Kriminalität in NRW Metalldiebe werden immer dreister

Düsseldorf · Die Zahl der Metalldiebstähle hat rasant zugenommen. Die Polizei spricht von einer Seuche. Besonders betroffen sind Bahn und Friedhöfe, in Gladbach wurden jetzt reihenweise Türklinken abmontiert. Schutzmaßnahmen greifen kaum.

Fälle von dreistem Metalldiebstahl in NRW
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Fälle von dreistem Metalldiebstahl in NRW

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Foto: dpa (2), Aachen Tourismus

Dass ihr ein so schwergewichtiger Gegenstand direkt vor der Nase gestohlen werden könnte, hätte Elisabeth Dreyer nicht gedacht. Die 60-Jährige und ihr Mann mussten ihre Badewanne wegen eines Wasserschadens ausbauen und stellten das gute Stück in ihre Einfahrt, da in der Garage erst Platz dafür geschaffen werden musste. 30 Minuten später war es draußen fast dunkel - und die Metallwanne verschwunden. "Für mich ist das Diebstahl, schließlich war das kein Sperrmüll, und die Wanne stand auf unserem Grundstück", sagt Dreyer. Auch die Schnelligkeit, mit der die Unbekannten den schweren Gegenstand wegschafften, gibt ihr Rätsel auf.

Was für die Mönchengladbacherin eine böse Überraschung war, ist für die Polizei in NRW längst Alltag. Seit es draußen wieder früh dunkel wird, sind vermehrt Metalldiebe unterwegs. "Das ist seit einigen Jahren eine Seuche", sagt Willy Theveßen, Sprecher der Polizei Mönchengladbach. Dort gibt es derzeit eine Serie von kuriosen Metalldiebstählen: In mehr als 20 Fällen haben die Täter Haustürklinken aus Edelstahl und Edelmetall abmontiert und gestohlen. "Treppengeländer, das hatten wir schon, aber Türklinken sind neu", sagt Theveßen. Dass das sonderlich lukrativ sein kann, glaubt er nicht, "da macht es nicht mal die Menge".

Nachdem die Preise für Metalle in den vergangenen fünf Jahren stark gestiegen sind und damit kriminelle Banden auf den Plan gerufen haben, sinken sie seit einigen Monaten wieder. Für eine Tonne Stahl bekam man im Januar 2013 noch 290 Euro, im Oktober dieses Jahres waren es 137 Euro, sagt Cord Schulz, Sprecher der Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen in Düsseldorf. Für Aluminium und Blei sieht es ähnlich aus: Der Preis fiel von 1855 Euro pro Tonne im April auf 1535 Euro im Oktober - doch bei den Dieben scheint sich das noch nicht rumgesprochen zu haben.

Ob die Diebstähle zugenommen haben, um diesen Werteverlust zu kompensieren, ist unklar. In der polizeilichen Kriminalstatistik werden Metalldiebstähle nicht gesondert aufgeführt, daher fehlen konkrete Zahlen, heißt es beim Landeskriminalamt NRW. Doch die Fälle häufen sich definitiv, sagt Stephan Hegger, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei. "Wir haben es hier mit organisierter Kriminalität zu tun. Die Diebe müssen ihr Gut schnell absetzen. Bei einem Normalbürger, der eine einzelne Kupferrolle zu einem Händler bringt, würde man misstrauisch werden."

Auch vor massiven Bronze-Skulpturen machen die Diebe nicht halt: In Aachen hatten sie versucht, die Marktfrau am Lousberg niederzureißen und abzutransportieren. Dazu kam es aber nicht, die Figur wurde allerdings stark beschädigt. Seit einigen Tagen ist das Ensemble von Marktfrau und Teufel wieder repariert und vereint. Wie hoch der entstandene Schaden ist, kann die Stadt noch nicht beziffern.

Beliebtes Ziel der Metalldiebe sind im Oktober und November außerdem Friedhöfe. Denn rund um Allerheiligen und andere Gedenktage werden die Gräber von den Angehörigen mit Metalllampen dekoriert. In Essen sind Diebe innerhalb von sechs Wochen auf drei Friedhöfe eingedrungen und haben mehrere Hundert Gräber verwüstet. "Sie haben in einem Fall versucht, durch das Pfarrtor zu kommen, das aber mit einem bestimmten Schließsystem gesichert ist", erklärt Hans-Joachim Hüser, der zuständig ist für die städtischen Friedhöfe. "Danach haben sie eine Flügeltür aufgebrochen, sind mit ihrem Fahrzeug auf den Friedhof gefahren, haben die Bewegungsmelder außer Kraft gesetzt und etwa 100 Gräber geplündert." Drei Tage später das gleiche Spiel auf einem anderen Friedhof - 130 Gräber verwüstet und Metallgegenstände gestohlen.

Schützen könne man die die Friedhöfe kaum, sagt Hüser. Zwar gebe es im Bereich der Betriebshöfe Videokameras, doch dort, wo Besucher unterwegs sind, sei eine Kameraüberwachung verboten. Ein Wachschutz wäre für die Kommune mit 23 städtischen und 35 kirchlichen Friedhöfen zu teuer. "Allein die Städtischen haben eine Fläche von 246 Hektar mit 200 Kilometern Weg. Das kann man nicht überwachen." Auch nach Gelsenkirchen hat es kurz nach Allerheiligen Metalldiebe gelockt, dort wurden 131 Gräber verwüstet. In beiden Fällen - und auch im Fall der Türklinken in Mönchengladbach - fehlt von den Tätern jede Spur. In den wenigsten Fällen können sie gefasst werden, so die Polizei.

Besonders gefährlich ist der Metalldiebstahl in der Nähe von Bahngleisen. Vor einigen Tagen haben Unbekannte die Oberleitung der Bergischen Museumsbahnen in Wuppertal auf einer Länge von 450 Metern gekappt und Kupferkabel gestohlen. Der Stromabnehmer eines Triebwagens krachte aufgrund der fehlenden Oberleitung direkt neben einem Spaziergänger zu Boden und verfehlte den Mann um Haaresbreite. Man geht davon aus, dass der Diebstahl das Werk von Profis war und mehrere Täter beteiligt gewesen sind.

Und auch die Deutsche Bahn ist betroffen. Laut dem Unternehmen hatten 2014 rund 9000 Züge infolge von Metalldiebstahl 146.000 Minuten Verspätung. "Der überwiegende Teil der Diebstähle wird von professionellen Gruppen verübt. Sie bringen das erbeutete Metall schnell ins Ausland, um es dort zu verkaufen", so die Bahn. Seit 2011 kennzeichnet sie diese Kabel und Anlagen mit künstlicher DNA. Dazu wird eine unsichtbare Flüssigkeit mit dem DNA-Code auf das Material gesprüht. Unter einem Mikroskop wird ein DB-Logo erkennbar. Versuchen die Diebe, die Markierung zu entfernen, landet das DNA-Material auf Werkzeugen, Kleidung und Händen und hilft den Ermittlern.

Elisabeth Dreyer hat sich inzwischen damit abgefunden, dass die Badewanne weg ist - und kauft sich jetzt eine Dusche. "Die wird diesmal aber nicht in der Einfahrt zwischengelagert", sagt sie.

(RP)
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