"Mitfahrbänke" auf dem Land So kommen Senioren per Anhalter ins nächste Dorf

Bitburg · In vielen ländlichen Regionen ist die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr unzureichend. Auf Mitfahrbänken können nun vor allem Senioren auf private Mitfahrgelegenheiten warten. In NRW ruft die Idee jedoch Bedenken hervor.

Mitfahrbänke: So kommen Senioren per Anhalter ins nächste Dorf
Foto: dpa, reh jol

Der nächste Supermarkt ist kilometerweit entfernt, ein eigenes Auto nicht vorhanden und der Bus fährt nur zweimal täglich durchs Dorf - wenn überhaupt. In vielen ländlichen Regionen sind gerade ältere Bürger in ihrer Mobilität massiv eingeschränkt. Einkäufe oder Arztbesuche sind oft nur mit dem Taxi oder durch Hilfe von Nachbarn möglich. Abhilfe könnten nun sogenannte Mitfahrbänke bringen. In gleich mehreren kleinen Orten in Nordrhein-Westfalen haben Kommunen oder Verbände speziell markierte Sitzbänke am Straßenrand aufgestellt, auf denen Bürger auf eine private Mitfahrgelegenheit warten können. Mit Klappschildern können die Wartenden anzeigen, wo es hingehen soll - eine neue Art des Trampens sozusagen, doch statt Paris, Berlin oder München ist das Ziel meist das Einkaufszentrum, der Bahnhof oder der Nachbarort.

Im ostwestfälischen Örtchen St. Vit wurden bereits im November zwei Mitfahrbänke aufgestellt. Der Busverkehr ins benachbarte Wiedenbrück hatte nicht mehr funktioniert, aufgrund einer Bürgerinitiative wurde die private Mitfahrgelegenheit organisiert. Wer vergeblich auf eine Mitnahme wartet, kann sich in einigen umliegenden Geschäften eine Fahrt mit einem Anruf-Sammel-Taxi organisieren. In Lügde im Kreis Lippe hat die Idee den Ratsherrn Hubert Klenner auf den Plan gerufen. "Lügde ist eine Flächengemeinde, die weiteste Entfernung zwischen den Ortsteilen beträgt 20 Kilometer und der Nahverkehr ist ausgedünnt." Auf das Konzept gestoßen sei der Rat bei der Suche nach Wegen, die Ortsteile besser miteinander zu verbinden.

Mitfahrbänke erstmals in Bitburg getestet

Die Idee zu den Mitfahrbänken entstand per Zufall, erzählt Ursula Berrens vom Caritasverband Westeifel im rheinland-pfälzischen Bitburg. Dort gab es bundesweit die ersten Mitfahrbänke. Im Nachbarort Speicher war Berrens mit einem Projekt zur Verbesserung der Situation alter Menschen beschäftigt und wollte mit einer Kollegin Standorte für neue Bänke erkunden. "In dieser Situation kam mir die Idee, die Bänke auch für Mitfahrgelegenheiten zu nutzen." Im August 2014 startete das Projekt. "Das Charmante an der Mitfahrbank ist, dass die Bank an sich niemals eine Fehlinvestition sein kann", erklärt Berrens.

Mittlerweile tauchen an immer mehr Orten in Deutschland Mitfahrbänke auf, beispielsweise in Kleinnaundorf in der Sächsischen Schweiz. Dort war eine Buslinie weggefallen, auf der Suche nach einer neuen Verkehrsmöglichkeit entdeckte der Ortschaftsrat die Idee aus Bitburg. Im niedersächsischen Asel im Kreis Hildesheim wurde eine bestehende Bank zur Mitfahrbank umfunktioniert. Bisher wird das Angebot der privaten Mitfahrgelegenheit dort jedoch kaum genutzt. "Das läuft sehr schlecht an", erzählt Ortsbürgermeisterin Ellen Krone.

Wer sorgt für den Schutz?

So praktisch die Idee des Supermarktbesuches per Anhalter ist, so groß sind auch die Bedenken, die das Projekt hervor ruft. Problematisch sei zum Beispiel der Schutz der Anhalter, erklärt Hans Burggraf, Landesvorsitzender des Seniorenverbandes BRH Nordrhein-Westfalen. "Es stellt sich die Frage, wer die Bank beobachtet." Auch gebe es die Möglichkeit, dass die Bank missbraucht werde, beispielsweise als Schlafplatz für Obdachlose. Zudem sei unklar, wer das Risiko trage, wenn beispielsweise jemand von der Bank falle. Generell hält er weitere Mitfahrbänke in Nordrhein-Westfalen für eine gute Idee. "Im Grunde ist das eine begeisternde Idee, ein Test ist denkbar. Ich glaube aber, dass ein solches Vorhaben eine bürokratische Lawine auslöst."

In vielen kleineren Orten im Land nehmen vor allem ältere Bürger bisher einen sogenannten Bürgerbus in Anspruch, um vergleichsweise kurze Strecken zurückzulegen. Mitfahrbänken als Alternative steht Franz Heckens, Vorsitzender des Vereins "Pro Bürgerbus NRW", skeptisch gegenüber. "Man sollte genau überlegen, was man da tut", erklärt Heckens. "Solange nichts passiert, ist alles gut. Bei einem Unfall oder ähnlichem aber wissen die Geschädigten nicht, an wen sie sich wenden können." Die Frage sei, welches Rechtsverhältnis Fahrer und Anhalter eingingen. "Das muss meiner Meinung nach geklärt sein." Die Erfahrung mit den Bürgerbussen zeige, dass auch nach Jahren immer wieder Situationen auftreten können, in denen die Rechtslage unklar ist. Als Konkurrenz zum Bürgerbus sieht Heckens die Mitfahrbänke nicht: "Der Bürgerbus kann nicht überall helfen. An vielen Stellen könnten die Bänke eine sinnvolle Idee sein."

(RP)
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