Hösel Luftige Malerei in Hösel

Hösel · "Urlandschaften" nennt die Japanerin Setsuko Ikai ihre Arbeiten, die derzeit in der Privatgalerie Walther zu sehen sind. Sie malt Farben und Tiefen "aus der Seele und aus der Mitte der Leinwand heraus".

Ein helles Blau vorn, das in lichtem Grau verschwimmt, sich mit leuchtendem Kobalt zu einer horizontalen Linie vereint und in der Tiefe weißes Gewölk und transparente Ebenen derselben, nur leicht modifizierten luftigen Ausgangsfarbe eröffnet: Folgt man einer solchen Lesrichtung des Bildes, springt zum Ausgangspunkt zurück, verfolgt denselben Weg ein zweites und drittes Mal, dann ist man "mittendrin" im Dialog mit den Landschaften von Setsuko Ikai. Luft, Weite, Ruhe und unbegrenzte Möglichkeiten spürt man da, eine Atmosphäre von Loslösung, das Gefühl, ohne Schranken und frei zu sein.

"Urlandschaften" nennt die in Düsseldorf lebende Japanerin Setsuko Ikai ihre Arbeiten, in denen sie die Essenz persönlicher Erinnerungen und visueller Vorstellungen vermalt. Kräfte, Energien und urmenschliche Gefühle angesichts der Macht der Natur setzt sie in Farben und Linien um, ohne konkret erkennbare Form. Lyrisch-abstrakt kann man ihre Arbeitsweise nennen. Doch jeder Betrachter soll "seine eigene Konversation mit den Bildern führen". Manche sehen in diesen Landschaften Gegenständliches, Wasser, Strände, den Rücken einer Düne etwa. So glaubte ein Sylter Galerist, Besonderheiten der nordischen Landschaft darin zu finden. Und selbst die Japanerin, als sie die ihr unbekannte deutsche Insel betrat, war überrascht von der tatsächlichen topografischen Ähnlichkeiten mit ihren Bildern.

Doch was sie beabsichtigt, ist anderer Art. Keine spezifischen Orte malt sie, sondern Farben und Tiefen "aus der Seele und aus der Mitte der Leinwand heraus". Manche Bildpartien, besonders die in hellen, erdigen Brauntönen, scheinen kompakter und greifbar. Doch auch sie haben nichts mit der materiellen Welt gemein. Sie spiegeln einen Ausdruck der Verinnerlichung, die "Begegnung zwischen Sichtbarem und der Inspiration". Harmonie und Bewegung, Dauer und Wandel gehen in diese zarten, scheinbar hingehauchten, stimmungsvollen Landschaften ein.

Ungefähr 36 Arbeiten, die meisten Ölbilder, aber auch Arbeiten in Acryl, Collagen und Radierungen stellt Ikai aus. Es ist schon die fünfte Einzelausstellung in Zusammenarbeit mit dem Galeristen Hermann Walther, der 30 Jahre in Düsseldorf eine Galerie betrieb und heute sein Höseler Privathaus mit Enthusiasmus und Engagement interessierten Besuchern öffnet.

Die Bandbreite der ausgestellten Arbeiten zeigt nicht nur die unterschiedlichen Techniken, sondern auch Entwicklungsphasen im Werk der 1941 in Tokio geborenen, jugendlich und vital wirkenden Künstlerin.

Ost-West-Integration? Dialog der Kulturen? Setsuko Ikai sagt nicht Japan, sondern Tokio. Auch der Gegensatz Ost und West ist für sie keiner mehr, weil sie beide Kulturen kennt und künstlerisch in einem Dazwischen vereint. In Tokio studierte sie europäische Malerei, Radierung und Zeichnung während ihres Stipendiumaufenthalts in Lissabon, Radiertechniken und Lithografie in der freien Grafikklasse der Folkwang Universität Essen und als Gaststudentin an der Kunstakademie Düsseldorf bei Fritz Schwegler. Preise, jährliche Ausstellungs- und Arbeitsaufenthalte in Japan und eine langjährige Dozententätigkeit hinterlassen Spuren im Werk der Künstlerin.

In ihrer Malerei, die ohne Zeichnung nicht komplett, in einem "Bild, das manchmal ohne Ende" ist. Dass gute Kunst dauern kann, zeigen die 1993 begonnenen und 2009 fertiggestellten Collagen, in der sie Zeitungsausschnitte — auch Rezensionen ihrer Ausstellungen — überzeichnet, spachtelt, malt und zu kleinen Unikaten formt. Malerei und Linie, Ost und West, Geschichte und Gegenwart gehen hier ganz ungezwungen eine neuartige Verbindung ein.

(dres)
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