Razzia im Rotlichtviertel Stadt Essen schließt Bordell wegen „unhaltbarer Hygiene-Zustände“

Essen · Mit einem Großaufgebot ist die Polizei am späten Freitagabend ins Essener Rotlichtviertel an der Stahlstraße eingerückt. Massive Kräfte riegelten das Areal ab. Die Polizisten nahmen Personalien der Anwesenden auf und durchsuchten die Gebäude.

Essen: Polizei-Razzia in Rotlichtviertel am Freitagabend
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Razzia in Essener Rotlichtviertel

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Foto: dpa/Bernd Thissen

Bei der groß angelegten Razzia wurden bis in den frühen Samstagmorgen alle 17 Bordellbetriebe und rund 100 Prostituierte kontrolliert. Insgesamt wurden rund 130 Personen überprüft. Wegen „unhaltbarer hygienischer Zustände“ ordnete die Stadt die sofortige Schließung eines Bordells an. „Wir gehen davon aus, dass ein Gesundheitsrisiko für die beschäftigten Frauen vorliegt“, sagte eine Stadtsprecherin. Die Frauen mussten das Bordell noch in der Nacht räumen. Mitarbeiter des Ordnungsamtes hatten zuvor im Hinterhof sechs völlig zugemüllte Garagen, zahlreiche Hundekot-Haufen und Ratten entdeckt.

Nach Angaben einer Zoll-Sprecherin bestand bei einer Frau der Verdacht, dass sie sich illegal in Deutschland aufhält. In vier Fällen werde nun geprüft, ob Sozialleistungsbetrug vorliege. Bei sechs Arbeitgebern will der Zoll Geschäftsunterlagen genauer unter die Lupe nehmen. Die Polizei fand in einem Bordell weißes Pulver, vermutlich Rauschgift. Auch ein Drogenspürhund kam zum Einsatz. Ein Mann, der ein Bußgeld nicht gezahlt hatte, wurde von der Polizei zeitweise festgesetzt.

Wie die Stadtverwaltung am Samstag mitteilte, fehlten bei 24 von 82 Prostituierten die Anmeldebescheinigungen. Es seien 17 Verwarngelder in Höhe von 55 Euro erhoben worden. 15 Menschen seien wegen Verdachts auf illegalen Aufenthalt kontrolliert und sieben davon zur Überprüfung in Polizeigewahrsam genommen worden. Die Polizei habe einen offenen Haftbefehl vollstrecken können und zwei Anzeigen wegen Drogendelikten aufgenommen.

„Federführend ist die Stadt Essen. Wir als Polizei haben Amtshilfe geleistet“, sagte eine Polizeisprecherin. Beteiligt waren neben Polizei und Stadt auch Kräfte des Zolls, der Finanzbehörden und des Ordnungsamtes. Konkret sollte bei der Razzia überprüft werden, ob das sogenannte Prostituiertenschutzgesetz eingehalten wird.

Anders gesagt: Die Stadt wollte wissen, ob sich die Prostituierten auch alle bei der Stadt angemeldet haben. Denn das ist nach Gesetzeslage notwendig, wenn man diesen Beruf ausüben will. „Die Frauen müssen sich regelmäßig beim Gesundheitsamt melden“, sagte eine Sprecherin der Stadt Essen. „Wir prüfen auch mögliche Delikte im Zusammenhang mit Menschenhandel“, so die Sprecherin.

Die Stahlstraße, eine der ältesten Bordellstraßen Deutschlands, liegt unweit der Universität Duisburg-Essen und kaum 300 Meter entfernt vom Limbecker Platz, einem der größten Einkaufszentren des Landes. „Die Razzia richtete sich nicht speziell gegen Clans“, sagte die Polizeisprecherin. In dem Milieu sind mehrere kriminelle Akteure aktiv – unter anderem auch kriminelle Rocker. Insbesondere die „Bandidos“ sollen an der Stahlstraße großen Einfluss auf die Geschäfte haben. Die Polizei scheint grundsätzlich derzeit wieder vermehrt gegen Rockerkriminalität vorzugehen - zumindest öffentlich. Erst vor drei Wochen kontrollierten massive Polizeikräfte über mehrere Stunden hinweg eine Veranstaltung der „Bandidos“ in Essen. Dabei wurde unter anderem eine Schusswaffe, ein Schlagstock, ein Schlagring sichergestellt. Insgesamt wurden dabei 600 Personen und über 80 Fahrzeuge kontrolliert. In Hagen hatte es am Dienstag eine größere Razzia gegen Rocker-Bosse der „Bandidos“ gegeben.

Sie sollen sich derzeit im Ruhrgebiet einen blutigen Machtkampf mit den „Freeway Riders“ liefern. 240 Polizisten waren im Einsatz, sechs Männer im Alter von 36 bis 56 Jahren wurden festgenommen. Ihnen wird die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. In Essen müssen sich derzeit vier Mitglieder der „Bandidos“ vor Gericht verantworten, weil sie im Oktober 2018 in Gelsenkirchen ein Mitglied der „Freeway Riders“ erstochen haben sollen. Das LKA zählt etliche Rockergruppen zur Organisierten Kriminalität.

Allerdings schrumpft die Rocker-Szene in NRW seit Jahren. Nach Angaben des Landeskriminalamtes haben die „Bandidos“ noch rund 820 Mitglieder in NRW. Es folgen die „Freeway Riders“ mit 390, „Gremium MC“ mit 360, die „Hells Angels“ mit 280 und „Outlaws“ sowie „Brothers MC“ mit jeweils 110 Mitgliedern, wie die „Westfalen Post“ am Freitag zuerst berichtet hat. Dennoch stieg die Zahl ihrer Ortsgruppen von 89 auf 98 sogenannte Chapter und Charter. Die „Bandidos“ haben danach sieben Chapter mehr und die „Hells Angels“. Das LKA sieht darin eine Ausweitung der Gebietsansprüche der Clubs.

(mit Material der dpa)
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