Aktion startet wieder am 3. März Einsamen Menschen zu Ostern „Post mit Herz“ schicken

Düsseldorf/Hamburg · Feiertage verbringen viele am liebsten mit der Familie. Doch was, wenn es niemanden mehr gibt? Durch die Aktion „Post mit Herz“ kann jeder Post an einsame Menschen in sozialen Einrichtungen schicken. Los geht es wieder am 3. März.

Einen handgeschriebenen und bunten Brief zu erhalten ist etwas ganz Besonderes. Diese Post kam zu Weihnachten an.

Einen handgeschriebenen und bunten Brief zu erhalten ist etwas ganz Besonderes. Diese Post kam zu Weihnachten an.

Foto: Patrick Armiento

Einen handgeschriebenen Brief haben viele von ihnen oft sehr lange nicht mehr erhalten. Und wenn die bunt verzierten Karten zu Ostern im Briefkasten landen, dann ist das etwas ganz Besonderes. Ein Moment, aus dem Hoffnung entsteht, sich gesehen und vielleicht mit jemandem verbunden fühlen, ein schönes Gespräch, Dankbarkeit. Manchmal sogar Brieffreundschaften, sagt Gina Staschke.

Sie und neun ihrer Freundinnen und Freunde aus Hamburg haben die ehrenamtliche Aktion „Post mit Herz“ das erste Mal zu Weihnachten im Jahr 2020 gestartet. Ihre Mission: „Jeder einsame Mensch soll eine Karte mit lieben Worten bekommen“, berichtet sie. Mehr als 494.000 Briefe sind seitdem bei Menschen in etwa 5900 sozialen Einrichtungen bundesweit angekommen – immer zu Weihnachten und Ostern. Und so wird es auch in diesem Jahr wieder sein. Ab Sonntag, 3. März, können Menschen sich anmelden und Karten mit Ostergrüßen abschicken.

 Die Aktion gibt es seit 2020.

Die Aktion gibt es seit 2020.

Foto: Patrick Armiento

Die Sozialpädagogin Jessica Welski aus Düsseldorf kennt die Aktion seit Weihnachten 2021. Da hat die Einrichtung, in der sie arbeitet, das erste Mal den Briefkasten voller bunter Post gehabt, berichtet sie. Das Georg-Glock-Haus im Stadtteil Lierenfeld – das zur der Awo gehört – ist eine kleine vollstationäre Pflegeeinrichtung für ältere Menschen, viele von ihnen sind hochgradig demenziell verändert, so sagt es Jessica Welski. Sie erinnert sich daran, wie der Hausmeister mit der bunten Post hineinkam und fragte: „Was habt ihr denn hier schon wieder gemacht?“ Er war ganz neugierig und hielt die Karten in der Hand, künstlerisch gestaltet waren sie schon auf dem Umschlag. Weil sonst eher selten persönliche Post ankommt wie in vielen Einrichtungen, fiel der bunte Gruß auf. Und der Inhalt löste vor allem Freude und schöne Gespräche aus, sagt Jessica Welski.

Zu Weihnachten und Ostern werden Postkarten mit Herz verschickt. Und dann in sozialen Einrichtungen gemeinsam gelesen.

Zu Weihnachten und Ostern werden Postkarten mit Herz verschickt. Und dann in sozialen Einrichtungen gemeinsam gelesen.

Foto: Patrick Armiento

In Deutschland sind Millionen Menschen einsam, wie auch ein sozio-ökonomisches Panel aus dem Jahr 2021 zeigt, auf das das Bundesfamilienministerium verweist. Darin gaben rund 42 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen an, dass sie sich einsam fühlten. Besonders betroffen waren die Altersgruppe der jungen Erwachsenen unter 30 Jahren und der älteren Menschen über 75 Jahren. Durch die Corona-Pandemie habe sich das Verhältnis verschoben, und auch deutlich jüngere Menschen fühlten sich aufgrund von Kontaktbeschränkungen und viel Zeit daheim einsam. Das Risiko sei die soziale Isolation, die dadurch entstehe, heißt es in einem Informationspapier zu einer bundesweiten Strategie gegen Einsamkeit.

Gerade an Feiertagen, an denen viele Familien und Menschen zusammenkommen und sich ihren Traditionen widmen, kann die Einsamkeit noch schmerzhafter sein. Weil die Menschen allein sind oder sich nicht verbunden fühlen mit der Gesellschaft. Weil sie sich vielleicht selbst nicht mehr als liebenswert genug wahrnehmen. Oft suchen sie die Schuld dafür bei sich. Einsamkeit ist für viele Menschen schambehaftet. Und kann auch gesundheitlich sehr gefährlich sein, wie die Bundesfamilienministerin Lisa Paus in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagt: „Einsamkeit erhöht ganz eindeutig das Risiko für körperliche und psychische Krankheiten wie zum Beispiel Depressionen und Suizidalität.“ Einsamkeit sei dabei keine Krankheit, sagt sie, sondern eine gesunde Reaktion darauf, wenn jemand nicht allein sein will – und führe im besten Falle dazu, dass Menschen ihre sozialen Kontakte intensivierten oder veränderten. An diesem Punkt setzt auch die Aktion „Post mit Herz“ an – denn es gehe darum den Menschen zu zeigen, dass jemand an sie denke, heißt es auf der Internetseite.

 Die Briefe werden in den sozialen Einrichtungen gesammelt und dann gemeinsam an Ostern vorgelesen.

Die Briefe werden in den sozialen Einrichtungen gesammelt und dann gemeinsam an Ostern vorgelesen.

Foto: Patrick Armiento
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In Hamburg haben die Initiatorinnen und Initiatoren auch schon Menschen besucht, die die Briefe erhalten haben, sagt Gina Staschke. Ihre Eindrücke beschreibt sie so: „Diese Blicke in den Augen. Die Neugierde: „Wer schreibt mir denn jetzt einen Brief?“ Oder einfach das Gefühl, „Jemand hat an mich gedacht“ – und der Gedanke „Was für eine tolle Karte – für mich“ – das kann die Welt bedeuten“, sagt die Hamburgerin. „Weil sie das vielleicht seit Jahren nicht mehr so hatten“, betont sie. „Da kommen uns die Tränen“, sagt Gina Staschke.

Jessica Welski und ihr Kollegium nutzt die Briefe, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, sagt sie. Die Einstiegshürden seien gering, weil sie sich ganz intuitiv über das unterhalten können, was ihnen in den Kopf komme, erklärt Welski, oder was ihnen als erstes auffalle. Zum Beispiel: „Die Glitzerkarte gefällt mir besonders gut“. Oder aber sie fragt, ob jemand schon mal an dem Ort war, von dem die Karte abgeschickt wurde. Dann passiere es ganz schnell, dass jemand sagt: „Wir waren früher auch immer in den Bergen“, oder: „Beim Wandern hatte mein Vater immer den Wanderstock dabei.“ Solche Gespräche führten dazu, dass die Menschen sich einander näher fühlten und sich nicht isolierten.

Gerade das sei so wichtig, betont Jessica Welski. Denn: „Depression ist ein Riesen Thema im Altenheim.“ Es ist eine riesige Umstellung, sein gewohntes Umfeld zu verlassen, weil man den Alltag nicht mehr allein bewältigen kann. Die Konsequenz ist oft ein Umzug in ein Altenheim. Doch dort gebe es unter den Menschen häufig ein Konkurrenzdenken und Angst vor Ablehnung, sagt Jessica Welski. Oder die Menschen schämen sich. Vor allem, wenn die eigenen Fähigkeiten schwinden. „Sie denken: Dann lachen die anderen über mich“, berichtet die Sozialpädagogin, und deshalb trauten sie sich bestimmte Dinge nicht mehr. Am schlimmsten sei es, wenn Menschen ihre Sinne verlieren würden. „Wer nichts mehr hört, spricht oft auch nicht mehr“, sagt Jessica Welski. Und auch wenn Menschen, die dement sind, nicht mehr so gut in die Gefühle anderer Menschen hineinversetzen könnten, so würden sie immer noch ihre eigenen Gefühle spüren, sagt die Düsseldorferin. „Das Herz ist nicht dement, die Gefühle bleiben“, betont sie.

 Dabei können Menschen sich kreativ austoben.

