Raubtiere am Niederrhein Kein Abschuss - Gutachten entlastet Wölfin „Gloria“

Niederrhein · Nur in genau vier Fällen soll die Niederrheinwölfin tatsächlich geeigneten Herdenschutz überwunden haben. Das reicht nicht für ein „Todesurteil“, urteilen die Fachleute des Bundes. Umweltministerin Heinen-Esser hat daraufhin mit Landräten und Bürgermeistern beraten.

 Ein Wolf im Gehege (Symbolbild).

Ein Wolf im Gehege (Symbolbild).

Foto: dpa/Boris Roessler

Das Gutachten zu Niederrhein-Wölfin „Gloria“ ist da. Ergebnis: Sie darf weiterleben. Die Wölfin mit der offiziellen Kennung GW954f und ihr Rudel verhalten sich nicht so, dass eine Tötung gerechtfertigt wäre. Zu diesem Schluss kommt die Untersuchung, die das Landesumweltministerium über die Raubtiere im Wolfsgebiet in Auftrag gegeben hat.

Die Wölfe in der Region ernährten sich weitgehend von Wild, heißt es in der gutachterlichen Stellungnahme, aus der das Land zitiert. „Sie töten Nutztiere, wenn sie die Gelegenheit dazu haben, aber sie brauchen Nutztiere nicht als Nahrungsgrundlage.“ Wenn „Gloria“ Weidetiere angreife, dann – bis auf wenige Einzelfälle – solche, „bei denen sie gar keine oder nur geringe Schutzmaßnahmen überwinden muss“.

Mit Blick auf die Zukunft heißt es in dem Papier: „Sollte die Wölfin GW954f damit beginnen, in zeitlich-räumlich engen Abständen Nutztiere hinter empfohlenen Schutzmaßnahmen zu töten, so dass man von einem verfestigten Verhalten ausgehen kann und nicht von seltenen Ausnahmen beziehungsweise sporadischen Vorfällen, die zwischen vielen Übergriffen auf wenig geschützte Nutztiere erfolgen, ist es für uns allerdings fachlich nachvollziehbar, sich dafür zu entscheiden, eine Entnahme des Tieres zu veranlassen.“

Derzeit ist das also nach Ansicht der Fachleute nicht der Fall. Die „einzig tragfähige Strategie“, um für ein langfristiges Miteinander von Wolf und Nutztieren zu sorgen, sei „eine massive Ausweitung geeigneter Schutzmaßnahmen“.

Gestützt wird das Ganze durch die Ergebnisse des Wolfsmonitorings des Landesumweltamtes. Darin sind für das vergangene Jahr 20 Nutztierrisse im Wolfsgebiet Schermbeck aufgeführt und jeweils 18 für die Jahre 2019 und 2018. Wenn Gentests diese Risse einem individuellen Tier zuordnen konnten, so war es immer „Gloria“.

Ein „wolfsabweisender Grundschutz“, der korrekt nach der Empfehlung des Bundes installiert war, soll dabei in nur insgesamt vier Fällen überwunden worden sein: zwei Mal in 2019 und zwei Mal in 2020. Nur in diesen Fällen müsse man tatsächlich davon ausgehen, dass Vorkehrungen, die man eigentlich für wirksam halte, nicht geholfen hätten, erläutert die Behörde.

In anderen Fällen hätte es zwar ebenfalls Zäune, Stromdrähte und ähnliches gegeben, aber eben nicht in der vom Bund beschriebenen Gestaltung. Herdenschutzmaßnahmen nach den Förderrichtlinien des Landes Nordrhein-Westfalen wurden laut Landesumweltamt insgesamt 15 Mal überwunden. Das Land lege aber niedrigere Ansprüche an – es gehe dabei um Entschädigungszahlungen an die Halter der gerissenen Tiere. Für die Bewertung, ob die Wölfe „auffällig“ seien oder nicht, zählten nur die Vorgaben des Bundes.

Landesumweltministerin Ursula Heinen-Esser hat sich über mit Landräten und Bürgermeistern aus dem Wolfsgebiet über diese Ergebnisse ausgetauscht. Dabei sei es auch um das Stimmungsbild in der Region gegangen, heißt es. „Wir werden ganz grundsätzlich lernen müssen, mit dem Wolf zu leben, denn Wölfe werden sich auch in Nordrhein-Westfalen dauerhaft etablieren“, teilte die Ministerin danach mit. „Wie bereits in anderen Bundesländern wird auch bei uns in Nordrhein-Westfalen nur ein ausreichender Herdenschutz unsere Weidetierhaltung dauerhaft sichern.“

Der Präsident des Landesumweltamtes, Thomas Delschen, plädierte für einen „sachlichen Austausch auf der Grundlage von Daten und Fakten“: „Unseren Beitrag leisten wir dabei mit einem funktionierenden Wolfsmonitoring, das wir nach den bundesweit einheitlichen und verbindlichen Standards durchführen.“

Landrat Ingo Brohl wird mit dem Satz zitiert: „Unser gemeinsames Ziel ist die Rechtssicherheit jeder Entscheidung, unabhängig davon, wie sie ausfällt.“ Man werde die Wölfe in Schermbeck im Auge behalten.

Das Gutachten war lange erwartet worden, von Kritikern allerdings bereits im Vorfeld mit Misstrauen. Gegner der Wiederansiedlung des Wolfs am Niederrhein, darunter auch Lokalpolitiker, zweifelten in Verlautbarungen an der Neutralität.

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