„Care for Integration“ NRW bildet Flüchtlinge in der Altenpflege aus

Düsseldorf · Die deutsche Bevölkerung wird älter, es fehlt an Pflegekräften. Um diesem Problem entgegenzuwirken, vermittelt das Projekt „Care for Integration“ Geflüchteten Pfleger-Ausbildungen.

 Kamal Murad Siedo (l.) und Daniel Ghanem Juuma machen eine Ausbildung als Altenpflegehelfer. Die Handgriffe üben sie an speziellen Puppen.

Kamal Murad Siedo (l.) und Daniel Ghanem Juuma machen eine Ausbildung als Altenpflegehelfer. Die Handgriffe üben sie an speziellen Puppen.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Wenn Daniel Ghanem Juuma (25) und Kamal Murad Siedo (21) durch die Tür kommen, ist die Freude im Seniorenheim groß. Behutsam helfen sie den Bewohnern beim Aufstehen, waschen sie, verteilen Essen oder messen den Blutdruck. „Die Leute freuen sich, wenn wir Deutsch mit ihnen sprechen“, sagt Ghanem Juuma. „Das macht sie froh, und ist lustig, weil wir manche Wörter nicht verstehen.“ 2015 flohen die beiden aus dem Irak, seit dem vergangenen Jahr machen sie in Düsseldorf eine Ausbildung zum Altenpflegehelfer.

Die beiden jungen Männer nehmen am Projekt „Care for Integration“ teil, das seit Dezember 2016 an sieben Standorten in NRW läuft. Die Akademie für Pflegeberufe und Management sowie der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste ermöglichen mit Unterstützung des Gesundheitsministeriums und der Bundesagentur für Arbeit Geflüchteten eine zweieinhalbjährige Berufsausbildung. Eine Vergütung wird dafür nicht gezahlt, die Auszubildenden erhalten aber weiter Geld vom Jobcenter. Das Projekt wird vom Europäischen Sozialfonds (ESF) in Höhe von 550.000 Euro sowie über Bildungsgutscheine der Bundesagentur für Arbeit gefördert. Auch die Jobcenter beteiligen sich.

103 Flüchtlinge machen heute in Düsseldorf, Münster, Duisburg, Lippstadt/Soest, Heinsberg, Köln und Bielefeld ihre Ausbildung – 27 hatten zuvor im Laufe der Zeit abgebrochen. „Rund 60 Prozent sind Männer“, sagt Hannah Kleines, Projektleiterin von „Care for Integration“. „Das gefällt vielen Pflegeheimbetreibern, weil die Frauenquote sehr hoch ist.“ In Düsseldorf werden 17 junge Menschen ausgebildet und machen – sofern nicht vorhanden – den Hauptschulabschluss. „Wir sind wie eine Familie“, sagt Daniel Ghanem Juuma. „Wir schreiben uns viel bei WhatsApp – und helfen einander, wenn jemand Fragen zum Lernstoff hat.“

Bevor die anderthalbjährige Berufsausbildung beginnt, werden die Teilnehmer bis zu zwölf Monate durch Sprachkurse und Informationen über das Berufsleben in Deutschland vorbereitet. Sie kommen unter anderem aus Syrien, Afghanistan und Eritrea – und kennen eine völlig andere Kultur. „Im Irak ist die Familie für die Alten verantwortlich, deshalb mussten wir uns erstmal daran gewöhnen, dass es Pflegeheime gibt“, sagt Kamal Murad Siedo. „Meine Familie freut sich aber, dass ich die Ausbildung mache.“ Daniel Ghanem Juuma gefällt das europäische Modell: „Ich bin dagegen, dass die Familie die Großeltern pflegen muss. So verbringt man viel Zeit mit ihnen – selbst, wenn man das nicht möchte.“

Ob Blutzucker messen oder ein offenes Ohr für Sorgen haben: Die angehenden Pflegehelfer packen in allen Bereichen mit an. „Ich mag ältere Menschen sehr“, sagt Murad Siedo. „Im Irak haben meine Mutter und ich meine Großmutter gepflegt.“ Ghanem Juuma arbeitete in seiner Heimat als Fotograf und nach seiner Ankunft in Deutschland am Fließband: „Das war langweilig. Ohne Ausbildung geht in Deutschland nichts. Außerdem möchte ich in meinem Leben nicht nur einen Job ausüben, sondern viele Erfahrung sammeln und anderen Menschen helfen.“

Im August gehen die beiden wieder in die Praxisphase und absolvieren ein zweimonatiges Pflegepraktikum in Heimen in Düsseldorf und Umgebung. Im Dezember 2015 kamen die beiden Iraker nach Deutschland, heute lebt Daniel Ghanem Juuma in Krefeld, Kamal Murad Siedo in Ratingen. Insgesamt umfasst die Ausbildung zwei stationäre sowie zwei ambulante Praktika. In den Theorieblöcken steht medizinischer Hintergrund auf dem Lehrplan, praktische Anwendungen werden als Vorbereitung an speziellen Puppen geübt. Und die deutsche Sprache bleibt eine der wichtigsten Fähigkeiten: Die Teilnehmer sind inzwischen bereits bei einem Sprachniveau zwischen B1 und B2 angelangt. Erst im Herbst haben die beiden mit einem Niveau von A2/B1 begonnen.

Das Projekt „Care for Integration“ verbindet zwei zentrale Fragen in der heutigen Gesellschaft: Wie werden Flüchtlinge in die Gesellschaft integriert? Und: Wie wird der Fachkräftemangel in der Pflegebranche bekämpft? „Aufgrund des bestehenden Fachkräftebedarfes in der Pflege wollen wir interessierte und motivierte geflüchtete Menschen für die Altenpflege gewinnen und qualifizieren“, sagt NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. Menschen mit Migrationshintergrund werden bereits seit vielen Jahrzehnten in das deutsche Pflegesystem integriert. „Deshalb wollen wir diese Erfahrungen nutzen, um den geflüchteten Menschen eine Chance zu geben, einen auf Jahre sicheren Beruf zu erlernen“, sagt er. „Berufliche Integration ist ein wichtiger Schlüssel zur gesellschaftlichen Integration.“ Nach Angaben des NRW-Gesundheitsministeriums findet das Projekt viel Beachtung, andere Bundesländer haben demnach bereits angefragt.

Im April 2019 beenden die beiden Iraker ihre Ausbildung und können eine dreijährige Fachausbildung anschließen. Bei guten Leistungen kann diese auf zwei Jahre verkürzt werden. „Vor allem in den Praxisblöcken machen sie große Sprünge“, sagt Hannah Kleines. Viele Teilnehmer hätten sogar schon Job-Angebote erhalten. Daniel Ghanem Juuma hat große Pläne für seine Zukunft: „Ich würde gerne als Stationsleiter arbeiten.“

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels lautete die Überschrift „NRW bildet Flüchtlinge als Altenpfleger aus“. Jedoch werden Flüchtlinge lediglich als Altenpflegehelfer ausgebildet. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten um Entschuldigung.

(mba)
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