Remscheid Neue Heimplätze für mehr Flüchtlinge

Remscheid · Weil Remscheid mehr Asylbewerber zugewiesen werden, muss die Stadt neue Räume anmieten. Fast alle sind Armutsflüchtlinge vom Balkan, deren Anträge abgelehnt werden. Die Stadt trägt die Kosten.

Hausmeister Uwe Hein zeigt ein Zimmer im Asylantenheim am Talsperrenweg, das die Stadt für ein halbes Jahr angemietet hat.

Hausmeister Uwe Hein zeigt ein Zimmer im Asylantenheim am Talsperrenweg, das die Stadt für ein halbes Jahr angemietet hat.

Foto: Nico Hertgen

Martin Sternkopf sieht sich fast in der Rolle eines Wahrsagers, der in die Glaskugel schaut, um die Zukunft zu erkennen. Wie viele Flüchtlinge kommen in nächster Zeit nach Remscheid? Die Antwort ist offen, "Prognosen schier unmöglich", sagt der Leiter des Fachdienstes für Migration und Integration.

Tendenziell weist das Bundesamt für Flüchtlinge (BAMF) der Stadt Remscheid derzeit mehr Asylbewerber zu, weil mehr Menschen vom Balkan in Deutschland Zuflucht suchen. Das verursacht höhere Kosten, auf denen die Stadt sitzen bleibt. "Nur zehn bis 15 Prozent bekommen die Kommunen erstattet", berichtet Sternkopf. Die Quote lag in den 1990er Jahre deutlich höher. Mit rund 500 Euro pro Monat und Kopf rechne er.

Der Trend des Zustroms setzte ein, als 2010 die Visumpflicht für serbische und mazedonische Staatsangehörige eingeführt wurde. Seit einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zufolge Asylbewerber mehr Leistungen erhalten, strömen noch mehr Antragsteller aus den Balkanstaaten. Es sind Armutsflüchtlinge, überwiegend Roma.

"Schlepper predigen das Glück in Deutschland und locken mit dem Versprechen, dass man hier Geld bekommt, mit dem die Flüchtlinge deren Dienste bezahlen können", sagt Sternkopf. Ein Bleiberecht erhalten die wenigsten. 2011 waren es zwei Menschen aus Syrien, vier aus dem Iran. Sie fallen unter das SGB II, können ans Jobcenter verwiesen werden.

Um Menschen, darunter viele Familien, unterzubringen hat die Stadt wieder eine Etage im ehemaligen Übergangsheim Talsperrenweg für ein halbes Jahr angemietet. Die Räume sind möbliert, Mitarbeiter des Betreuungsvereins BAF stehen für eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung bereit. Die Ersten sollen nächste Woche einziehen. Die anderen drei Heime sind längst belegt. Eine Vorlage über die aktuelle Lage und Asylbewerberzahlen wurde jetzt dem Integrationsausschuss vorgelegt — auf der letzten Seite fügte Sternkopf das Bild einer Wahrsagerin mit Kugel ein.

In diesem Jahr wurden Remscheid 129 Asylbewerber zugewiesen. "Wir haben die Pflicht, sie unterzubringen und zu versorgen. Einfluss auf das Asylbewerberverfahren haben wir nicht", antwortete Sternkopf auf eine Anfrage der Wählergemeinschaft in Remscheid (W.i.R.). Sie hatte angeregt, die Verfahren von Wirtschaftsflüchtlingen schnell abzuwickeln. Doch erst wenn das BAMF die Ausreise verfügt, ist die Kommune zuständig.

Nicht alle gehen freiwillig und sofort, sagt Sternkopf. Ins Heimatland abgeschoben werden können die Menschen nur, wenn sie reisefähig sind und gültige Papiere haben. "Es kommen viele hierhin, die krank oder traumatisiert sind", berichtet Sternkopf. Deren Behandlung zahlt die Stadt.

Andere schalten einen Rechtsanwalt ein, um sich ein Bleiberecht vor Gericht zu erstreiten. "Solche Verfahren ziehen sich hin." Bei der Abschiebung müsse die Stadt auch mal nachhelfen und die Menschen zum Flughafen begleiten.

(RP/rl)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort