Polizei-Skandal in NRW Gewerkschaften weisen Forderung nach externer Kontrolle zurück

Düsseldorf · 30 Polizisten wurden in NRW suspendiert, weil sie in rechtsextremen Chatgruppen unterwegs gewesen sein sollen. Forscher fordern unabhängige Kontrollinstanzen für die Polizei – bei den Gewerkschaften will man davon nichts wissen.

 Zwei Polizisten im Einsatz (Symbolbild)

Zwei Polizisten im Einsatz (Symbolbild)

Foto: dpa, frg fpt

Nachdem bei der NRW-Polizei mehrere Chatgruppen mit rechtsextremen Inhalten aufgeflogen sind, fordern Experten unabhängige Kontroll- und Meldeinstanzen. Der Kreislauf, dass auch in solchen Fällen Polizisten gegen Polizisten ermitteln, müsse durchbrochen werden, sagt der Polizeiwissenschaftler Rafael Behr von der Akademie der Polizei in Hamburg. Dass die Gruppen so lange nicht aufgeflogen seien, habe auch mit den ehernen Gesetzen zu tun, die unter Polizisten gelten, so Behr: „Kollegenverrat ist eine Todsünde in der Polizistenkultur.“ Es müsse deshalb anonyme Hinweissysteme und eine Institution mit Ermittlungskompetenz außerhalb der Polizei geben.

Kostenpflichtiger Inhalt Wegen der Chatgruppen wurden laut NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) 30 Polizisten vorläufig vom Dienst suspendiert, 14 Beamte sollen ganz aus dem Dienst entfernt werden. Am Mittwoch waren bei Hausdurchsuchungen unter anderem Mobiltelefone und Festplatten beschlagnahmt worden. Zudem kündigte Reul an, den Verfassungsschützer Uwe Reichel-Offermann als Sonderbeauftragten zu rechtsextremistischen Tendenzen bei der NRW-Polizei einzusetzen.

Der Anwalt eines der betroffenen Polizisten, Volker Schröder, kritisierte am Freitag, dass es keinen externen beziehungsweise neutralen Ansprechpartner für Polizisten gebe, der Hinweise auf rechtsextreme Umtriebe aufnehmen könnte. Nur so könnten Beamte Tipps geben, ohne selbst in den Vorgängen aufzutauchen. Sein Mandant sei nicht rechtsradikal und bezeichne sein Verhalten als „große Gedankenlosigkeit.“

Auch andere Experten wie der Bochumer Kriminologe Tobias Singelnstein und der Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Sebastian Fiedler, sprachen sich für eine bessere Kontrolle des Polizeiapparats durch unabhängige Stellen aus. Am Freitag kündigte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Thüringens Ressortchef Georg Maier (SPD) an, in den SPD-regierten Bundesländern eine Studie zu Rassismus in der Polizei anzustoßen – notfalls auch ohne die unionsregierten Länder, die solche Forderungen bislang überwiegend zurückweisen. Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) lehnt eine solche Studie auf Bundesebene weiter ab. Er sagte der „Süddeutschen Zeitung“, der Vorgang bei der NRW-Polizei tue zwar weh, die Mehrheit der Polizisten stehe aber zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Von den Landesverbänden der Polizeigewerkschaften in NRW heißt es auf Anfrage, man halte die Einführung einer unabhängigen Kontrollinstanz für nicht zielführend. „Es gibt Extremismusbeauftragte in jeder Polizeibehörde“, sagt der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in NRW, Michael Maatz, „wir kriegen das innerhalb der Polizei geregelt.“ Es gebe bereits jetzt zahlreiche Instrumentarien zur Evaluierung, zum Beschwerdeeingang und zur Verfolgung von Amtsdelikten, erklärt die Deutsche Polizeigewerkschaft NRW.

Auch das NRW-Innenministerium hält externe Überprüfungsinstanzen derzeit nicht für notwendig. Die Erkenntnisse des von Reul eingesetzten Sonderbeauftragten sollen nach Angaben einer Ministeriums-Sprecherin die Grundlage für weitere Handlungen bilden. „Niemandem aber ist damit geholfen, ohne Erkenntnisbasis Strukturen zu schaffen, von denen man nicht weiß, was sie bringen, zumal jede Polizeibehörde bereits eine Extremismusbeauftragte oder Extremismusbeauftragten hat“, teilte sie auf Anfrage mit. „Der Minister ist überzeugt, dass wir methodisch und überlegt vorgehen müssen, er will keinen blinden Aktionismus, der politisch-ideologisch motiviert ist. Dafür ist ihm das Thema zu wichtig.“

Kostenpflichtiger Inhalt Für Rafael Behr, der seit vielen Jahren zu Organisationskultur und sozialer Kontrolle bei der Polizei forscht, geht das nicht weit genug. „Wenn derjenige aus dem Sicherheitsapparat selbst kommt, wird er auch nach dessen Logik arbeiten und vor allem prüfen, was strafrechtlich relevant ist“, sagt Behr. Dies greife in einem solchen Fall aber zu kurz: „Rassistische, demütigende, entmenschlichende Aussagen sind eine Frage der Haltung und der Moral.“ Das Gewaltmonopol der Polizei gehe mit einer großen Verantwortung einher, sie dürfe sich moralisch nicht angreifbar machen und müsse jetzt daran arbeiten, das gesellschaftliche Vertrauen wieder aufzubauen.

(mit Material der dpa)
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