Helfer im Alltag Stille Helden machen unsere Welt besser

Düsseldorf · Vieles in unserer Gesellschaft funktioniert nur oder wird einfach dadurch besser, weil es Menschen gibt, die sich für andere engagieren – ohne großes Tamtam. Wir stellen stellvertretend für alle fünf stille Helden vor, die das, was sie tun, nicht tun müssten.

 Petra Mainka-Bersch will Klinikclown werden.

Petra Mainka-Bersch will Klinikclown werden.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Vennhausens gute Seele

In ihrem ersten Leben war sie Bürokauffrau, sagt Petra Mainka-Bersch. Zuerst in Oberhausen, dann zog sie mit Mann und zwei Kindern nach Düsseldorf, erst in den Stadtteil Gerresheim, dann nach Vennhausen. In ihrer Freizeit leitete sie einen Kirchenchor. Doch dann zerbrach die Ehe – „und ich musste von vorne anfangen, privat wie beruflich“. Das ist jetzt 13 Jahre her – und im Zentrum von Mainka-Berschs Leben steht nun nicht mehr die Berufstätigkeit, sondern das Ehrenamt.

Darin hat die 51-Jährige ihre Bestimmung gefunden, manche kennen sie nur als „die gute Seele von Vennhausen“. Dem Kirchenchor ist sie auch nach einem erneuten Umzug treu geblieben, 22 Jahre schon. Und sie hat neue Projekte angefangen: So betreut sie das Projekt „U7 bis Ü70“ im Ferdinand-Heye-Haus in Gerresheim. Dort gibt es sowohl einen Kindergarten als auch ein Altersheim, das speziell für Demenzkranke ausgelegt ist. „Es geht darum, Kinder und an Demenz Erkrankte gemeinsam musizieren zu lassen“, erzählt Mainka-Bersch. In dem Kindergarten bietet sie seit Jahren zudem musikalische Früherziehung an. Kostenfrei.

Vor drei Jahren hat die 51-Jährige eine Ausbildung zur systemischen Trauerbegleiterin gemacht. Seither berät sie Kinder und Jugendliche, die ein Elternteil verloren haben. „Nicht ausgelebte Trauer ist schrecklich“, sagt Mainka-Bersch, „und gerade Kinder werden dabei oft nicht ernst genommen.“ Sie weiß, wovon sie spricht: Seit vielen Jahren ist sie auch als Sterbebegleiterin tätig.

Berufstätig ist Mainka-Bersch trotzdem – allerdings so, dass sie sich die Zeit frei einteilen kann. Und Geld ist ihr nicht so wichtig, sagt sie. Sie arbeitet freiberuflich, als Klavierlehrerin, als Leiterin eines Schulchors, und seit Kurzem für den Verein Crossroad NRW, der ambulante Jugendhilfe anbietet. „Manchmal ist die Zeit schon etwas knapp“, sagt sie, „aber wenn ich etwas zusage, dann mache ich es auch.“ Demnächst will sie eine neue Ausbildung anfangen, zum Klinikclown. „Ich möchte mein Leben eben mit Leben füllen“, sagt sie.

 Tina Richter hilft Obdachlosen.

Tina Richter hilft Obdachlosen.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Hilfe für Jeden

Das hatte sich Tina Richter anders vorgestellt. Die Gladbacherin wollte sich 2014 bloß einer privaten Gruppe anschließen, die in der Stadt Obdachlosen hilft. Als sie feststellte, dass eine solche nicht existierte, wollte sie keinen Rückzieher machen. Sie packte ein paar Taschen und zog los zu den Bedürftigen auf der Straße, mit klopfendem Herzen.

Die müssen gedacht haben, sie komme einmal und dann nie wieder, vermutet sie heute. Aber Richter kam wieder –  aus „Wir für MG – Obdachlosenhilfe Mönchengladbach“ ist ein gemeinnütziger Verein geworden.

Richter, 48, hat einen anstrengenden Job – sie arbeitet als Kinderkrankenschwester. Doch bis zu 20 Stunden pro Woche steckt sie auch in ihren Verein, ein Team von 15 bis 20 ehrenamtlichen Mitarbeitern unterstützt sie. Wichtigste Aufgabe: Spenden sammeln und an Bedürftige in der Stadt verteilen. Kleidung, Lebensmittel, Hygieneartikel, Schlafsäcke, Isomatten. Nicht nur für Obdachlose.

„Wir schauen nicht nach Herkunft, sexueller Orientierung, Sozialbescheiden und was einige sonst noch so stören könnte“, schreibt Richter auf der Facebook-Seite, die so heißt wie der Verein. „Wir helfen, geben raus, was vorhanden ist und benötigt wird – ohne Wenn und Aber.“ Auf der Facebook-Seite bedankt sich Richter auch bei jedem Spender. Und die Menschen bedanken sich beim Verein. „Ihr seid wirklich mit Gold nicht zu bezahlen!“, schrieb kürzlich eine Frau.

Einmal im Monat kochen sie auch, am Ersten Weihnachtstag erwarten sie 160 bis 180 Gäste im Bruno-Lelieveld-Haus. Im vergangenen Jahr gab‘s  Wildschweingulasch. „Der war butterweich“, sagt Richter. Sie hat noch Ziele, zum Beispiel einen Kältebus. „Wenn ich mal einen guten Autohändler erwische.“ Mensch bleiben, das treibt sie an. „Ich kann mich doch jetzt nicht wieder auf die Couch setzen.“

 Theo Bamberg hilft Patienten.

Theo Bamberg hilft Patienten.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Offenes Ohr für Sorgen

Wenn Theo Bamberg seinen grünen Kittel überstreift, weiß er nie, was ihn erwartet. Er weiß aber, dass die meisten Menschen froh sind, ihn zu sehen, manche ihm sogar ihr Herz ausschütten. Bamberg muss dann vor allem: Zuhören. Trösten. Mut zusprechen. Auch mal scherzen, oder, wenn es möglich ist, helfen. Der 71-Jährige arbeitet ehrenamtlich bei der Ökumenischen Krankenhaushilfe (ÖKH) Krefeld, besucht drei Stunden die Woche Patienten auf der Herzstation des Helios Krankenhauses. „Das hört sich wenig an“, sagt er, „ist aber sehr intensiv und auch anstrengend.“

Früher lehrte Bamberg an einer Schule für Erziehungshilfe, das Soziale liegt ihm im Blut. Deshalb war er sofort interessiert, als er bei einem Besuch in der Klinik vor vier Jahren an einen Infostand der ÖKH geriet, die damals unter dem Titel Grüne Damen und Herren firmierte, mittlerweile aber Namen und Träger gewechselt hat. Bamberg wollte helfen, ließ sich schulen und bekam seine Station zugewiesen. Ein wenig Herzklopfen sei vor dem ersten Patientenkontakt dabei gewesen, erzählt er. „Aber das hat sich schnell gegeben.“ Die meisten Gespräche seien interessant, manchmal käme man richtig ins Plaudern, ein anderes Mal gehe es nur darum, ein neues Telefon zu besorgen.

Neben einer Zugewandtheit anderen gegenüber brauche man vor allem Fingerspitzengefühl, sagt Bamberg. Manche Patienten wollten einfach ihre Ruhe haben. „Da darf man nicht aufdringlich sein.“ Negative Reaktionen habe er noch nie erlebt, auch kaum dramatische Situationen. Einmal lag ein Patient auf dem Boden, als Bamberg das Zimmer betrat. „Da habe ich sofort die Krankenschwester geholt“, sagt er. Denn Hand an Patienten anlegen oder medizinische Ratschläge geben darf er nicht. Bis 80 will Bamberg noch weitermachen. „Das ist ein gutes Gefühl, wenn man etwas tun kann für die Menschen. Jemanden aufzubauen, schenkt einem Kraft für Monate.“

 Hans Kob arbeitet in einem Hospiz.

Hans Kob arbeitet in einem Hospiz.

Foto: Anne Orthen (ort)

Zeit für Fragen und Antworten

Männer sind bei uns Exoten“, sagt Hans Kob. Das „uns“, von dem er spricht, sind die ehrenamtlichen Helfer am Hospiz des Evangelischen Krankenhauses in Düsseldorf. Seit einem Jahr engagiert sich der 69-Jährige dort. Von rund 60 Helfern sind etwa 50 Frauen. „Ich glaube, das liegt daran, dass man als Ehrenamtler kein Bestimmer ist, sondern Geber.“

Kobs Aufgaben im Hospiz: in der Küche anpacken, die Rezeption besetzen und für das Patienten-Kaffeekränzchen am Nachmittag Kaffee und Kuchen bereitstellen. All das eben, was dafür sorgt, dass die Hauptamtler mehr Zeit und Ruhe für die Patienten haben. „Ich glaube, dass das Hospiz ein ganz wichtiger Ort des Friedens für Menschen in dieser letzten Lebensphase ist, und ich finde es wichtig, diese Arbeit zu unterstützen“, sagt Kob.

Dafür gibt der ehemalige Lehrer gerne Lebens- und Freizeit, auch, wenn es nicht immer einfach ist. „Ja, man umgibt sich mit Menschen, die sterben. Aber ich kann damit gut umgehen, denn auch die Ehrenamtler werden mit der Situation nicht alleine gelassen.“ Zur Vorbereitung durchlaufen alle Helfer eine sechsmonatige Ausbildung, außerdem bietet das Hospiz Fallbesprechungen und Supervision für Ehrenamtler an. „Mein Glück ist, dass meine Frau diese Arbeit mit mir gemeinsam macht“, sagt Kob. So sei es leichter, eine Balance zu finden zwischen Geben und Leben. „Wir fahren natürlich auch mal in den Urlaub und haben Hobbys, denen wir nachgehen. Aber nur zu reisen, das ist zu wenig.“ Kob will spüren, dass er seine Zeit anderen widmet. „Ich glaube, nur so funktioniert unser Gemeinwesen, in dem ich mich sehr wohl fühle: Alle sollten etwas geben, ob es Zeit ist oder ob es Ideen sind.“ Teil dieses Kreislaufs zu sein, ist für ihn Lebenssinn und Dank genug für seine Unterstützung.

Deshalb hilft er nicht nur einmal im Monat im Hospiz, sondern auch einmal in der Woche einer Flüchtlingsfamilie aus dem Irak. „Es sind die kleinen Dinge, die für diese Familie wichtig sind“, sagt Kob. Er hilft mit den Schreiben von Ämtern und vom Krankenhaus, das die krebskranke Mutter betreut. Er spricht mit dem Vermieter über Miete und Heizungsprobleme aber vor allem hört Kob zu. „Dass einfach mal jemand fragt ,Wie geht es Ihnen?’ und sich Zeit für die Antwort nimmt, das macht schon sehr viel aus.“ Da ist es auch egal, dass sich Kob und die Eltern manchmal nur mit Händen und Füßen verständigen. „Das gibt uns eigentlich nur mehr Grund, miteinander auch zu lachen.“

 Oliver Rosenbaum rettete einen Menschen.

Oliver Rosenbaum rettete einen Menschen.

Foto: Anne Orthen (ort)

Eine Rettung wie im Film

Oliver Rosenbaum wollte am 7. Juni vergangenen Jahres seine 20 Jahre alte Tochter zum Bahnhof bringen, als er den dichten, schwarzen Qualm über einem Haus an der Rheydter Straße in Neuss bemerkte. „Ich hab den Rückwärtsgang eingelegt und gesehen, dass die Dachgeschosswohnung in Flammen steht, an einer Dachgaube stand ein Mann“, sagt Rosenbaum. Er befahl seiner Tochter, im Auto zu bleiben, lief zum Haus und rief einem Mann auf der anderen Straßenseite zu: „Komm rüber, hilf mir!“

Die Männer eilten die Treppe zur brennenden Wohnung hoch, doch der Mann am Fenster reagierte nicht auf ihr Klingeln. Auf dem Weg nach oben hatten sie noch die anderen Bewohner gewarnt. „Wir haben oben versucht, die Tür einzutreten – keine Chance“, sagt Rosenbaum. Der Rauch zog durch das ganze Treppenhaus, sein Mithelfer habe aufgeben wollen, sagt der 53-Jährige. „Ich hab zu ihm gesagt: Nix da, los, wir versuchen es noch einmal zusammen.“ Wie im Film sei die Tür dann bei dem Doppeltritt aus dem Rahmen geflogen.

In der Wohnung versuchten die Männer sich zu orientieren und den Mann am Fenster zu finden. „Wir konnten wegen des Qualms kaum etwas sehen“, sagt Rosenbaum. Er musste eine abgeschlossene Glastür einschlagen, um dann den Bewohner davon zu überzeugen, mit ihm zu kommen. Wie sich später herausstellte, hatte der absichtlich eine Luftmatratze angezündet, weil er nicht mehr leben wollte. Er lief schließlich mit den Männern nach unten. Rosenbaum rettete dort noch eine Bewohnerin im Rollstuhl.

Im November wurde Rosenbaum mit der Rettungsmedaille des Landes NRW ausgezeichnet. „Ich hätte mich dafür nie selbst beworben. Der Mann, der mir geholfen hat, hätte die Auszeichnung genauso verdient“, sagt er. Leider sei der an dem Tag verschwunden, ohne seinen Namen bei der Feuerwehr zu hinterlassen.

Rosenbaum würde immer wieder so handeln. Vor allem, weil er zwei Monate nach dem Feuer einen Anruf von einer Frau bekam, die im Auftrag des lebensmüden, 33-jährigen Mannes anrief. „Sie sollte mir seinen Dank dafür ausrichten, dass ich sein Leben gerettet habe.“ Das, sagt Rosenbaum, habe ihn so sehr gefreut, dass er Tränen in den Augen hatte.

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