Mobbing und Fremdenfeindlichkeit Nazi-Skandal erschüttert Polizei in Aachen
Aachen · Eine 23-jährige Polizeianwärterin ist wohl über Wochen in einem Kursus für Kommissaranwärter von ihren Kollegen gemobbt worden. Unter anderem wurde ihr ein Hakenkreuz in einen Stift geritzt. Polizei und Staatsschutz ermitteln. Innenminister Ralf Jäger kritisierte den Fall von Rassismus scharf.
Das Polizeipräsidium Aachen hat einen angehenden Polizisten wegen ausländerfeindlicher Parolen und Hakenkreuzschmierereien vom Dienst suspendiert. Dem 19-Jährigen wird vorgeworfen, in einem Kursus für Kommissaranwärter gegen eine teilnehmende Kollegin (23) mit Migrationshintergrund gehetzt zu haben.
Über "WhatsApp", den kostenlosen Kurznachrichtendienst für Smartphones, soll die Frau mit fremdenfeindlichen Parolen beleidigt worden sein. Zudem soll der Beschuldigte mindestens ein Hakenkreuz in einen Textmarker der jungen Kollegin geritzt haben. Außerdem entdeckten Ermittler, dass auch in anderen sozialen Medien Fotos und Texte mit menschenverachtenden, fremdenfeindlichen und rechtsextremistischen Inhalten gepostet wurden.
Die Chat-Gruppe bestand wohl aus fast allen 32 Teilnehmern des Kurses und war eigentlich dafür gedacht, sich über Klausurthemen auszutauschen. Deshalb ermitteln Polizei und Staatsschutz noch gegen weitere Personen. "Es ist nicht auszuschließen, dass noch mehr suspendiert werden", sagte ein Insider. "Sie werden derzeit alle noch vernommen."
Polizei hat keinen Platz für Menschenverachtung
Innenminister Ralf Jäger machte am Donnerstag deutlich, dass für "eine menschenverachtende Einstellung kein Platz in der NRW-Polizei ist". Es sei deshalb richtig, dass der Aachener Polizeipräsident einen Anwärter sofort suspendiert und das Entlassungsverfahren eingeleitet habe. Er werde mit Hochdruck aufklären, ob weitere Polizeianwärter zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Außerdem zeigte sich Jäger beeindruckt von der betroffenen Polizeianwärterin. "Ich habe gestern intensiv mit der jungen Polizeibeamtin aus Aachen über den von ihr erlebten Rassismus gesprochen. Sie hat ihre positive Einstellung zur Polizei und zu ihren Kolleginnen und Kollegen behalten. Das beeindruckt mich sehr", berichtete Jäger. "Die Polizei braucht junge motivierte Menschen mit Migrationshintergrund wie sie."
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) unterstützt das konsequente Vorgehen des Polizeipräsidenten. "Wir dulden keine rechtsradikalen oder fremdenfeindlichen Einstellungen in der Polizei. Wer damit sympathisiert, hat im Polizeidienst nichts zu suchen", sagte deren Vorsitzender Arnold Plickert. So schlimm der Vorfall auch sei, so dürfe jedoch nicht übersehen werden, dass es ein junger Polizist war, der die Vorgesetzten über die fremdenfeindlichen Äußerungen informiert habe. "Das zeigt, dass Polizisten konsequent gegen jede Form von fremdenfeindlichen und rassistischen Äußerungen in den eigenen Reihen vorgehen", sagte Plickert. "Das ist vorbildlich und genau das, was ich von einem Polizeibeamten erwarte", betonte auch der Aachener Polizeipräsident Weinspach.
Hauptkommissar Rainer Peltz, Vorsitzender des Hauptpersonalrates der Polizei in NRW, ist seit 37 Jahren Beamter. Wie überall gebe es auch bei der Polizei "schwarze Schafe", räumt er ein. "Aber diese Dimension wie jetzt in Aachen habe ich in meiner ganzen Dienstzeit noch nicht erlebt", sagte er am Mittwoch unserer Redaktion.
Teilnehmer meldete Vorfall
Aufgeflogen war der Vorfall durch einen Teilnehmer, der die Diskriminierungen seinem Vorgesetzten meldete. Der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach leitete sofort nach Bekanntwerden des Vorfalls ein Ermittlungsverfahren gegen die Beteiligten ein. Die Ermittler sicherten Material, das auf 10.000 Blatt Papier dokumentiert ist. In dem Chatforum soll die 23-Jährige unter anderem als "Ausländerschlampe" beschimpft worden sein. Darüber hinaus entdeckten die Ermittler eine Grafik mit einem Fußball, der mit Hakenkreuzen beschmiert war. Darunter stand sinngemäß: "So werden wir Weltmeister." Auch beleidigende Fotomontagen, die dunkelhäutige Menschen zeigen, schickten sich die Polizeianwärter gegenseitig auf ihre Handys. "Zudem wurden Sachen entdeckt, die so abscheulich sind, dass man sie kaum in Worte fassen kann", sagte ein Polizist, der mit den Ermittlungen vertraut ist.
Die Polizeianwärter begannen im September 2013 ihr Studium an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung. Die Teilnehmer des betroffenen Kurses kommen aus den Polizeipräsidien Aachen, Bonn und Köln. Reinhard Mokros ist Präsident der Fachhochschule. Er verurteilt die Beleidigungen aufs Schärfste: "Bei uns ist kein Platz für Studierende, die sich so ihren Kommilitonen gegenüber verhalten." Er appelliert an seine Studenten, solche Vorfälle immer zu melden. Dafür gebe es Vertrauenspersonen an der Schule.