Missbrauch auf Campingplatz in Lügde Landkreis räumt Fehler ein - Jugendamt-Mitarbeiter entlassen

Hameln · Jahrelang soll ein Dauercamper aus Lügde Kinder aus der Umgebung sexuell missbraucht und dabei gefilmt haben. Nichtsahnend setzte das Jugendamt Hameln ausgerechnet diesen Mann als Pflegevater eines kleinen Mädchens ein. Bei der engmaschigen Betreuung gab es Versäumnisse.

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Campingplatz in Lügde Tatort in Fällen von Kindesmissbrauch

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Foto: dpa/Guido Kirchner

Nach dem massenhaften sexuellen Kindesmissbrauch auf einem Campingplatz im nordrhein-westfälischen Lügde im Kreis Lippe hat der Landkreis Hameln-Pyrmont Fehler eingeräumt. „Es ist falsch, nachträglich einen Vermerk in die Akte einzufügen“, sagte Landrat Tjark Bartels (SPD) am Dienstag in Hameln. Der betreffende Jugendamts-Mitarbeiter sei freigestellt worden. Er habe nach Bekanntwerden der Missbrauchsvorwürfe im Dezember die Akte „besser lesbar machen wollen“ und daher seine Darstellung auf den 20. Juni 2018 rückdatiert. Konkret ging es um die Zusammenfassung eines Kontaktbesuchs mit einem neuen Träger der Familienhilfe auf dem Campingplatz.

Das Jugendamt Hameln hatte den Hauptverdächtigen in dem Ende 2018 bekanntgewordenen Missbrauchsfall Anfang 2017 auf Wunsch der im Kreis Hameln lebenden Mutter als Pflegevater für ein kleines Mädchen eingesetzt. Weil es pädagogische Defizite gab, sei der Mann wöchentlich von einem Träger der Familienhilfe besucht worden, sagte Bartels. Allerdings habe es im Frühjahr 2018 wegen eines Trägerwechsels eine achtwöchige Lücke gegeben. „Ich glaube, dass wir es besser hätten begleiten sollen. Ich glaube aber nicht, dass wir diesen sexuellen Missbrauch erkannt hätten“, sagte Bartels.

Hinweise an die Polizei aus dem Jahr 2016, dass der 56-Jährige sich übergriffig dem Mädchen gegenüber geäußert habe, sind dem Landrat zufolge nach aktuellem Erkenntnisstand nicht an das Jugendamt Hameln weitergeleitet worden. Das Mädchen hatte sich laut der Behörde trotz der widrigen Wohnverhältnisse in Lügde anscheinend gut entwickelt und war dort auch eingeschult worden. Es habe auch in Gesprächen unter vier Augen nicht den Wunsch geäußert, woanders untergebracht zu werden.

Neben dem Campingplatz-Bewohner aus Lügde sitzen zwei weitere Männer wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und der Verbreitung von Kinderpornografie in Untersuchungshaft. Es handelt sich dabei um einen 33-Jährigen aus Steinheim in Nordrhein-Westfalen und einen 48-Jährigen aus Stade in Niedersachsen. Bislang sind 31 minderjährige Opfer identifiziert. Es geht um mehr als 1000 Einzeltaten. Ermittelt wird nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur zudem gegen zwei weitere Beschuldigte wegen Beihilfe und gegen eine Person wegen Strafvereitelung. Darüber hinaus wird nach Angaben des nordrhein-westfälischen Innenministeriums das Verhalten der Polizei sowie der beteiligten Jugendämter untersucht.

Der Jugendamts-Mitarbeiter habe ihn am Freitag über den auf den 20. Juni zurückdatierten nachträglichen Aktenvermerk informiert, sagte Bartels. Am 19. Juni hatte es ein Gespräch bei dem Pflegevater in Lügde mit dem neuen Familienhilfe-Träger gegeben. Der vorige Betreuer habe zwei Monate zuvor aufgegeben, weil sich der 56-Jährige wenig kooperativ gezeigt habe, sagte der Hamelner Landrat. Bei der Begleitung des Pflegevaters sei es aber immer um die widrigen Wohnverhältnisse und die Erziehungskompetenz des Mannes gegangen - einen Missbrauchsverdacht habe es nicht gegeben.

Der Landkreis Hameln informierte noch am Freitag die Staatsanwaltschaft Bielefeld über den nachträglich eingefügten Vermerk. Möglicherweise sei dies aber auch gar kein Fall für die Staatsanwaltschaft, sagte Bartels. Die Behörde will die Abläufe bei der Betreuung der etwa 180 Pflegeeltern im Landkreis auf den Prüfstand stellen und ein Programm zur Vorbeugung von sexuellem Missbrauch in Kindergärten und Schulen einführen.

Für die Dokumentation, die im Fall Lügde offensichtlich teilweise vernachlässigt wurde, sei ein besserer Personalschlüssel im Jugendamt notwendig, sagte der Landrat: „Ich appelliere an das Land Niedersachsen, ob nicht generell die finanzielle Ausstattung dort anders werden muss.“

(mba/dpa)
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