Dabei können Menschen sich kreativ austoben.

Foto: Patrick Armiento

Wer eine Karte schreiben möchte, kann sich dafür auf der Internetseite www.postmitherz.org registrieren. Dafür müssen Kartenschreiberinnen und Schreiber ihren Vornamen hinterlegen und eine Mailadresse – außerdem müssen sie angeben, wie viele Karten sie schreiben möchten. Zwischen einem Brief und 15 können sie wählen. Danach erhalten sie eine Adresse zur Einrichtung. Wichtig dabei ist zu beachten: Wenn eine Adresse generiert wurde und Absenderinnen und Absender es nicht schaffen ihre Karte abzuschicken, gehen die Menschen dahinter leer aus, sagt Gina Staschke. „Das wäre sehr schade“, meint sie. Auf der Internetseite schreibt „Post mit Herz“ deshalb: „Gebe also nur so viele Karten an, wie du auch schreiben kannst.“ Und schon ein Brief sei richtig toll, sagt Gina Staschke – denn hinter jeder Post stecke auch wirklich ein Mensch, der sie erhalte und sich darüber freue.

„Viele sagen, sie wissen gar nicht, was sie im ersten Satz schreiben sollen“, berichtet sie. Deshalb liefern sie und die anderen Menschen hinter „Post mit Herz“ ein paar Ideen, die sie gemeinsam mit den Schreiberinnen und Schreibern gesammelt haben. So schreibt eine Person: „Nehmt euer Lieblingszitat – froh und ermutigend – und schreibt eure Gedanken dazu auf.“ Oder: „Ich nehme als Ansprache immer „Lieber Mitmensch“ und ende mit „Schön, dass es dich gibt“. Viel bunte Farbe sei schön, raten einige, gemalte Bilder, oder wenn Kinder die Karte schreiben. Toll sei, einfach eine Nachricht von Herzen zu senden. Denn, „da gibt es Menschen, für die deine Zeilen wertvoll sind“, sagt Gina Staschke.

Jessica Welski weiß, dass einige Menschen Fotos von ihren Haustieren auf Ostereier-Suche mitsenden – oder Keksrezepte, die sie gern mögen, berichtet sie. Wenn sie alle Karten in einem Post-Körbchen gesammelt haben – mit Frühlingsblumen dekoriert – setzen sie sich gemeinsam mit den Menschen, die im Georg-Glock-Haus leben, zusammen. Und dann öffnen sie die Karten gemeinsam. Sie reichen sie herum, sodass sie sich anschauen können und lesen – je nachdem, wer das noch könne. „Wir lachen dabei sehr viel“, sagt die Düsseldorferin. „Es gibt aber auch Karten, da weinen wir.“ Doch auch das sei okay.

Eine Idee könnte zum Beispiel diese Nachricht sein: „Lieber Mensch, der meine Zeilen liest. Haben Sie Lust auf ein kleines Gedankenexperiment? Ich würde in Gedanken gern die Ostertage mit Ihnen gemeinsam verbringen. Gerne würde ich etwas backen – vielleicht Kekse oder einen Hefezopf. Was würden Sie gern essen? Und was würden Sie trinken dazu? Ich habe einen kleinen Balkon, auf den wir uns zusammen hinsetzen könnten – und einfach eine schöne Zeit verbringen. Ich decke einen Platz für Sie mit und in Gedanken sind Sie dabei – wenn sie mögen natürlich nur. Wie verbringen Sie die Ostertage? Was machen Sie gern in Ihrer Freizeit, das Sie gern einmal wieder machen würden? Ich bin gerne kreativ, auch wenn ich mir die Zeit dafür viel zu selten nehme. Vielleicht können wir uns beide für Ostern etwas vornehmen, das uns gefallen würde. Liebe Grüße und alles Gute für Sie.“

Kreisen Ihre Gedanken darum, sich das Leben zu nehmen? Sprechen Sie mit anderen Menschen darüber. Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar, Telefon 0800 111 0 111 und 0800 111 0 222.

Dieser Text erschien bereits im vergangenen Jahr. Aus aktuellem Anlass bieten wir ihn erneut zum Lesen an und haben ihn entsprechend aktualisiert.

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