Dörfler zeigen sich solidarisch „Ich wünsche mir, dass Lützerath bleibt“

Kuckum · Im Nachbarort Kuckum hofft Marita Dresen, dass Lützerath wie ihr eigenes Dorf am Ende doch noch gerettet wird. Der Tagebau habe die Region lange genug beeinträchtigt. Sie kämpft nun dafür, die größtenteils verlassenen Ortschaften neu zu beleben.

 Marita Dresen lebt in Kuckum und fühlt mit den Aktivisten in Lützerath.

Marita Dresen lebt in Kuckum und fühlt mit den Aktivisten in Lützerath.

Foto: Hanna Freres

Rund um den Tagebau Garzweiler liegen zwischen Zukunft und Vergangenheit nur ein paar Kilometer. Während es für Lützerath schon lange keine Hoffnung mehr gibt, weil die Politik entschieden hat, dass das Dorf dem Braunkohletagebau weichen muss, dürfen die Menschen im Nachbarort Kuckum nach vorne schauen. Denn durch den vorgezogenen Kohleausstieg 2030 konnten die ebenfalls für die Abbaggerung vorgesehenen Dörfer Kuckum, Keyenberg, Oberwestrich, Unterwestrich und Beverath gerettet werden. Marita Dresen, die in Kuckum immer für den Erhalt ihrer Heimat gekämpft hat, hegt daher große Sympathien für die Sache der Aktivisten in Lützerath. „Ich bin sehr froh, dass da so viele demonstrieren, denn der Tagebau sollte eigentlich so schnell wie möglich dichtgemacht werden“, sagt die 56-Jährige. „Wir leben schon so lange damit, irgendwann müsste es einmal gut sein.“

Lützerath - Chronik des Dorfs zwischen Klimastreik und Tagebau
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Lützerath - verlassenes Dorf zwischen Klimastreik und Tagebau

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Foto: Arend Dechow

Dresen bewohnt in Kuckum mit ihrem Mann und ihren Kindern einen alten Bauernhof, der seit 1862 im Besitz der Familie ist. Hält Pferde und Hühner, baut Gemüse selber an, geht gerne spazieren im Kuckumer Wald an der Niers. Sie ist tief verwurzelt mit diesem Ort, wollte nie weg und hat alle Angebote von RWE, ihren Hof zu verkaufen, abgelehnt. Und stattdessen dafür gestritten, bleiben zu können. Als die positive Nachricht kam, wurde erst einmal gefeiert. Umso mehr aber versteht sie den Frust darüber, dass Lützerath keine Zukunft haben soll. „Alle Menschen, die ich hier und in den anderen Dörfern kenne, wünschen sich, dass Lützerath bleibt“, sagt sie. Denn die Klimakrise mache ja nicht vor ihrer Haustüre halt, und es gebe genug Studien, die zeigen würden, dass das Dorf nicht verschwinden müsse, weil es genug unbebaute Flächen drumherum gebe. Dresen: „Und wenn Lützerath fällt, baggert RWE auf weitere Orte zu.“

Das heißt aber auch, dass die Abbruchkante des Tagebaus noch näher an Kuckum und die umliegenden Dörfer heranrückt. Diese sind zwar gerettet, müssen sich aber in der unmittelbaren Nachbarschaft zu den Riesenbaggern quasi neu erfinden. Sind doch die meisten Dörfler im Laufe der Jahre auf die Angebote von RWE eingegangen und fortgezogen, überwiegend in nahegelegene Neubaugebiete, die den Namen der alten Orte tragen, nur mit dem Zusatz „neu“. In Kuckum zum Beispiel leben von einst rund 450 Einwohnern nur noch etwa 50, plus derzeit rund 100 Flüchtlinge aus der Ukraine. Dresen ist aber fest davon überzeugt, dass das Dorf schnell wieder aufblühen könnte. „Wenn die Häuser freigegeben würden, wären die schnell wieder bewohnt“, erzählt sie. „Ich treffe bei Spaziergängen immer wieder Menschen, die mich fragen, ob man hier Häuser kaufen kann, viele klingeln sogar bei mir an und erkundigen sich danach.“

Lützerath: Das sind die wichtigsten Akteure  - Bilder
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Das sind die wichtigsten Akteure in Lützerath

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Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Mit Gleichgesinnten aus den umliegenden Ortschaften hat sie daher die Dorfgemeinschaft Kulturenergie gegründet. Gemeinsam haben die Anwohner Ideen entwickelt, wie sich die alten Orte beleben lassen und damit auch für Neuansiedler attraktiver werden. Dabei sollen die Dörfer jedoch auch Dörfer bleiben. Dresen hofft auf Unterstützung durch den Erkelenzer Bürgermeister für das Projekt. „Wir haben lange genug für die Energiesicherheit Deutschlands hergehalten, und es ist lange genug über unsere Köpfe hinweg bestimmt worden“, sagt sie, „daher wäre es schön, wenn die Leute in den Dörfern auch mal sagen dürften, was sie sich wünschen.“ So lange werde für sie auch keine Normalität eintreten. Von der Landesregierung wünscht sie sich zudem, dass diese Druck mache hinsichtlich der leerstehenden Häuser, damit die vermietet oder verkauft werden könnten. Je länger alles leer stehe, desto mehr verfalle die Substanz.

Auch Lützerath könnte nach Dresens Ansicht eine Zukunft haben. So hofft sie, dass es bei der Räumung des Dorfes friedlich zugeht und niemand verletzt wird. Und dass die Politik vielleicht doch noch einlenkt. Dresen: „Dass sie sagen, vielleicht ist es doch falsch, was dort passiert.“ Aus Solidarität will sie auf jeden Fall weiter für Lützerath kämpfen, zum Beispiel die Demo am Samstag vor Ort besuchen. Denn aufgegeben hatte sie auch Kuckum nie. „Ich hatte immer die Hoffnung, dass unsere Dörfer erhalten bleiben, und wir haben das geschafft“, sagt sie. „Warum soll es nicht gelingen, auch Lützerath zu retten?“

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