Corona-Chaos im Sauerland Polizei riegelt Winterberg ab

Winterberg · Am vergangenen Wochenende strömten die Besuchermassen ins verschneite Sauerland – trotz Betretungsverboten für Pisten und Parkplätze. Die Behörden sperrten daraufhin die Zufahrtsstraßen und schrieben Anzeigen.

 Schneebedeckt sind die Ferienhäuser in einem Ferienpark.

Schneebedeckt sind die Ferienhäuser in einem Ferienpark.

Foto: dpa/Marius Becker

Alle Appelle haben sich als wirkungslos erwiesen: Obwohl die Stadt Winterberg und die Polizei in den vergangenen Tagen eindringlich darum gebeten hatten, den Skigebieten im Sauerland fernzubleiben, und zudem am Samstag noch Betretungsverbote für Pisten und Parkplätze erlassen worden waren, zog es auch am Sonntag wieder Tausende Tagesausflügler in die Wintersportregion. Am späten Sonntagvormittag sperrte die Polizei alle sechs Zufahrtsstraßen in den Ort. Autofahrer, die auf den verstopften Straßen schon Stunden unterwegs waren, mussten umkehren. „Winterberg ist dicht“, sagte Polizeisprecherin Laura Burmann.

Wie lange die Sperrung aufrechterhalten werden sollte, war noch nicht ganz klar. Vorrangiges Ziel der Ordnungsbehörden war es am Sonntag, die Betretungsverbote durchzusetzen. Denn schon am Morgen waren laut Burmann Besucher widerrechtlich auf den Pisten unterwegs und hatten ihre Fahrzeuge auf Parkplätzen abgestellt. „Die Menschen wurden gebeten, sich zu entfernen, es wurden Platzverweise ausgestellt und Ordnungswidrigkeitsanzeigen geschrieben“, sagte die Sprecherin.

Weil dies nicht allein mit den einheimischen Polizeikräften zu stemmen gewesen sei, halfen Beamte der Bereitschaftspolizei und der Reiterstaffel aus. Es sei aber ein Großaufgebot von Ordnungsamt, Sicherheitsdienst und Kreispolizeibehörde des Hochsauerlandkreises im Einsatz. Polizei und Ordnungsbehörden stellten bereits am Samstag 94 Verstöße gegen die Corona-Kontaktbeschränkungen und 176 Verstöße gegen die Maskenpflicht fest. Dazu kamen zwei Strafanzeigen, weil Einsatzkräfte beleidigt und in einem anderen Fall bespuckt wurden.

Die angespannte Lage in Winterberg hält bereits seit mehreren Tagen an. Um Weihnachten herum hatte es stark geschneit, es liegt vielerorts eine geschlossene Schneedecke. Allerdings sind Rodel- und Skilifte mindestens bis zum 10. Januar geschlossen, Rodeln an den Liften ist nicht erlaubt, zudem gibt es keinerlei Möglichkeiten einzukehren, sich aufzuwärmen oder eine Toilette zu benutzen. Abgehalten hat das die Besucher allerdings nicht.
„Wir lieben unsere Berge“, heißt es auf der Internetseite des Skilift-Karussells in Winterberg. „Aber in diesen Zeiten müssen wir diese Liebe ruhen lassen, denn der Ansturm führt zu Stau und Massenaufläufen. Verstopfte Straßen, fehlende Parkplätze und viele potenzielle Kontakte. Wer will das schon?“

Solch einen Ansturm von Tagesgästen habe man noch nie erlebt, sagte Stadtsprecherin Rabea Kappen. Deshalb, und weil die Skigebiete in der Region räumlich weit verteilt sind, ließen sich die Verbote auch nur schwer kontrollieren. Die Stadt appellierte daher an alle Ausflügler, sich rücksichtsvoll und vernünftig zu benehmen und zu Hause zu bleiben. Ohne Erfolg. Ähnliche Erfahrungen machen auch andere Regionen. So hatten die belgischen Behörden am Neujahrsmorgen bis Sonntag alle Zufahrts- und Durchfahrtsstraßen zum Hohen Venn in der Eifel gesperrt. Dort hatte es ebenfalls einen Ansturm auf die Parkplätze gegeben. Mit den Einschränkungen sollte das Naturschutzgebiet vor einem Übermaß an Besuchern bewahrt werden. Zudem wurde befürchtet, dass Abstandsregeln nicht eingehalten werden.

Entgegen allen Mahnungen und Berichten machten sich auch wieder etliche Menschen auf den Weg in den Harz und zum Großen Feldberg in Hessen. Polizei und Ordnungsbehörden schrieben Anzeigen wegen zahlreicher Verstöße gegen Corona-Maßnahmen wie Maskenpflicht und Kontaktbeschränkungen. „Wir haben hier Chaos hoch drei, es bricht alles zusammen“, sagte ein Sprecher der Polizeiinspektion Goslar am Samstag. Auf Rodelbergen wie der Hexenritt-Abfahrt am Wurmberg tummelten sich die Massen, auch auf Wanderwegen liefen Ausflügler dicht an dicht. Im Harz waren die Parkplätze schon am Sonntagmorgen wieder voll. „Momentan ist ein starker Schneefall, vielleicht hält das den einen oder anderen Besucher ab“, sagte ein Sprecher der Polizei am Vormittag in der Hoffnung, dass die Lage im Laufe des Tages weniger stark als am Samstag ausartet.

Auch in den bayerischen Alpen suchten Tausende Menschen Abwechslung. „Der Ansturm ist enorm“, sagte der Bürgermeister von Schliersee, Franz Schnitzenbaumer. Hunderte Schlittenfahrer tummelten sich selbst auf kleinen Hügeln, und Tourengeher bevölkerten die Skipisten. Im Großraum München lebten drei Millionen Menschen, die alle nicht in den Urlaub fahren dürften – das sei nun zu spüren. „Es ist genauso voll, als wenn Skibetrieb wäre“, sagte der Geschäftsführer der Alpenbahnen Spitzingsee, Peter Lorenz. Die Parkplätze seien voll. Viele nutzten den zugefrorenen See zum Langlaufen oder Schlittschuhlaufen.

Wie sich die Situation entwickelt, hängt wohl von der Wetterlage und der Einsicht der Tagesausflügler ab. Die Polizei im Sauerland zeigt sich in der Hinsicht eher fatalistisch. „Wir haben die Situation oft genug kommuniziert“, sagt Sprecherin Laura Burmann, „aber wir können es niemandem verbieten, nach Winterberg zu kommen.“ (mit dpa)

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