriminalamt (LKA) am Samstagabend mitteilte, beschäftigt sich eine eigene Ermittlungskommission mit dem Fall. Anlass für die Durchsuchung in Recklinghausen waren konkrete Hinweise der französischen Polizei. Hinweise auf neue, geplante Anschläge haben sich bei der Durchsuchung nach Angaben des LKA nicht ergeben.

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Weitere Angaben will das Landeskriminalamt derzeit nicht machen. Man wollte die Ermittlungen nicht gefährden, so die Begründung.

Der Bürgermeister von Recklinghausen, Christoph Tesche, kündigte in einer Mitteilung am frühen Sonntagmorgen an: "Sollten wir zu der Aufklärung des Sachverhalts durch das Landeskriminalamt (LKA) etwas beitragen können, werden wir das selbstverständlich unverzüglich tun. Ich werde mir dazu bereits am Sonntagmorgen in der Verwaltung gemeinsam mit Vertretern der zuständigen Fachbereiche ein Bild der Lage machen." Er habe mit "Bestürzung und großer Betroffenheit" zur Kenntnis genommen, dass der Mann zeitweise in einer Recklinghäuser Asylunterkunft gelebt habe.

Der Mann war am Donnerstag mit einer Bombenattrappe und einem Schlachtbeil auf die Polizeiwache im Viertel Goutte d'Or nahe des Montmartre zugestürmt. Er wollte offenbar in das Polizeirevier eindringen. Dabei rief er nach Angaben der Pariser Staatsanwaltschaft auf Arabisch "Allah ist groß".

Der Mann, der französischen Medienberichten zufolge 20 Jahre alt war, wurde von Polizisten erschossen. Er trug nach Angaben der Staatsanwaltschaft ein "handschriftliches, eindeutiges Bekennerschreiben" bei sich, auf dem auch eine Fahne des Islamischen Staats (IS) abgebildet war.

Am Freitag war auch eine erste Spur nach Deutschland bekannt geworden: Nach Angaben der französischen Behörden hatte der Mann ein Handy mit einer deutschen SIM-Karte dabei.

Die Pariser Staatsanwaltschaft hat Terror-Ermittlungen eingeleitet. Aus französischen Ermittlerkreisen hieß es am Freitag, Verwandte hätten den Toten als einen Tunesier namens Tarek Belgacem identifiziert.

In Frankreich hatte sich der Mann laut Staatsanwalt bei einer früheren Kontrolle als Marokkaner ausgegeben. In einem bei ihm gefundenen Schreiben nannte er dagegen einen anderen Namen und bezeichnete sich als Tunesier — als dieser soll er französischen Medien zufolge auch von seinem Umfeld erkannt worden sein. Seine tatsächliche Identität ist aber noch nicht offiziell bestätigt.

Wie die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf deutsche Sicherheitskreise berichtete, hatte der Mann in Deutschland unter dem Namen Walid Salihi Asyl beantragt. Insgesamt war er demnach unter vier Aliasnamen in der Bundesrepublik registriert. Als Staatsangehörigkeit habe er mal syrisch, mal marokkanisch, mal georgisch angegeben.

In Deutschland war der Mann dem Bericht zufolge schon mehrfach polizeilich in Erscheinung getreten. In der Flüchtlingsunterkunft in Recklinghausen habe er mit einer IS-Fahne posiert, schreibt "Spiegel Online". Die Landesbehörden stuften ihn demnach als Verdachtsfall ein, doch im Dezember 2015 verschwand er spurlos aus Recklinghausen. Eine LKA-Sprecherin wollte sich nicht zu den Berichten äußern.

Ein tunesisches Paar, das sich als Tareks Eltern vorstellte, bestätigte am Samstag in einem Interview mit dem tunesischen Privatradio Sabra FM, dass sich ihr Sohn kürzlich in Deutschland aufgehalten habe. Ihr Sohn habe sie von dort aus gebeten, ihm Auszüge aus dem Geburtsregister zu schicken und sei nur wegen seines Passes auf dem Pariser Kommissariat gewesen, sagte die Frau dem tunesischen Radiosender Sabra FM.

Sie selbst habe ihren Sohn gebeten, nach Hause zu kommen, da sie sich einer Handoperation unterziehen müsse und ihn sehen wolle, sagte die Frau. "Er hat nichts getan", sagte sie weiter und warf den französischen Behörden vor, ihren Sohn grundlos getötet zu haben. Sein Vater bekräftigte, sein Sohn Tarek habe keiner extremistischen Organisation angehört. Nach Angaben des Senders stammt die Familie aus Ouled Chemkh im Verwaltungsbezirk Mahdia.

(jco/das/AFP/dpa)
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