Mann sitzt in Untersuchungshaft Neunter Verdächtiger im Missbrauchsfall in Rheinland-Pfalz festgenommen

Düsseldorf · Das Ausmaß von Kindesmissbrauch rückt erst langsam ins Bewusstsein der Gesellschaft. In der Vergangenheit sind die Taten von Polizei und Justiz mitunter zu lax behandelt worden. Der NRW-Justizminister räumt Fehler ein. Unterdessen gab es eine weitere Festnahme.

 Ein Mann sitzt vor einem Computer (Symbolbild).

Ein Mann sitzt vor einem Computer (Symbolbild).

Foto: Bretz Andreas/Bretz, Andreas (abr)

Der Mann sei in Untersuchungshaft gekommen, sagte ein Sprecher des NRW-Justizministeriums am Mittwoch. Weitere Details nannte er nicht. Damit sitzen derzeit insgesamt neun Männer in U-Haft, dem Sprecher zufolge sieben in NRW, einer in Hessen und einer in Rheinland-Pfalz.

In dem aufgedeckten Netzwerk sollen Männer Kinder sexuell missbraucht und Fotos und Videos davon in Chat-Gruppen mit bis zu 1800 Mitgliedern verbreitet haben. Die Ermittler gehen von weiteren Tätern und Opfern aus. Die Dimension der Ermittlungen sei gigantisch, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul am Mittwoch. Er sprach von einem „riesigen pädo-kriminellen Kinderporno-Netzwerk“.

Anders als bei dem jahrelangen Kindesmissbrauch auf einem Campingplatz in Lügde, hätten die Ermittlungen rund um Bergisch Gladbach „viele Täter aus allen Ecken Deutschlands“ zutage gefördert.

Mehr als 250 Polizeikräfte arbeiteten derzeit unter Hochdruck daran, 30 Terabyte auszuwerten, die bislang auf 2400 Datenträgern sichergestellt worden seien. „Das sind 7,5 Millionen Schreibmaschinenseiten, die 600.000 Aktenschränke füllen würden“, erklärte der Minister.

Beim Ermittlungskomplex Bergisch Gladbach sei bislang ein Mann aus der Kreisstadt wegen des Verdachts des schweren sexuellen Kindesmissbrauchs in Untersuchungshaft genommen worden, bilanzierte NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU). 17 weitere seiner Kontaktpersonen seien identifiziert worden. Insgesamt seien in NRW sieben Personen in Untersuchungshaft. Fünf weitere Fälle seien an zuständige Behörden außerhalb Nordrhein-Westfalens übergeben worden.

Beide Minister kündigten an, die Polizei- und Justizbehörden bei ihren in Kürze anstehenden Führungskräfte-Treffen verstärkt für die Thematik und die Notwendigkeit beschleunigter Ermittlungen zu sensibilisieren. SPD und Grüne wollen in den nächsten Sitzungen der Innen-, Justiz- und Kinderausschüsse des Landtags ab Mittwoch nächster Woche weitere Informationen.

Kinderminister Joachim Stamp (FDP) hatte am Dienstag gemahnt, auch Anstifter zum Kindesmissbrauch dürften nicht auf Bewährung davonkommen. „Es darf niemals im Raum stehen, dass man an dieser Stelle auch nur einen Versuch frei hat.“

Versäumnisse der Justiz haben dazu geführt, dass ein pädokrimineller Vater über Monate weiter die Gelegenheit hatte, Kinder zu missbrauchen und zum Missbrauch anzubieten. In einer Fragestunde des nordrhein-westfälischen Landtags zum Stand der Ermittlungen wegen sexuellen Kindesmissbrauchs musste Justizminister Peter Biesenbach am Mittwoch deswegen „zwei handwerkliche Fehler“ der Staatsanwaltschaft Kleve einräumen. Er bedaure dies sehr, sagte Biesenbach. Die Versäumnisse habe die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf jetzt bei einer Überprüfung „unmissverständlich“ festgestellt.

Der Hintergrund: Ein 26 Jahre alter Zeitsoldat der Bundeswehr war bereits im vergangenen Juni ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten, weil er seinen fünfjährigen Stiefsohn und seine leibliche dreijährige Tochter in Abwesenheit der Ehefrau sexuell missbraucht habe, wie Biesenbach berichtete.

Der Missbrauch war herausgekommen, nachdem der Stiefsohn sich seiner Mutter anvertraut hatte. Noch am selben Abend hatte sich der Täter nach Angaben der Staatsanwaltschaft Kleve selbst angezeigt, fünf Missbrauchsfälle an beiden Kindern zugegeben und sich „reumütig und therapiebereit“ gezeigt.

Das Jugendamt habe damals ein Kontaktverbot des Mannes zu den Kindern verhängt und die Ehefrau habe sich verpflichtet, dies zu gewährleisten. Daher habe die Staatsanwaltschaft keine weiteren Straftaten erwartet und auch keine Fluchtgefahr gesehen. In der Folge habe sie auch keinen Antrag auf einen Untersuchungshaftbefehl gestellt, berichtete Biesenbach.

Der Generalstaatsanwalt in Düsseldorf habe das Vorgehen nun in einer aktuellen Überprüfung beanstandet. Demnach wären ein Durchsuchungsbeschluss und eine beschleunigte Zeugenvernehmung der Kinder nötig gewesen. Letztere sei bis heute nicht erfolgt. Auch ein DNA-Abgleich hätte demnach früher erfolgen müssen.

Im Zuge der Ermittlungen wegen Kindesmissbrauchs eines großen Kinderpornografie-Chat-Rings, der in Bergisch Gladbach aufgeflogen ist, aber weit darüber hinaus reicht, war der 26-Jährige wieder ins Visier der Fahnder geraten. Mit einem Tatverdächtigen aus Bergisch Gladbach habe der Weseler kinderpornografische Aufnahmen getauscht „und außerdem über ein Treffen zum Zwecke des gemeinsamen sexuellen Missbrauchs seiner dreijährigen Nichte gesprochen“, wie Biesenbach ausführte. Daraufhin sei der 26-Jährige dann am 25. Oktober festgenommen werden.

Dass vorher kein Haftbefehl beantragt worden sei, habe der Generalstaatsanwalt allerdings nicht beanstandet, betonte Biesenbach. Auch der Leitende Oberstaatsanwalt, der das Vorgehen der untergebenen Behörde in Kleve zuvor geprüft hatte, habe dafür die rechtlichen Voraussetzungen nicht gesehen. Der Generalstaatsanwalt habe hingegen festgestellt, dass das Verfahren in Kleve bis zu den Hinweisen aus Bergisch Gladbach „wenig stringent geführt worden“ sei.

Ob der Weseler in der Zwischenzeit weitere Straftaten begangen habe, stehe noch nicht fest, sagte Biesenbach. Innenminister Herbert Reul (CDU) ergänzte, Berichte über angeblich noch frühere einschlägige Vergehen des Mannes könne er „weder bestätigen noch dementieren“.

(mba/dpa)
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