Prozess in Münster Mord-Ermittlungen gegen „Colonia Dignidad“-Bewohner eingestellt

Münster · War ein in Gronau lebender Deutscher während der Militärdiktatur in Chile an Morden beteiligt? Damals lebte er in der berüchtigten Sektensedlung Colonia Dignidad. Doch das mache ihn noch nicht zum Täter, befand die Justiz nun.

 Der Eingangsbereich der "Colonia Dignidad" in Chile (Archivfoto).

Der Eingangsbereich der "Colonia Dignidad" in Chile (Archivfoto).

Foto: dpa/Handout

Gegen einen in Gronau lebenden ehemaligen Bewohner der berüchtigten Sektensiedlung „Colonia Dignidad“ in Chile wird nicht mehr wegen Beihilfe zum Mord ermittelt. Die Ermittlungen seien eingestellt worden, teilte die Staatsanwaltschaft Münster am Dienstag mit. Dem Deutschen war vorgeworfen worden, 1976 an der Ermordung von chilenischen Oppositionellen während der Herrschaft von Diktator Augusto Pinochet mitgewirkt zu haben.

Der Betroffene hatte dies als Verleumdung und Rufmord zurückgewiesen. Er sei selbst Opfer des berüchtigten Sektenführers Paul Schäfer geworden und habe seiner Führungsriege nicht angehört.

Zwar habe er auf Befehl Schäfers einen Gefangenen in einem Keller bewacht und versorgt. Von Erschießungen habe er aber nichts mitbekommen. Er habe auch nicht, wie behauptet, die Gräber für die Leichen der Ermordeten ausgehoben. Ebenso wenig sei er an der nachträglichen Exhumierung und Verbrennung von 40 bis 50 Leichen beteiligt gewesen.

Die Staatsanwaltschaft in Münster hatte dem 72-Jährigen nichts Gegenteiliges beweisen können. Abgesehen von der Beihilfe zum Mord wären alle anderen denkbaren Straftaten seit 1976 ohnehin verjährt. Gegen den Mann war seit August 2016 in Münster ermittelt worden.

Es sei nicht mehr zu klären gewesen, wann und wo die Oppositionellen ermordet wurden, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Die Sektensiedlung sei aber streng hierarchisch geführt worden. Untergebenen wie dem heute 72-Jährigen sei regelmäßig nur das Nötigste mitgeteilt worden.

Der Mann hatte 2009 eingeräumt, von Kontakten der Führungsriege der Sekte zum chilenischen Geheimdienst gewusst zu haben. Was besprochen wurde, habe er aber nicht mitbekommen.

Die chilenischen Behörden hatten berichtet, keine sterblichen Überreste von vermissten Personen gefunden zu haben. Sämtliche Spuren eventueller Exekutionen seien im Nachhinein vernichtet worden.

Im vergangenen Jahr hatte die Justiz bereits eine von chilenischen Gerichten verhängte Gefängnisstrafe gegen Hartmut Hopp, einst Arzt der berüchtigten Sekte „Colonia Dignidad“ in Chile, verworfen. Er war in Chile wegen Beihilfe zum Kindesmissbrauch verurteilt worden. Das im Urteil der chilenischen Justiz dargestellte Verhalten Hopps sei nach deutschem Recht nicht strafbar, hatte das Düsseldorfer Oberlandesgericht entschieden.

Die von deutschen Auswanderern gegründete Siedlung „Colonia Dignidad“, später in Villa Baviera umbenannt, liegt rund 350 Kilometer südlich von Santiago de Chile. Eine deutsche Sekte war Anfang der 1960er Jahre aus Siegburg bei Bonn dorthin ausgewandert. Gründer Paul Schäfer war in Chile zu 20 Jahren Haft verurteilt worden und 2010 gestorben.

(mba/dpa)
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