Solingen Polizei durchsucht Salafisten-Wohnungen

Solingen · Razzia in drei Häusern. Verdächtige sollen Hassbotschaften im Netz verbreitet haben. Die Polizei sicherte Beweise. Fahnder prüfen, ob Verbindung zwischen Solinger Szene und dem vereitelten Mordanschlag auf Pro-NRW-Chef besteht.

Der bundesweite Schlag der Sicherheitsbehörden gegen die Salafisten-Szene in Deutschland hat sich erneut auch gegen radikale Muslime in Solingen gerichtet. Beamte durchsuchten gestern Morgen drei Wohnungen in der Klingenstadt, darunter Objekte an der unteren Hauptstraße sowie an der Oberstraße in Höhscheid.

Festnahmen gab es in Solingen keine. Dafür beschlagnahmten die Polizisten unter anderem Telefone Computer, Videozubehör sowie Post der Verdächtigen. Das bestätigte gestern ein Sprecher des bei der Razzia federführenden Bundesinnenministeriums auf Anfrage unserer Zeitung.

Die Aktion, die außer in Solingen auch in Düsseldorf, Gladbeck sowie in Hessen über die Bühne ging und an der rund 120 Beamte beteiligt waren, begann gestern Morgen um sechs Uhr. Vorausgegangen war den Durchsuchungen ein Verbot mehrerer salafistischer Vereine durch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU).

Unter den verbotenen Organisationen befindet sich auch der Verein "An-Nussrah" mit Sitz in Gladbeck. Dabei handelt es sich nach Überzeugung der Ermittler um eine Teilorganisation des bereits im Frühsommer 2012 verbotenen Solinger Salafisten-Vereins "Millatu Ibrahim".

"Millatu Ibrahim" saß bis zu einer Großrazzia am 14. Juni 2012 in einer Hinterhof-Moschee in der Nordstadt. Nach Informationen unserer Zeitung wurden bereits damals Beweisstücke sichergestellt, die nun zu den erneuten Durchsuchungen führten. So fanden die Ermittler unter anderem Flyer, auf denen für den Gladbecker Verein "An-Nussrah" geworben wurde.

Aus der gestrigen Verbotsverfügung des Bundesinnenministers, die unserer Zeitung vorliegt, geht hervor, dass enge personelle Verflechtungen zwischen dem Gladbecker Verein und der Solinger Salafisten-Szene bestanden und immer noch bestehen.

So ließ der österreichische Salafist Mohammed M., der sich 2011/12 einige Monate in Solingen aufhielt, offenbar noch im Februar dieses Jahres ein Video verbreiten, in dem er dazu aufrief, "das An-Nussrah-Projekt zu unterstützen". Es helfe nämlich Muslimen, die im Bürgerkriegsland Syrien in Not geraten seien.

Mohammed M. war vor einigen Jahren in Österreich wegen Terrorunterstützung zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Ende 2011 tauchte der Islamist dann in der "Millatu-Ibrahim"-Moschee in Solingen auf. Dort übernahm M. schnell die Führung der Gemeinde, in der auch die zwei in England verurteilten Konvertiten Robert B. und Christian David E. verkehrten.

Die Solinger Szene radikalisierte sich nach der Ankunft M.'s zusehends. So wurde im Januar 2012 ein Journalist von M. angegriffen. Am Maifeiertag lieferten sich Salafisten eine Straßenschlacht mit der Polizei, bei der vier Menschen verletzt wurden. Die radikalen Muslime fühlten sich durch Mohammed-Karikaturen der rechtsradikalen Partei Pro NRW provoziert.

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Mohammed M. bereits nach Ägypten abgesetzt. Trotzdem bestanden nach wie vor enge Kontakte nach Solingen. So folgte nach der Großrazzia vom Juni 2012 ein anderer Salafist M. nach Ägypten. Dieser Mann gehörte sowohl bei der Solinger als auch der Gladbecker Gruppe zu den führenden Personen und war laut Innenministerium jeweils deren "Internetbeauftragter".

Offenbar übten die zwei Untergetauchten auch nach ihrem Verschwinden weiter großen Einfluss auf die in Solingen gebliebenen Salafisten aus. Die Behörden glauben, dass auf Anweisung der beiden Führungsköpfe die "An-Nussrah"-Internetpräsenzen angelegt wurden. Auf diesen wurden dann die besagten Videobotschaften veröffentlicht. Die Seiten sind seit gestern gesperrt.

Die Ermittler werden nun das bei der Razzia sichergestellte Beweismaterial untersuchen. Darüber hinaus überprüft die Polizei, ob es Querverbindungen zwischen der Solinger Szene und vier in der Nacht zu gestern Festgenommenen gibt. Diese Männer sollen geplant haben, aus Rache für die Mohammed-Karikaturen den Parteichef von Pro NRW zu ermorden.

Konkrete Verdachtsmomente, dass Solinger an dem vereitelten Anschlag beteiligt gewesen sein könnten, gebe es aber nicht, sagte gestern Abend ein Sprecher der zuständigen Polizei Essen der Morgenpost. Nach Informationen unserer Zeitung war keiner der jetzt Gefassten in Solingen gemeldet.

(RP/ac)
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