Solingen Minister: Solingen bleibt Salafisten-Hochburg

Solingen · Behörden registrieren verstärkte Ausreise in den Nahen Osten. Angst vor weiterer Radikalisierung in Syrien und höhere Gefahr bei Rückkehr der Salafisten. Stadt ist aber noch nicht bei Landes-Programm dabei.

Ein Jahr steht die Millatu-Ibrahim-Moschee an der Konrad-Adenauer-Straße inzwischen leer. Im alten Gebetsraum der Salafisten ist zwar noch die Kanzel zu sehen, von der aus Hassprediger bis Juni 2012 Reden hielten. Aber seit die Polizei die Moschee bei einer Razzia schloss, steht sie den Radikalen nicht mehr zur Verfügung.

Trotzdem ist Solingen nach wie vor eine Hochburg der Salafisten. Das geht aus dem Jahresbericht des NRW-Verfassungsschutzes hervor, den Innenminister Ralf Jäger (SPD) gestern vorstellte. Demnach erhöhte sich die Zahl der Islamisten 2012 landesweit stark. Und auch in der Klingenstadt ist die Szene weiter aktiv.

Sicherheitsexperten schätzen, dass die Größe der hiesigen Gruppe augenblicklich im unteren zweistelligen Bereich liegt. Solingen ist weiter eine Hochburg. Dabei registrieren die Behörden seit einiger Zeit wieder eine verstärkte Reisetätigkeit der Salafisten aus Solingen in den Nahen Osten. "Wir stellen eine Abwanderungstendenz fest", hieß es gestern bei Polizei und Innenministerium.

Grund, für Entwarnung besteht gleichwohl nicht. Im Gegenteil: Sicherheitskreise fürchten, dass sich Salafisten, die zum Beispiel ins Bürgerkriegsland Syrien ziehen, noch zusätzlich radikalisieren. Nach ihrer Rückkehr ginge von solchen Männern eine besondere Gefahr aus — zumal sie, so die Erfahrung, in der Szene als Bürgerkriegskämpfer große Achtung genössen.

Vor allem Jugendliche sind für die Ideen der Radikalen anfällig. Um junge Menschen vor einem Abrutschen in salafistische Kreise zu bewahren, will die Landesregierung nun das Präventionsprogramm "Wegweiser" starten. Zunächst in Düsseldorf, Bonn und Bochum sollen mit Schulen, Sozialämtern und Moscheevereinen Anlaufstellen geschaffen werden, an die sich beispielsweise Familienangehörige und Freunde von gefährdeten Jugendlichen wenden können.

In der ersten Runde des Programms ist Solingen nicht dabei. Ein Sprecher des Innenministeriums betonte aber, dass "Wegweiser" in Zukunft auch auf andere Städte ausgeweitet werde. "Wir behalten dabei Solingen im Auge", sagte der Sprecher.

Zwar gibt es momentan keine Erkenntnisse darüber, dass Solinger Salafisten unter jungen Leuten verstärkt Propaganda betreiben. Dennoch steht die Szene weiter unter genauer Beobachtung verschiedener Sicherheitsbehörden. Sowohl der polizeiliche Staatsschutz als auch die Beamten des NRW-Verfassungsschutzes haben ein Auge auf die Solinger Salafisten. "Dabei stehen wir in einem ständigen Austausch", betonte gestern ein Sprecher der Polizei.

Diese Vorsicht kommt nicht von ungefähr. Die Szene in der Klingenstadt gilt als besonders gewaltbereit. So stellten die Solinger Salafisten bei der Straßenschlacht vom Maifeiertag 2012 vor dem Rathaus die größte Gruppe.

Darüber hinaus registrierten die Sicherheitsbehörden bereits kurz nach der Schließung der Millatu-Ibrahim-Moschee eine erste Ausreisewelle von Salafisten in den Nahen Osten. Etliche Solinger gingen nach Ägypten. Von dort aus versuchten dann einige von ihnen, weiter nach Syrien zu reisen.

Unter diesen Salafisten befand sich auch der wegen Terrorunterstützung verurteilte Österreicher Mohammed M., der eine zeitlang in Solingen lebte. M. wurde im März bei dem Versuch, nach Syrien zu gelangen, in der Türkei festgenommen. Seitdem sitzt der Österreicher in der Türkei in Haft.

Dennoch wurde Anfang Juni im Internet eine neue Videobotschaft des Hasspredigers verbreitet. Erst im März hatte es im Zusammenhang mit salafististischer Propaganda auch in Solingen Hausdurchsuchungen gegeben. Damals war zur Unterstützung radikaler Kräfte in Syrien aufgerufen worden.

(RP/ac)
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