Verletzungsgefahr Polizei warnt vor Reizgas

Düsseldorf · Immer mehr Menschen beantragen einen Kleinen Waffenschein. Das Polizeipräsidium Wuppertal hat in einem Brief an die Bürger auf die Gefahren hingewiesen. Viele Jugendliche hantieren leichtfertig etwa mit Pfefferspray herum und verletzten Unbeteiligte.

Die zuständigen Sachbearbeiter im Wuppertaler Polizeipräsidium haben vorläufig genug vom "Kleinen Waffenschein". Sie kommen nicht mehr nach mit der Bearbeitung. Fast 1300 dieser Formulare sind seit den Kölner Vorfällen in der Silvesternacht von besorgten Bürgern eingetroffen, die sich Reizgaswaffen und Schreckschusspistolen zulegen wollen. "Normalerweise sind es zehn pro Monat", so eine Sprecherin.

Damit das wieder so wird, verschickt die Polizei im bergischen Städtedreieck Wuppertal, Remscheid und Solingen nun Briefe an viele Haushalte. Darin rät sie ab, sich selbst zu bewaffnen. Wuppertals Polizeipräsidentin Birgitta Radermacher weist in dem Schreiben auf die Gefahren dieser Waffen hin. Besonders Ungeübte könnten sich durch Gaspistolen und Reizgas-Sprays selbst verletzen. Die Polizei hofft, dass mit dem Informationsschreiben ein Umdenken eintritt. Wuppertal ist bislang die einzige Polizeibehörde in NRW, die diesen Weg einschlägt. Einige Präsidien überlegen, dem Beispiel zu folgen. Nicht so in Düsseldorf, obwohl auch dort die Zahl der Anträge für den "Kleinen Waffenschein" seit Jahresbeginn stark gestiegen ist. 912 sind es in der Landeshauptstadt seitdem. "Wir verfahren dennoch weiter wie gehabt und arbeiten alles ab", erklärt eine Sprecherin.

Landesweit sind in diesem Jahr schon rund 80.000 "Kleine Waffenscheine" beantragt worden. Polizei und Psychologen machen dafür eine wachsende Verunsicherung in der Bevölkerung verantwortlich - bedingt durch die zahlreichen Übergriffe an Silvester in Köln und die hohen Einbruchszahlen. "Deshalb bewaffnen die Bürger sich selbst, um sich zu schützen", sagt ein Polizeisprecher. Auch CDU-Innenexperte Gregor Golland sieht in der Entwicklung einen Beleg für das zuletzt rapide schwindende Vertrauen der Bevölkerung in die Sicherheitsbehörden.

Für den Besitz von Pfeffersprays gibt es in Deutschland keine Altersbeschränkung; Reizgas darf man hingegen erst ab 14 Jahren besitzen. Wer eine Schreckschusswaffe in der Öffentlichkeit mitführen will, benötigt den "Kleinen Waffenschein". Dafür muss man nach Angaben des Innenministeriums mindestens 18 Jahre alt sein und darf nicht vorbestraft sein. Nicht nur die Polizei, sondern auch Kommunen und Kreisverwaltungen können den Schein ausstellen.

In der Regel werden diese Waffen ohne Grund und leichtfertig eingesetzt, manchmal auch nur aus Spaß. Rettungsdienste und Polizei werden seit Jahresbeginn immer öfter zu Einsätzen gerufen, bei denen die Sprays eine Rolle spielen. "Gerade auf Feiern, wo man schon mal etwas angetrunken sein kann, wird oft mit diesen Dosen einfach nur aus Jux herumgesprüht ", erklärte ein Sprecher des Deutschen Roten Kreuzes (DRK).

Verletzungsgefahr auch für den Benutzer

Aber nicht nur für das Opfer, sondern auch für den Benutzer bestehe eine Verletzungsgefahr. "Schon etwas Gegenwind oder ein Luftzug können dazu führen, dass man selbst etwas in die Augen bekommt", so der DRK-Sprecher. Das stört anscheinend wenige. "In fast jeder Handtasche findet man mittlerweile diese Spraydosen", sagt er.

Auffällig häufig sind es junge Menschen, die diese Waffen unbedarft und aus nichtigen Gründen einsetzen. In Düsseldorf eskalierte vor kurzem ein Streit zwischen zwei jungen Mädchen an einer Bushaltestelle. Es ging um einen Jungen. Eines der Mädchen sprühte ihrer Kontrahentin mit Pfefferspray ins Gesicht. In Dinslaken verteilte ein 16-Jähriger das Spray in einem Berufskolleg. Sieben Personen erlitten Reizungen der Augen und Atemwege, zwei von ihnen mussten ins Krankenhaus gebracht werden.

Auch Konflikte im Straßenverkehr werden immer öfter mit diesen Sprays "gelöst". In Düsseldorf verletzte vor wenigen Tagen ein Fahrradfahrer damit einen anderen schwer im Gesicht. Und auch Kriminelle setzen die chemischen Keulen mittlerweile ein, um ihre Opfer handlungsunfähig zu machen. So wurde in Mönchengladbach eine Frau an der Haustür überfallen, als sie diese öffnete. Die Täter sprühten ihr die Substanz ohne Vorwarnung ins Gesicht, gingen ins Haus und entwendeten Geld und Wertgegenstände.

Besonders ältere Menschen fürchten sich davor, in ihren eigenen vier Wänden überfallen und ausgeraubt zu werden. "Darum sind es wiederum besonders Senioren, die einen Kleinen Waffenschein beantragen", so ein Polizeisprecher. "Sie fühlen sich damit einfach sicherer." Doch das sei ein Irrglaube. Denn im Ernstfall sei man nicht in der Lage, Pfefferspray oder eine Schreckschusspistole zielgerichtet gegen einen Täter zu richten.

Hinweis: In einer früheren Version dieses Artikels war die Rede davon, der "Kleine Waffenschein" sei Voraussetzung für den Besitz einer Schreckschusswaffe, und nicht - wie es eigentlich heißen musste - für das Mitführen einer solchen Waffe. Wir haben den betreffenden Satz entsprechend angepasst.

(csh)
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