Studie über Missbrauch in der Kirche Darum werden die meisten Täter straffrei ausgehen

Düsseldorf · 3677 Minderjährige sollen laut einer Studie zwischen 1946 und 2014 von 1670 Angehörigen der katholischen Kirche missbraucht worden sein. Doch die meisten Täter müssen wohl keine strafrechtlichen Konsequenzen fürchten.

 Dunkle Wolken über einer Kirche (Symbolbild).

Dunkle Wolken über einer Kirche (Symbolbild).

Foto: dpa/Friso Gentsch

Es gibt Tausende Opfer, doch kaum Täter - zumindest keine, die als solche rechtmäßig verurteilt werden. Dies ist das traurige Fazit, das nach der Veröffentlichung einer bundesweiten Studie zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche bleibt.

Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen wird die Staatsanwaltschaft meist erst tätig, wenn ihr konkret Anzeigen von Opfern vorliegen, erklärt Katja Schlenkermann-Pitts von der Staatsanwaltschaft Aachen. „Grundsätzlich ist es unsere Pflicht zu ermitteln, wenn uns ein strafrechtlicher Sachverhalt bekannt wird. Das nennt sich Legalitätsprinzip“, sagt sie. In diesem Fall sei das allerdings schwierig, und zwar aus Gründen des Opferschutzes. Es gehe um Personen, die Jahre wenn nicht jahrzehntelang geschwiegen hätten. „Wenn ein Verfahren eine zu große Belastung für das Opfer darstellt, dann stellen wir den Strafanspruch nicht über das psychische Leid des Opfers.“ Weder in diesem noch in den vergangenen zwei Jahren habe es Verfahren gegeben. Weitere Ermittlungen würden derzeit geprüft. Fraglich sei auch, ob aus den Unterlagen, die die Studie untersucht hat, ersichtlich werde, wer die Opfer sind, das heißt, ob sie namentlich genannt würden.

Zum anderen sind viele Fälle längst verjährt. Die strafrechtliche Verjährungsfrist für sexuellen Kindesmissbrauch liegt bei zehn, in besonders schwere Fälle bei 20 Jahren ab Volljährigkeit des Opfers. Der Missbrauch von minderjährigen Schutzbefohlenen verjährt nach nur fünf Jahren. Der Münsteraner Generalvikar Norbert Köster forderte ein Ende der Verjährungsfristen bei sexuellem Missbrauch: „Das wäre aus meiner Sicht ein zentrales Signal an die Opfer, und Tätern wäre klar, dass sie mit ihren Verbrechen nicht davon kommen werden.“

Auch wenn es nachträglich wohl kaum zu weiteren strafrechtlichen Ermittlungen kommen wird, kamen einige Täter in der Vergangenheit nicht straflos davon. Für das Ruhrbistum sammelten die Forscher Informationen zu 85 Opfern, einige der 19 beschuldigten Kleriker wurden strafrechtlich verurteilt. Wie viele wird nicht ersichtlich. Im Bistum Aachen wurden 55 Kleriker des sexuellen Missbrauchs beschuldigt. Die Studie verzeichnet mindestens 86 Opfer. Es wurden 26 Strafanzeigen erstattet, aber nur in 22 Fällen wurde die Tat in der Personalakte vermerkt.

In vielen weiteren Fällen gab es keine ernsthaften Konsequenzen: Im Erzbistum Köln gab es mindestens 135 Opfer durch 87 katholische Kleriker. Von den Beschuldigten lebten 54 bei Eingang der Meldung noch, in 21 Fällen gab es Maßnahmen oder Sanktionen. Im Bistum Münster identifizierte die Studie 450 Opfer. Bei 138 Klerikern habe es Hinweise auf Beschuldigungen des sexuellen Missbrauchs gegeben. Das Bistum spricht von 41 weiteren Priestern, bei denen es ernstzunehmende Hinweise auf Missbrauchstaten gibt, die aber juristisch nicht verurteilt wurden - zum Teil, weil sie schon tot sind.

Ein Forscherkonsortium aus Mannheim, Heidelberg und Gießen hatte die Studie im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz angefertigt. Die Forscher fanden bei der Durchsicht von Akten der Jahre 1946 bis 2014 Hinweise auf Beschuldigungen von 1670 Klerikern. Es wurden 3677 Opfer gezählt.

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