Verbot hat Sexarbeit ins Dunkelfeld verlagert Mehr illegale Prostitution in NRW während der Pandemie

Düsseldorf · Während der Pandemie haben viele Sexarbeiter und -arbeiterinnen ihre Dienstleistungen auf dem Straßenstrich oder in Wohnungen angeboten – und waren dadurch mehr Gefahren ausgesetzt. Neue Beratungsangebote des Landes sollen helfen, Prostituierte wieder aus der Illegalität zu holen.

 Während der Pandemie hat sich die Arbeit vieler Prostituierter ins Dunkelfeld verschoben.

Während der Pandemie hat sich die Arbeit vieler Prostituierter ins Dunkelfeld verschoben.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Berufsverbot, Hygieneauflagen und Lockdown: Während der Corona-Pandemie hat sich die Arbeit von Sexarbeiterinnen und -arbeitern in Nordrhein-Westfalen zunehmend ins Dunkelfeld verschoben. 2020 haben sich deutlich weniger Prostituierte beim Land angemeldet als noch 2019. Die Zahl der Anmeldungen sank von rund 9500 im Jahr 2019 um rund ein Drittel auf rund 6300 im vergangenen Jahr, wie das Gleichstellungsministerium am Mittwoch in Düsseldorf mitteilte.

Vor allem während des aus Infektionsschutzgründen verhängten Prostitutionsverbots im vergangenen Frühjahr hätten Prostituierte ihre Dienstleistungen zum Beispiel auf dem Straßenstrich, in Autos und in Wohnungen angeboten, sagte Gleichstellungsministerin Ina Scharrenbach (CDU). Damit habe sich deren Situation verschärft.

Etliche Prostituierte seien beispielsweise bei Freiern untergekommen und hätten sich mit Sexarbeit ihre Miete verdient. „Letztendlich waren die Frauen schutzlos“, sagte die Ministerin. Das pandemiebedingte Verbot verdeutliche, dass ein Sexkaufverbot die Arbeit von Prostituierten vom Hell- ins Dunkelfeld verschiebe. Damit würden Sexarbeiterinnen und -arbeiter letztendlich gefährdet, warnte Scharrenbach. Geschlossene Behörden und die Rückkehr von Sexarbeiterinnen in ihre Heimatländer hätten ebenfalls eine Rolle gespielt.

Im Bereich der nicht behördlich angemeldeten Prostitution seien Expertinnen und Experten schon vor der Pandemie von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen. Gründe dafür seien etwa Angst vor Stigmatisierung oder Misstrauen gegenüber Behörden. Vor allem Prostitution zwischen Männern finde überwiegend im Dunkelfeld statt.

Um die Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen aus der Illegalität zu holen, will das Land die Beratung verbessern. Dafür sind am Mittwoch ein neues Online-Portal und eine neue Landeskoordinierungsstelle für Menschen in der Sexarbeit und der Prostitution an den Start gegangen.

Auf dem Online-Portal „www.cara.nrw“ sollen Prostituierte anonym Informationen über Gesundheit, Finanzen, Wohnen, Recht und Arbeit finden. „Es ist sehr einfach aufgebaut“, sagte Scharrenbach. Ein Vorteil sei vor allem, dass die Homepage in neun Sprachen zur Verfügung stehe – neben Deutsch unter anderem auf Rumänisch, Bulgarisch und Türkisch. Die meisten angemeldeten Prostituierten kommen laut Ministerium aus Rumänien, Deutschland und Bulgarien.

Auch die neu geschaffene Landeskoordinierungsstelle sei über das Portal zu erreichen. Diese wird laut Scharrenbach als ein Modellprojekt bis Ende Juni 2024 mit 750.000 Euro gefördert. „Diese Landeskoordinierungsstelle übernimmt in erster Linie die persönliche Erstinformation und die Beratung für Prostituierte“, sagte die Ministerin. Sie solle eine Brücke zu bereits vorhandenen Hilfsangeboten schlagen.

Zuvor hatte der Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen, der rund 100 Mitglieder, überwiegend Bordellbetreiber, vertritt, die strengen Hygieneauflagen kritisiert. Laut aktueller Corona-Schutzverordnung in Nordrhein-Westfalen müssen Menschen, die nicht geimpft oder genesen sind, bei sexuellen Dienstleistungen in Kommunen und Kreisen mit einer Sieben-Tages-Inzidenz von 35 oder mehr einen maximal 48 Stunden alten negativen PCR-Test vorgelegen. „Jeder spontane Bordellbesuch ist damit ausgeschlossen, und das Amüsement verteuert sich deutlich“, sagte Stephanie Klee vom Bundesverband.

Prostituierte, die weder geimpft noch genesen sind, müssen einen negativen Antigen-Schnelltest nachweisen und während der Dienstleistung eine medizinische Maske tragen.

(bora/afp/dpa)
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