Abitur-Panne in NRW Peinlich, vermeidbar, folgenreich
Meinung | Düsseldorf · Das NRW-Schulministerium erhält für die kurzfristige Verschiebung der Abitur-Prüfungen Unverständnis und Häme. Dabei sind die technischen Probleme nicht einmal der Punkt. Das Ganze könnte ernste Folgen haben.
Für viele Abiturienten und Abiturientinnen war es wohl ein böses Erwachen. Zumindest für alle, die es nicht schon am Dienstagabend mitbekommen haben, auf den letzten Metern des Büffelns. Abiturprüfungen abgesagt, und das keine zwölf Stunden vorher. Wer sich auch nur vage an die eigene Schulzeit erinnert, weiß: Das ist der GAU. Trotzdem kann es vorkommen, Abiturprüfungen sind schließlich nicht vollautomatisiert. Sie werden immer noch von Menschen vorbereitet und abgenommen. Und das scheint das Problem – nicht die mutmaßlich überlasteten Downloadserver.
Überfordert wirken stattdessen die Beteiligten: Lehrkräfte, die vergeblich versuchten, die Aufgaben für die zentralen Abiturprüfungen in den Fächern Biologie, Chemie, Ernährungslehre, Informatik, Physik, Technik herunterzuladen. Ohne Alternative, ohne zumindest hörbar im Vorfeld einen Plan B angemahnt zu haben – falls die Technik einmal komplett streiken sollte. Auch Hackerangriffe könnten schließlich ein Szenario sein, auf das man grundsätzlich vorbereitet sein sollte.

Die Abiturnoten der Regierenden in NRW
Überfordert oder vielmehr ignorant wirkt daher auch das Schulministerium, das diese Gedanken in der Organisation offenbar außen vor gelassen hat. Nicht zuletzt die Frau an der Spitze, Schulministerin Dorothee Feller (CDU), muss sich scharfer Kritik stellen: zunächst keine Entschuldigung, persönliche Worte erst am Mittwochmittag, lediglich ein Rundschreiben am späten Abend zuvor, verschickt durch einen Staatssekretär. Einfühlungsvermögen in einer hochemotionalen Situation sieht anders aus.
Nach all den Jahren des Homeschoolings und den Fallstricken der schleppenden Digitalisierung sind Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrkräfte verständlicherweise enttäuscht, wenn nicht längst resigniert. Vermutlich hat die technische Störung an sich die Wenigsten überrascht. Dass es aber im Vorfeld weder einen Testlauf noch einen offiziellen Plan B gegeben hat, dafür werden sich Personen verantworten müssen.
Die Klausuren sind jetzt auf den womöglich nächstbesten Termin verlegt: den bislang prüfungsfreien Freitag. Auch dafür muss sich das Ministerium kritisieren lassen: Der Streik im Nahverkehr und das Zuckerfest als höchster muslimischer Feiertag fallen auf diesen Tag. Wer wegen des Zuckerfestes nicht teilnehmen könne, könne nachschreiben, schob Schulministerin Feller zwar später hinterher. Trotzdem gibt es individuelle Probleme: Vorstellungsgespräche, Eignungstests, private Verpflichtungen müssen verlegt werden. Bleibt die Frage, ob die Panne rechtliche Folgen haben wird. Das werden dann die Gerichte prüfen.