Ermittlungen gegen Kinder- und Jugendpsychiater Bonner Polizei durchsucht Behandlungsräume von Michael Winterhoff

Bonn · Polizei und Staatsanwaltschaft haben Jugendeinrichtungen durchsucht, in denen der Bonner Kinder- und Jugendpsychiater Michael Winterhoff tätig war. Sie stellten zahlreiche Patientenakten sicher.

 Bonner Staatsanwaltschaft und Polizei haben Jugendeinrichtungen durchsucht, in denen der Kinder- und Jugendpsychiater Michael Winterhoff tätig war. (Symbolbild)

Bonner Staatsanwaltschaft und Polizei haben Jugendeinrichtungen durchsucht, in denen der Kinder- und Jugendpsychiater Michael Winterhoff tätig war. (Symbolbild)

Foto: dpa, frg fpt

Bonner Staatsanwaltschaft und Polizei haben vergangenen Donnerstag mit rund 100 Beamtinnen und Beamten Jugendeinrichtungen durchsucht, in denen der Kinder- und Jugendpsychiater Michael Winterhoff tätig war. Gegen ihn wird wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung ermittelt. Winterhoff teilte über seinen Anwalt mit, dass er die Vorwürfe bestreite und davon ausgehe, dass seine Behandlungen rechtskonform gewesen seien.

Durchsucht wurden nach Angaben der Behörden insgesamt mehr als 15 Gebäude in NRW, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen. Darunter nach Informationen des Bonner Generalanzeigers auch die Privaträume und die ehemalige Praxis von Winterhoff in der Bonner Händelstraße. Ziel sei laut Staatsanwaltschaft gewesen, Patientenakten sicherzustellen: „Sämtliche von den Maßnahmen Betroffene waren kooperativ und übergaben auf Grundlage der jeweiligen Beschlüsse freiwillig die relevanten Unterlagen, die nun ausgewertet werden.“ Demnach seien „komplexe medizinische Fragestellungen zu klären“.

Seit September 2021 gibt es Ermittlungen gegen Winterhoff. In der WDR-Dokumentation „Warum Kinder keine Tyrannen sind“ vom 10. August wird Winterhoff vorgeworfen, dass er Kindern ohne medizinische Indikation Pipamperon verschrieben haben soll, ein starkes Beruhigungsmittel. Er soll Kindern systematisch und ohne tatsächliche Anamnese stets dieselbe, fachlich umstrittene Diagnose gestellt und ihnen Psychopharmaka verschrieben haben – teilweise ohne Einwilligung der Sorgeberechtigten. Daraufhin gingen mehrere Anzeigen bei der Bonner Staatsanwaltschaft ein, die daraufhin dem Tatvorwurf der gefährlichen Körperverletzung durch möglicherweise nicht sach- und fachgerechte Behandlung nachgeht.

Anfangsverdacht offenbar erhärtet

Der Anfangsverdacht dieser Anzeigen hat sich nun offenbar erhärtet. Die Durchsuchungen sind in diesem Fall besonders heikel, weil es um sehr persönliche Daten geht, die in den Patientenakten vermerkt sind. Unklar ist, ob die neuerlichen Ermittlungen auch weitere Verdachtsmomente gegen andere Beteiligte zutage bringen. Die Prüfung der ersten vorliegenden Beweismaterialien hat schon mehrere Monate gedauert, aufgrund der nun zusätzlich sichergestellten Akten dürfte die Auswertung noch komplexer werden.

Winterhoff ist unterdessen auf freiem Fuß und weist die Vorwürfe zurück. Seine Anwälte teilten mit, dass der WDR-Bericht seiner Ansicht nach Falschdarstellungen enthalte und er gegen die Berichterstattung vorgehen werde. Anwalt Carsten Brennecke, der Winterhoff presserechtlich vertritt, stellte dazu erneut klar: „Zu Gunsten von Herrn Dr. Winterhoff gilt unverändert die Unschuldsvermutung. Es hat sich auch nichts daran geändert, dass er die in Rede stehenden Vorwürfe bestreitet. Er geht davon aus, dass seine Behandlungen rechtskonform waren.“

Ein Rückblick auf die bisherigen Ereignisse

  • Mitte August - wenige Tage nach Bekanntwerden der Vorwürfe - trat Winterhoff aus Vorstand des Bonner Vereins „Kleiner Muck“ zurück. Er war im Rahmen einer ehrenamtlichen Tätigkeit Mitglied im Gesamtvorstand des Vereins - und gleichzeitig der behandelnde Arzt der meisten Kinder in den sechs stationären Einrichtungen des Vereins.
  • Winterhoff hatte nach Auskunft seines Anwalts im Rahmen seiner fachärztlichen Tätigkeit mit vielen Jugendämtern zu tun. Einige Jugendämter prüften nach Ausstrahlung der Dokumentation die Zusammenarbeit mit Winterhoff, Sankt Augustin setzte die Zusammenarbeit „bis auf Weiteres aus“, teilte Carolin Trost, Pressesprecherin der Stadt Sankt Augustin dem Bonner Generalanzeiger im August mit.
  • Ende September bestätigte die Bonner Staatsanwaltschaft dem General-Anzeiger, dass es ein Ermittlungsverfahren gegen „einen Bonner Kinderpsychiater“ gebe. Schon damals erfuhr der Bonner Generalanzeiger, dass es sich dabei um Michael Winterhoff handele, gegen den schwere Vorwürfe etwa wegen Körperverletzung und Abrechnungsbetrug erhoben würden. Die Zahl der Strafanzeigen gegen Winterhoff liegt inzwischen im zweistelligen Bereich.
  • Ende 2021 gab Michael Winterhoff bekannt, dass er seine Praxis in der Bonner Händelstraße zum 10. Dezember nach über 30 Jahren schließe. Der bekannte Kinderarzt und Autor Herbert Renz-Polster, einer der schärfsten Kritiker Winterhoffs seit Jahren, wies darauf hin, dass die Praxisschließung nicht bedeute, dass Winterhoff seine ärztliche Tätigkeit aufgebe: „Er kann weiterhin Patienten behandeln, wo immer er will, etwa in Einrichtungen. Denn: seine ärztliche Lizenz hat er ja weiterhin, der zuständigen Ärztekammer sei Dank.“
  • Für die Vergabe oder den Entzug der ärztlichen Lizenz - der Approbation - ist die Bezirksregierung Köln zuständig. Diese wolle die Ermittlungen der Staatsanwalt abwarten, erklärte Dirk Schneemann, stellvertretender Pressesprecher der Bezirksregierung Köln, am Freitag.

Dieser Artikel ist zuerst im Bonner Generalanzeiger erschienen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort