Premiere in NRW Prognose-Unterricht für Viertklässler gestartet

Für rund 3300 Viertklässler in NRW heißt es heute: Ab in die Prognose! Sie müssen als erste Schüler überhaupt vor dem Wechsel zur weiterführenden Schulform am so genannten "Prognose-Unterricht" teilnehmen. Betroffen sind die Kinder, die auf Wunsch ihrer Eltern an einer Schulform angemeldet werden sollen, für die sie keine Eignungs-Empfehlung der Grundschule haben.

 Kinder sollten sich in der Schule viel bewegen.

Kinder sollten sich in der Schule viel bewegen.

Foto: DDP

Insgesamt sind es etwa 1,8 Prozent der landesweit 189.000 Viertklässler, wie das Schulministerium in Düsseldorf mitteilte. Der Prognose-Unterricht dauert drei Tage und umfasst an jedem Tag drei Unterrichtsstunden in den Fächern Deutsch, Mathematik und einem weiteren Lernbereich. Er wird geleitet von einer Grundschullehrerin, einem Lehrer der weiterführenden Schule sowie einem Vertreter der Schulaufsicht. Wenn alle drei Pädagogen einstimmig der Meinung sind, dass das Kind offensichtlich nicht für die von den Eltern gewünschte Schulform geeignet sei, müsse deren Wunsch zurückstehen.

Neues Schulgesetz

Der Prognose-Unterricht ist im neuen Schulgesetz der Landesregierung geregelt und war im Vorfeld von Bildungsverbänden und der Opposition scharf kritisiert worden. Das Schulministerium will auf diese Weise den Übergang zu weiterführenden Schulen verbindlicher regeln.

Ziel sei es, "schulische Leidenswege" zu verhindern, betonte Schulministerin Barbara Sommer (CDU). Kinder, die auf eine für sie nicht geeignete Schulform gingen, erlebten Misserfolge, litten oft seelisch stark darunter und könnten auch nach einem Schulwechsel später kaum zu weiteren Leistungen motiviert werden.

Die Grundschule benennt in ihren Gutachten nach der neuen Regelung eine Schulform aus Haupt- und Realschule sowie Gymnasium sowie zusätzlich die Gesamtschule und gegebenenfalls eine Schulform, für die das Kind eingeschränkt geeignet ist. In den Zweifelsfällen wollten nun rund 64 Prozent der Kinder eine Realschulempfehlung erreichen und etwa 34 Prozent eine Empfehlung für ein Gymnasium, erläuterte Sommer. In zwei Prozent der Fälle finde der Prognose-Unterricht freiwillig statt, weil die Eltern das Kind trotz Empfehlung der Grundschule an einer niedrigeren Schulform anmelden wollen.

Kritik von der Opposition

Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Sigrid Beer, sprach von "Schicksalstagen" für die betroffenen Viertklässler. Seit Wochen stünden die Familien unter Druck, weil sie ihren Kindern die Chancen auf eine höhere Bildung offen halten wollten. Zugleich sei fragwürdig, ob das Verfahren wissenschaftlich ausreichend abgesichert sei. SPD-Fraktionsvize Ute Schäfer sagte, das Verfahren sei "nicht kindgerecht" und mindere die Bildungsbeteiligung.

Die schwarz-gelbe Koalition wies die Kritik zurück: Das Instrument sei notwendig, um kein Kind durch den Rost fallen zu lassen, aber auch, um kein Kind durch zu hohe Elternansprüche zu überfordern, teilte die FDP mit. CDU-Bildungsexperte Klaus Kaiser verwies darauf, dass bislang jedes Jahr rund 16.000 Schüler zu einer niedrigeren Schulform gewechselt seien. Daher sei der Prognoseunterricht eingeführt worden.

Der Landesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, betonte dagegen, dass bei neun- bis zehnjährigen Kindern keine sichere Prognose hinsichtlich der Lernentwicklung gegeben werden könne. Auch sei der Prognoseunterricht keine gute pädagogische Methode, um die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft von Kindern zu erfassen.

(afp)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort