"Section control" Neue Radartechnik gegen Raser

Düsseldorf · NRW-Innenminister Ralf Jäger unterstützt einen Testlauf des Strecken-Radars "section control". Ein Pilotversuch dieser Technik ist für Mitte 2015 bereits in Niedersachsen geplant. Doch beim Datenschutz wirft das Projekt Fragen auf.

"Section control": Neue Radartechnik gegen Raser
Foto: RP

Die Straßen in NRW sollen sicherer werden. Das findet auch Innenminister Ralf Jäger (SPD): "Viel zu viele Autofahrer ignorieren immer noch die Geschwindigkeitsbeschränkungen, obwohl Rasen der Killer Nummer eins im Straßenverkehr ist."

Morgen will Jäger deshalb auf der Innenministerkonferenz in Köln einen Vorstoß zur Erprobung des Strecken-Radars ("section control") zur Geschwindigkeitsmessung unterstützen. In Niedersachsen startet Mitte nächsten Jahres ein Pilotversuch mit diesem Modell. Innenminister Jäger will den Testlauf "mit großem Interesse" beobachten.

"Section control" bedeutet übersetzt Abschnittskontrolle. Im Gegensatz zu herkömmlichen Blitzern werden bei dieser Technik keine Momentaufnahmen festgehalten. Stattdessen sind auf einer vorher festgelegten Strecke jeweils am Anfang und Ende Blitzer installiert. Ein Fahrzeug wird bei der Ein- und Ausfahrt des Streckenabschnitts gescannt. Mittels Computer wird die Fahrtzeit von A nach B und damit die Durchschnittsgeschwindigkeit berechnet. Ist der Fahrer oberhalb der erlaubten Geschwindigkeit, löst der zweite Blitzer am Ende des Streckenabschnittes aus. Ziel dieser Methode ist es, für gleichmäßige Geschwindigkeiten in dem überwachten Bereich zu sorgen. Ein kurzes Abbremsen vor dem Blitzer reicht dann nicht mehr.

In Österreich und den Niederlanden ist die Technik schon seit Jahren etabliert. Deutschland wagt nun ebenfalls einen Vorstoß. "Das Modell ist allerdings noch mit vielen Fragezeichen behaftet. Wie geht man mit in den Messbereich einfahrenden Fahrzeugen um? Gibt es Parkplätze auf der Strecke, auf denen die Fahrer gar die Plätze tauschen könnten? Und natürlich die große Frage nach dem Datenschutz", sagt der stellvertretenden Leiter Verkehrsrecht beim ADAC, Henning Kärger.

Denn im Fall der "section control" wird jedes Fahrzeug zu Beginn digital erfasst - nach dem Prinzip des Anfangsverdachts. Bei der Einfahrt in den bewachten Streckenabschnitt wird das Heck-Kennzeichen gescannt. Dies geschieht mittels Infrarot, wodurch die Insassen nicht zu erkennen sein sollen. Verlässt das Fahrzeug den Abschnitt, wird erneut das Kennzeichen gescannt. "Wenn dann kein Tempoverstoß vorliegt, müssen die Fahrzeugdaten sofort und rückstandslos gelöscht werden", sagt Jäger. Ein Zugriff auf die Daten dürfe nur bei einem Verstoß erfolgen. Die Hersteller versichern zwar immer wieder, die Datenschutz-Richtlinien einzuhalten, doch sieht man gerade in Deutschland die Erhebung persönlicher Daten aufgrund eines (zunächst unbegründeten) Verdachts skeptisch.

In Niedersachsen startet Mitte nächsten Jahres ein Pilotversuch mit dem Modell "section control", das in Österreich bereits verwendet wird. Innenminister Jäger will den Testlauf "mit großem Interesse" beobachten.

In Niedersachsen startet Mitte nächsten Jahres ein Pilotversuch mit dem Modell "section control", das in Österreich bereits verwendet wird. Innenminister Jäger will den Testlauf "mit großem Interesse" beobachten.

Foto: dpa

Zuständig für die Eichung der Messsysteme ist die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) mit Sitz in Braunschweig. Das bevorzugte System für das Pilotprojekt in Niedersachsen stammt vom niederländischen Hersteller Gatso. Doch obwohl das System in den Niederlanden seit Jahren eingesetzt wird, muss es zunächst von der PTB national geeicht werden, bevor es hierzulande in Betrieb gehen kann. "Bei einem geringen Abstand von beispielsweise 300 Metern sind andere messtechnische Aspekte zu berücksichtigen als bei einer Streckenlänge von drei Kilometern. Ich rechne damit, dass die Tests ein halbes Jahr dauern werden", sagt Frank Märtens, Leiter der Arbeitsgruppe Geschwindigkeitsmessgeräte bei der PTB.

Zudem muss sich zeigen, ob die neue Technik überhaupt Vorteile gegenüber den herkömmlichen Systemen hat. Laut Verkehrsrecht ist es egal, wie lange ein Fahrzeug zu schnell gefahren ist - jede Tempoüberschreitung ist grundsätzlich unzulässig. "Section control" würde allerdings solche kurzen Schwankungen nicht registrieren, womit die Strafe ausbliebe.

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Foto: Martin van der Pütten

Ausschlaggebend für die Testläufe des Strecken-Radars ist die Zahl der Verkehrstoten. Im vergangenen Jahr starben auf nordrhein-westfälischen Straßen 479 Menschen. Fast jeder dritte Verkehrstote ist Opfer von zu hoher Geschwindigkeit.

(RP)
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