Solingen Männermangel in Solinger Lehrerzimmern

Solingen · Neun von zehn Grundschullehrern sind Frauen. In Gymnasien sinkt der Männeranteil am stärksten. Schulministerin Löhrmann will nun gegensteuern. Eine Männerquote in Lehrerzimmern lehnt sie aber ab.

Pfeiffer, setzen! Das Lehrerbild der "Feuerzangenbowle" des Heinz-Rühmann-Klassikers mit dem strengen Gymnasialdirektor Knauer ist längst passé. Gleichwohl kann Wolfgang Sinkwitz, Vorsitzender der Stadtschulpflegschaft, einer klaren Identifikationsfigur im Klassenzimmer immer noch viel abgewinnen. Denn vor allem in der Pubertät brauchen Schüler auch starke Männer, um sich an diesen einmal abzuarbeiten.

Doch das ist ein Problem. Die Ausgewogenheit zwischen Lehrerinnen und Lehrern gerät zunehmend in Schieflage. "Uns fehlen Männer als Lehrer", sagte jetzt Elternvertreter Sinkwitz. Sowohl Jungen als auch Mädchen bräuchten aber männliche Identifikationsfiguren. Seine Beobachtung: Eltern wünschen sich ebenfalls ein ausgewogenes Verhältnis der Geschlechter im Lehrerzimmer.

Die Realität sieht indes anders aus — gerade in Solingen. Nur 27 Prozent der Lehrerstellen waren im vergangenen Schuljahr von Männern besetzt. Damit liegt Solingen sogar noch unter dem Landesschnitt. In ganz NRW lag die Quote immerhin bei 29,7 Prozent.

Gleichzeitig sank der Männer-Anteil an Solinger Schulen in den zurückliegenden sieben Jahren um gut sieben Prozent. An Grundschulen machen Lehrer weniger als zehn Prozent aus. Und auch die Situation an Solinger Gymnasien ist trügerisch. Mit 40,8 Prozent sind männliche Pädagogen dort zwar noch am häufigsten vertreten. Allerdings sank ihr Anteil in dieser Schulform seit 2005/2006 mit über 13 Prozent am stärksten.

Eine Entwicklung, die auch der aus Solingen stammenden NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) Sorgen bereitet. Die Landesregierung unternehme deshalb inzwischen vermehrte Anstrengungen, den Lehrerberuf für Männer attraktiver zu machen, sagte gestern eine Sprecherin Löhrmanns auf Anfrage.

Zwar lehnt Rot-Grün in Düsseldorf die Einführung einer Männerquote in Lehrerzimmern ab. Und auch in Solingen wird eine solche Lösung bis auf weiteres kritisch gesehen. Die Zeit, darüber nachzudenken, sei noch nicht gekommen, sagte Markus Preuß (SPD) als Vorsitzender des Schulausschusses.

Trotzdem will das NRW-Schulministerium gegensteuern. "An den Grundschulen haben wir bereits die Leitungszeiten erhöht", sagte die Ministeriumssprecherin. Auf diese Weise kämen Schulleiter in den Genuss attraktiverer Arbeitszeiten. Und dieses Modell solle demnächst auf andere Schulformen ausgeweitet werden, so die Sprecherin.

Maßnahmen, die aus Sicht von Praktikern dringend erforderlich sind. Für Klaus Blasberg, Leiter des Gymnasiums Schwertstraße , entwickelt sich der Unterrichtsjob nämlich zunehmend zu einem Frauenberuf. Seien an der Innenstadtschule neue Stellen zu besetzen, lägen inzwischen dreimal so viele Bewerbungen von Frauen vor, sagte der Gymnasial-Direktor.

Überraschend komme dieses Ungleichgewicht allerdings nicht, so Blasberg. Denn an Schulen böten sich zwar viele Möglichkeiten, Job und Familie, etwa über Teilzeit, zu vereinbaren, so der Leiter des Gymnasiums Schwertstraße.

Zugleich macht der Pädagoge aber auch die Beobachtung, dass der Lehrerberuf gerade für qualifizierte Männer nicht erste Wahl ist. Die Gründe dafür seien nicht so große Karrierechancen sowie eine im Vergleich zu anderen Jobs weniger hohe soziale Anerkennung, sagte Blasberg.

Eine Beobachtung, die er mit den Verantwortlichen in Düsseldorf teilt. "Die Wertschätzung der Gesellschaft fehlt zum Teil", betonte die Sprecherin von Ministerin Löhrmann. Dies müsse sich aber genauso ändern, wie die Politik in der Pflicht stehe, die Rahmenbedingungen zu verbessern. "Wir bemühen uns, den Lehrerberuf attraktiver zu machen", hieß es aus dem Schulministerium.

Für Jens Merten, Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) in Solingen, ist dies überfällig. Aufgrund zahlreicher alleinerziehender Mütter sowie vieler weiblicher Kräfte in Kitas und an Grundschulen fehle manchen Jungs inzwischen die Orientierung an männlichen Vorbildern, so Merten. Bezeichnend sei, dass hauptsächlich Jungen Verhaltensauffälligkeiten zeigten. "Sie sind die Verlierer der momentanen Situation", sagte der VBE-Vorsitzende. Merten ist selbst Lehrer an einer Grundschule. So erlebt er im Unterrichtsalltag — neben anderen Anforderungen — täglich, wie stark sein männliches Rollenvorbild bei den Kindern gefragt ist.

(RP)
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