Schwarzfahrerin in Wuppertal vor Gericht "Oma Gertrud" ist wieder auf freiem Fuß

Wuppertal · Ihre Anhänger forderten im Gerichtssaal "Freiheit für Oma Gertrud". Der Fall einer 87-Jährigen, die kurz vor Weihnachten als mutmaßliche Schwarzfahrerin in Untersuchungshaft kam, bewegt die Gemüter. Nun ist die alte Dame tatsächlich frei.

 Vor dem Wuppertaler Landgericht: "Oma Gertrud"

Vor dem Wuppertaler Landgericht: "Oma Gertrud"

Foto: dpa, Caroline Seidel

Fünf Tage vor Heiligabend hat das Wuppertaler Amtsgericht "Oma Gertrud" auf freien Fuß gesetzt. Der 87-Jährigen werden 22 Fälle von Schwarzfahren vorgeworfen. "Das Verfahren wird ausgesetzt", sagte Richter Markus Schlosser am Donnerstag. Es müsse zunächst geklärt werden, ob die Frau verhandlungs- und schuldfähig ist.

"Sie sind frei und können gehen", sagte der Richter zu der alten Dame und hob ihren Haftbefehl auf. Daraufhin brandete im Gerichtssaal Applaus auf. "Ich danke Euch", rief die Seniorin den Zuschauern zu. Gertrud F. war in der vergangenen Woche festgenommen und in Untersuchungshaft gesteckt worden. Ihr Fall hatte bundesweit eine Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst. In der Verhandlung hatte der Psychiater Ulrich Lange als Gutachter die Verhandlungs- und Schuldfähigkeit der Rentnerin angezweifelt. Er attestierte ihr eine Denkstörung, die es ihr sehr schwer mache, sich zu verteidigen. Sie sei sehr sprunghaft in ihren Gedankengängen.

Die 22 Fälle von Beförderungserschleichung in Zügen der Deutschen Bahn gerieten dabei zur Nebensache. In einem ihrer Zwischenrufe hatte die Angeklagte ihre Schuld bestritten. Sie habe eine Fahrkarte gehabt, aber die habe man ihr weggenommen. Die alte Frau war im September einer Gerichtsverhandlung fern geblieben, daraufhin hatte das Gericht den Haftbefehl verkündet. Gemeldet bei ihrem Sohn, war sie dort aber nie angetroffen worden. Sie schlafe "mal da und mal da", sagte die inzwischen offenbar obdachlose Frau.

Ihr Verteidiger erklärte, man habe ein Konto für die alte Dame eingerichtet. Zahlreiche Bürger hatten sich in den vergangenen Tagen gemeldet, um die 87-Jährige freizukaufen und ihr die Haft zu ersparen. Bereits im Juni war die betagte Frau wegen Schwarzfahrens zu 400 Euro Geldstrafe verurteilt worden. Eine Boulevard-Zeitung hatte damals die Strafe bezahlt und ihr die Ersatzhaft erspart.

Keinem der beteiligten Beamten sei die Festnahme leicht gefallen, hatte ein Sprecher der Bundespolizei damals gesagt - und damit erstmals eine Welle der Sympathie und Spendenbereitschaft für die alte Frau ausgelöst. Auch der Amtsrichter hatte bemerkt, dass er den Haftbefehl "schweren Herzens" erlassen habe.

Die rot-grüne Landesregierung Nordrhein-Westfalens will seit längerem eine bundesweite Reform der Strafgesetzgebung anstoßen. In entsprechenden Fällen sollen Richter als Strafe künftig auch gemeinnützige Arbeit verhängen können.

(dpa)
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