Nach Explosion in Ratinger Hochhaus Flyer der Corona-Leugner bei Täter gefunden

Ratingen · Im Fall der Explosion in einem Ratinger Hochhaus laufen die Ermittlungen der Polizei weiter auf Hochtouren. Nach wie vor ist das Motiv für die Tat nicht bekannt. Doch es gibt neue Hinweise. Einer schwerverletzten Person soll es ein wenig besser gehen.

Menschen gedenkern der schweverletzten Opfer der Explosion.

Menschen gedenkern der schweverletzten Opfer der Explosion.

Foto: dpa/Roberto Pfeil

Bürger haben zum Gedenken an die schwerverletzten Opfer der Explosion in der zehnten Etage eines Ratinger Hochhaues, bei dem mehrere Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr schwer verletzt wurden, nahe des Tatorts Kerzen und Blumen niedergelegt. Nach wie vor ist der Gesundheitszustand der Verletzten, die schwerste Verbrennungen erlitten haben, größtenteils unverändert. Nach Informationen unserer Redaktion aus Ermittlerkreisen ist aber zumindest schon eine der acht schwerverletzten Personen von der Intensivstation auf eine normale Station verlegt worden.

Nach wie vor ist das Motiv für die Tat nicht bekannt. Der 57-jährige Tatverdächtige selbst schweigt zu dem Geschehen. Die Ermittler versuchen zu klären, wieso er die Explosion herbeiführte. Der Mann hatte am vergangenen Donnerstagvormittag die Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr an seiner Wohnungstür mit einer brennbaren Substanz eingesprüht; dann war es zur Explosion gekommen. „Das ist ein Gemisch gewesen, das sich aus mehreren Substanzen zusammensetzt, darunter auch so hochwertiges Benzin, das man an der Tankstelle bekommt“, hieß es aus informierten Kreisen. „Man muss sich das wie in einem Kamin vorstellen. Da gab es einen Durchzug. Die Einsatzkräfte hatten keine Chance“, so die Kreise. In der Wohnung fanden die Ermittler auch die Leiche einer Frau, bei der er sich vermutlich um die 91-jährige Mutter des Täters handelt – sie war aber schon einige Zeit tot.

Gegen den Mann war bereits am Freitag Haftbefehl wegen versuchten Mordes in neun Fällen erlassen worden.

Der 57-Jährige soll der Szene der Prepper und Corona-Leugner nahestehen. Bei Preppern handelt es sich um Menschen, die extrem viele Vorräte ansammeln. Aus Ermittlerkreisen hieß es dazu, dass bei ihm ein Flyer gefunden worden sei, der der Szene der Corona-Leugner zugerechnet wird. „Außerdem gibt es konkrete Hinweise auf seinem Facebook-Profil“, hieß es weiter.

Die Einsatzleiter der Polizei, Kriminaldirektorin Heike Schultz, sagte der „dpa“, dass in der Wohnung des 57-Jährigen handschriftlich verfasste Zettel gefunden worden seien, die nahelegen, dass der Mann Verschwörungstheorien anhing. „Da ist bei der Covid-19-Impfung von einer "Impfung des Teufels" die Rede. Zudem hat er seine Abneigung gegen Kirche, Staat und Arbeitsamt zum Ausdruck gebracht“, sagte die Einsatzleiterin. Einen Abschieds- oder Bekennerbrief habe man aber nicht in der Wohnung gefunden.

Die Einsatzkräfte waren zu der Wohnung geeilt, weil ihnen dort eine hilflose Person gemeldet worden war. Die Vermieterin hatte die Polizei gebeten, nach dem Rechten zu sehen, weil der Briefkasten überquoll. Gegen den 57-Jährigen lag auch ein Haftbefehl vor wegen Körperverletzung. „Er hat unter anderem seinem Nachbarn geschlagen“, hieß es aus informierten Kreisen. Der Mann hatte die verhängte Geldstrafe nicht bezahlt; dafür sollte er eine Haftstrafe antreten. Ein Polizist war deswegen eine Woche vorher an seiner Wohnung; traf ihn aber nicht an und ging wieder. „Es gab drei Verfahren wegen Körperverletzungen, wovon eines noch läuft. Die anderen beiden sind zusammengefasst worden, weswegen es zu der Ersatzfreiheitsstrafe kam“, hieß es aus Kreisen.

In der kommenden Woche wird der Fall im Innenausschuss des Düsseldorfer Landtages weiter aufgearbeitet; NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU), der tiefst erschüttert ist, wird zu neuesten Erkenntnissen sprechen. Die innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Christina Kampmann will wissen, ob die Einsatzkräfte darüber informiert worden waren, dass dort ein Gewalttäter wohnt, gegen den ein Haftbefehl vorlag. Reul hatte im polizeiinternen Intranet die Beamten dazu aufgerufen, nach der Tat noch ein bisschen vorsichtiger zu sein als ohnehin schon. „Für den Moment habe ich nur eine Bitte: Passen Sie gut auf sich und Ihre Kolleginnen und Kollegen auf“, schrieb Reul.

(csh)
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