Auffällig in der Beißstatistik Trend zum Miniatur-Bullterrier - Gefährlich oder Schmusehund?

Rheine · Immer mehr Hundehalter legen sich einen Miniatur-Bullterrier zu. Experten sehen dies kritisch, weil die Tiere nicht als gefährlich gelistet sind, aber trotzdem in der Beißstatistik auffallen. Züchter warnen vor unseriösen Händlern.

 In der Düsseldorfer Hundeschule von Carsten Wagner werden auch Miniatur-Bullterrier erzogen. Wagner hat selbst einen Mini-Bully, den fünfjährigen Rocko.

In der Düsseldorfer Hundeschule von Carsten Wagner werden auch Miniatur-Bullterrier erzogen. Wagner hat selbst einen Mini-Bully, den fünfjährigen Rocko.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Der Pudel hatte keine Chance. Sein Angreifer biss ihn zu Tode, mit einer solchen Kraft, dass selbst die Halterin die Tiere nicht trennen konnte. Der Aggressor bei diesem Vorfall im vergangenen Jahr in Aachen: ein Mini-Bullterrier. Ähnliches trug sich in Köln zu, auch hier verbiss sich ein Mini-Bullterrier in einen anderen Hund, einen Chihuahua, der die Attacke nicht überlebte. Für Christoph Jung keine Überraschung. „Diese Tiere werden oft gezielt auf Aggressivität gezüchtet oder kommen häufig von dubiosen Händlern“, sagt der Biologe. „Ich bin zwar kein Befürworter von Rasselisten, aber diese Hunde gehören da drauf.“ Sind sie aber nicht: Sogenannte Miniatur-Bullterrier, also die kleinere Version eines Standard Bullterriers, der in NRW auf der Liste der gefährlichen Hunde steht und damit nur unter strengen Auflagen gehalten werden darf, fallen nicht unter die Landeshundeverordnung.

Auch das ist möglicherweise ein Grund für ihre wachsende Beliebtheit. Mini-Bullys, wie die Rasse auch salopp bezeichnet wird, liegen im Trend. Laut Umweltministerium NRW ist ein deutlicher Anstieg der gehaltenen Tiere zu verzeichnen: von 725 im Jahr 2016 auf 784 in 2017. Die Zahlen für das vergangene Jahr liegen noch nicht vor.

Hunderassen: Diese Hunde bissen 2017 am häufigsten zu
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Diese Hunderassen bissen am häufigsten zu

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Foto: Shutterstock/anetapics

Auch sogenannte Pocket-Bullys, Exotic-Bullys oder American Bullys, kleinwüchsige Kreuzungen aus American Staffordshire Terrier und American Pit Bull Terrier, sind gefragt. Sie gelten aber laut NRW-Umweltministerium als gefährliche Hunde, deren Haltung nur mit behördlicher Erlaubnis möglich ist. Die vom Ministerium jährlich erhobene Beißstatistik kommt zu dem Ergebnis, dass diese Kreuzungen nicht ungefährlich sind. „Von den insgesamt 29 Beißattacken in der Kategorie ,Verletzungen bei anderem Tier‘ waren unter anderem zwei dem Bullterrier und neun den Kreuzungen aus diesen Rassen zuzurechnen. Bezogen auf die verhältnismäßig geringe Population dieser Rasse ist die Anzahl der Beißvorfälle immer noch überproportional hoch“, heißt es in dem Bericht.

Vor allem mit diesen Kreuzungen hadert Hundeexperte Jung. „Zwei Drittel der Tiere stammt aus unseriösen Zuchten, immer mehr Welpen werden im Internet von jungen Menschen gekauft“, sagt er. Ausschlaggebend dabei sei das aggressive Image dieser Pocket-Bullys, mit denen sich die Kunden aufgewertet fühlen würden. Jung: „Der Leidtragende dabei ist der Hund.“ Zum einen, weil viele dieser Züchter bewusst bestimmte körperliche Fehlmerkmale förderten – kurze Beine, überdimensionierte Brustkörbe –, zum anderen, weil sie die Erziehung der Tiere vernachlässigten. Deshalb bräuchte es eigentlich eine Züchter- anstelle einer Rasseliste, argumentiert Jung. „Es gibt leider keine verbindlichen Regeln für die Hundezucht“, sagt der Biologe. „Das müsste auf europäischer Ebene geregelt werden.“

Die schwarzen Schafe unter den Züchtern passen auch Andreas Wieting nicht. Wieting züchtet im westfälischen Rheine Miniatur Bullterrier und schaut sich seine Kunden genau an. „Die Hunde sind nicht für jedermann geeignet, weil sie einen eigenen Kopf haben, nicht so unterwürfig sind“, sagt er. Wenn es aus seiner Sicht nicht passt mit Hund und Herrchen, hat er auch schon Welpen nicht abgegeben. „Das ist unseriösen Züchtern natürlich egal“, sagt Wieting. Oft seien die Tiere dieser Händler nicht vernünftig sozialisiert. Die mögliche Folge: Die Käufer erhalten einen Problemhund, mit dem sie überfordert sind. Das kann sich in entsprechenden Attacken niederschlagen.

Auch bei den Mini-Bullys kommt die NRW-Beißstatistik zu dem Ergebnis, dass der Rasse weiterhin „besondere Beachtung“ geschenkt werden muss. So gab es 2017 zwei Beißvorfälle mit Menschen und zehn mit anderen Tieren. Interessant ist das Verhältnis zur Gesamtzahl der gehaltenen kleinen Hunde. Bei insgesamt 283.361 registrierten „Kleinen Hunden“ (davon 784 Mini-Bullys) wurden 425 Bußgelder verhängt, davon 34 gegen Halter von Miniatur-Bullterriern. Laut Züchter Wieting sind diese Hunde vom Wesen her aber alles andere als aggressiv. Das Problem sei, wie so oft, der Mensch.

Gehalten werden dürfen die Mini-Bullys, weil sie als eigenständige Rasse anerkannt sind. Entscheidend ist die Größe: Bis zu einer Widerristhöhe von 35,5 Zentimeter gelten die Hunde als Mini-Bullterrier, darüber als (haltungsbeschränkte) Standard Bullterrier. Phänotypisch gebe es keine Unterschiede, sagt das Umweltministerium – also sowohl, was Aussehen als auch Verhalten betrifft. Macht die geringe Größe sie also weniger gefährlich?

Auf jeden Fall, sagt Carsten Wagner. Der 44-Jährige betreibt eine Hundeschule in Düsseldorf („Mit Hunden leben“) und besitzt selbst Mini-Bullys. „Wenn die Tiere richtig erzogen sind, geht von ihnen keinerlei Gefahr aus“, sagt er. Als Jagdhunde hätten sie allerdings einen ausgeprägten Beutetrieb und seien sehr sensibel. Das verlange den Haltern viel Fingerspitzengefühl ab. Wie Wieting ist Wagner der Meinung, dass ein Mini-Bully daher nicht mit jedem Menschen kompatibel sei. Dazu habe er auch immer wieder mit Problemhunden zu tun – zumeist Tiere, bei denen als Welpe viel versaut worden sei, oft durch unsachgemäßes Verhalten von Züchtern.

Wagner plädiert dennoch dafür, seitens der Behörden unbefangener mit dem Miniatur-Bullterrier umzugehen und nicht streng nach der Widerristhöhe zu urteilen. „Wenn die in die richtigen Hände kommen, sind das fantastische Hunde“, sagt er. „Halter und Züchter müssen nur verantwortungsvoll mit ihnen umgehen.“

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