Sondersitzung zur Messerattacke bei Hamburg Messerangreifer in NRW dreimal verurteilt — große Anteilnahme von Limbach
Düsseldorf · Nach der tödlichen Messerattacke durch einen staatenlosen Palästinenser ist der Rechtsausschuss des NRW-Landtages zu einer Sondersitzung zusammengekommen. Hätte der Angreifer schon in NRW gestoppt werden können?

Zwei Tote bei Messerattacke im Zug nahe Brokstedt
Der staatenlose Palästinenser Ibrahim A., der in einem Regionalzug bei Hamburg zwei Menschen mit einem Messer getötet und mehrere verletzt haben soll, ist zuvor nach Angaben des NRW-Justizministers dreimal in NRW verurteilt worden - für Diebstahl, Körperverletzung und einem Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz. Damit bestätigte er einen Bericht unserer Redaktion. Verurteilt worden sei er in allen Fällen vom Amtsgericht Euskirchen, sagte NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) in der Sondersitzung des Rechtsausschusses. Limbach sprach seine Anteilnahme aus und erklärte, tief betroffen zu sein von der Tat. Er wünschte den Verletzten eine gute und schnelle Genesung. Er kündigte an, weitere Details in einem nicht öffentlichen Teil der Sitzung zu besprechen.
Rechtsexperte Hartmut Ganzke (SPD) sagte am Dienstag: „Bei der Vielzahl an Ermittlungsverfahren und Verurteilungen stellt sich schon die Frage: Hat die Justiz diesen Straftäter genau im Blick gehabt? Der Justizminister hatte darauf leider keine befriedigende Antwort“, so Ganzke. „Bei ihm drängt sich immer mehr der Eindruck auf, dass er den drängenden Fragen in seinem Bereich aus dem Weg geht. Für das Sicherheitsempfinden der Menschen in NRW ist das nicht gut“, fügte er hinzu.
Erich Rettinghaus, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, ruft die Behörden zum Handeln auf. „In dem Fall standen alle Alarmsignale auf Rot. Eigentlich war er als tickende Zeitbombe unterwegs. Wir bräuchten eine bundesweite interdisziplinäre Arbeitsgruppe, die sich ohne Denkverbote Gedanken macht, wie man mit solchen Menschen, die eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen, umgeht. Die Bevölkerung muss geschützt werden“, sagte Rettinghaus. Er verwies auch auf bestehende Rechtsmittel, die nicht ausgeschöpft würden. „Es gibt schon viele rechtliche Möglichkeiten. Wer zum Beispiel über einen sicheren Drittstaat wie Österreich nach Deutschland einreist, kann dorthin zurückgeschickt werden. Das findet aber nicht statt. Das muss man anwenden. Das wäre ein Ansatz“, so Rettinghaus.
FDP-Rechtsexperte Werner Pfeil erklärte: „Werden Schutzsuchende aus Kriegsregionen trotz intensiver Betreuung vermehrt straffällig, dann muss der Staat dringend zielgenauer handeln. Wegschauen oder populistische Parolen lösen das Problem nicht“, sagte Pfeil unserer Redaktion. Zudem müsse ein deutlich stärkerer Schwerpunkt auf die Resozialisierung gelegt werden. „Jungen Männern aus Kriegsgebieten fehlt das familiäre Umfeld, und es kommen vermehrt psychische Probleme hinzu. Dadurch werden Straftatspiralen verstärkt. Diese müssen wir durchbrechen“, so Pfeil, der ein Resozialisierungsgesetz für bessere Unterstützung und psychologische Betreuung fordert. Aktuell gebe es in NRW lediglich eine Resozialisierungsrichtlinie aus dem Jahr 2012.
Bei dem Angriff in dem Regionalzug von Kiel nach Hamburg auf Höhe Brokstedt waren eine 17-Jährige und ein 19-Jähriger gestorben. Fünf weitere Menschen wurden verletzt. Drei befinden sich noch im Krankenhaus. Gegen den mutmaßlichen Täter, einen 33 Jahre alten staatenlosen Palästinenser, wurde am Donnerstag Haftbefehl erlassen. Ihm werde zweifacher heimtückischer Mord und vierfacher versuchter Totschlag vorgeworfen, sagte Oberstaatsanwalt Peter Müller-Rakow.