23 Kinder auf NRW-Campingplatz missbraucht Männer sollen Tausende Kinderpornos erstellt haben

Detmold · Tatort Campingplatz: Mindestens 23 Kinder sollen sexuell missbraucht worden sein. Die Ermittler sprechen von 1000 Taten und 13.000 kinderpornografischen Dateien. Drei Männer sitzen in U-Haft.

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Campingplatz in Lügde Tatort in Fällen von Kindesmissbrauch

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Foto: dpa/Guido Kirchner

Mindestens 23 Kinder sind auf einem Campingplatz in Lügde in Nordrhein-Westfalen für den Dreh von Kinderpornos sexuell missbraucht worden. Drei tatverdächtige Deutsche sitzen in Untersuchungshaft. Ein 56-Jähriger aus Lügde und ein 33-Jähriger aus Steinheim bei Höxter sollen nach Erkenntnissen der Ermittler die Kinder im Wechsel gefilmt und missbraucht haben, wie Polizei und Staatsanwaltschaft am Mittwoch in Detmold in einer Pressekonferenz mitteilten. Der dritte Tatverdächtige, ein 48-Jähriger aus Stade in Niedersachsen, soll als Auftraggeber fungiert haben.

Gegen alle drei ermitteln die Behörden unter anderem wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern. Es gehe um mehr als 1000 Einzeltaten, sagte der Leiter der Ermittlungskommission Camping, Gunnar Weiß.
Hauptverdächtig ist der 56-Jährige. Nach Angaben der Ermittler hat der 48-Jährige ein Teilgeständnis abgelegt. Die beiden anderen Männer schweigen bislang.

Die Opfer seien vier bis 13 Jahre alt und kommen aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Zwei achtjährige Jungen sind darunter. Die Ermittler gehen davon aus, dass es noch weitere Opfer gebe. "Wir haben noch einen Haufen Arbeit vor uns", sagte Weiß.

Die Taten sollen sich demnach in einem Zeitraum von zehn Jahren auf dem Campingplatz ereignet haben. 13.000 gesicherte Kinderpornodateien seien dem Bundeskriminalamt übergeben worden. Das Datenvolumen betrage 14 Terabyte. Das ganze Ausmaß der Taten sei erst im Laufe der Ermittlungen nach und nach deutlich geworden, sagte Achim Tietz, Leiter des zuständigen Kommissariats 1.

Die sichergestellten Kinderpornos seien allerdings nur zum Teil von den Tatverdächtigen erstellt worden. Bei einem Datenabgleich durch das Bundeskriminalamt sei auch bereits bekanntes Material gefunden worden. Der Hauptverdächtige und der 33-Jährige sollen sich laut Polizei im Internet in einschlägigen Chats im sogenannten Darknet, einem verborgenen Teil des Internets, kennengelernt und zu den Taten auf dem Campingplatz verabredet haben. Dort stellte die Kripo die Ausrüstung für die Dreharbeiten sicher.

Der Missbrauch von Kindern auf dem Campingplatz nahe der Grenze zu Niedersachsen reicht nach Angaben der Ermittler bis in das Jahr 2008 zurück. Nach der Festnahme im Dezember haben sich Opfer aus dieser Zeit bei der Polizei gemeldet.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt auch gegen die Jugendämter des Kreises Lippe und des Landkreises Hameln-Pyrmont in Niedersachsen.
"Wir überprüfen, ob die Behörden Fehler gemacht haben", sagte der Detmolder Oberstaatsanwalt Ralf Vetter.

Laut WDR soll eine Mutter dem Dauercamper auf dem Platz in Lüdge spätestens 2016 ihre Tochter überlassen haben. Kurz darauf gab es demnach Anzeigen, weil sexueller Missbrauch vermutet wurde. Das Jugendamt Kreis Lippe bestätigt zwar, dass es bereits Ende 2016 eine Anzeige gab. „Diese Anzeige bezog sich aber auf den Verdacht der Verwahrlosung eines Kindes – nicht eines möglichen Missbrauchs“, teilt das Amt mit. Das Jugendamt habe die Situation vor Ort umgehend überprüft. „Die Einschätzung der Mitarbeiter ergab: Das Kind lebte in keinem verwahrlosten Umfeld, sodass das Jugendamt das Kind nicht in Obhut nahm“, heißt es in der Stellungnahme. Das Jugendamt habe aber empfohlen, die „Unterbringung und häusliche Situation“ auf Dauer zu verändern. Diese Einschätzung sowie der Hinweis auf eine latente Kindeswohlgefährdung wurden demnach an die zuständige Behörde in Hameln-Pyrmont weitergeleitet - mit der Bitte, die Unterbringung des Kindes zu überprüfen.

Die Mutters des Kindes wohnt nach Angaben des Jugendamts im Landkreis Hameln-Pyrmont, daher ergibt sich die Zuständigkeit des Jugendamts Hameln-Pyrmont. Dieses Amt hatte entschieden, dass das Kind bei einer „Verwandtschaftspflegeperson“ leben solle. „Das Jugendamt des Kreises Lippe blieb in regelmäßigem Kontakt mit dem zuständigen Jugendamt in Hameln-Pyrmont und weiteren Behörden, um auf eine zeitnahe Verbesserung der Lebenssituation und Unterbringung des Kindes hinzuwirken“, heißt es. Die Rückmeldungen der Behörde, unter anderem durch das Jugendamt Hameln-Pyrmont, hätten aber eine Verbesserung der Lebenssituation versichert und keine Verdachtsmomente auf einen sexuellen Missbrauch ergeben.

Als im Jugendamt des Kreises Lippe schließlich Ende 2018 die Strafanzeige wegen Kindesmissbrauchs bekannt wurde, wurde das Kind nach Angaben des Amts noch am selben Tag in Obhut genommen und in einer geprüften Bereitschaftspflegefamilie im Kreis Lippe untergebracht. Das Amt informierte daraufhin die Polizei.

Das Jugendamt hat ein Beratungstelefon eingerichtet, an das sich verunsicherte Eltern aus dem Kreis wenden können. Das Telefon ist von Montag bis Freitag von 9 bis 18 Uhr unter 05231-621633 erreichbar.

(top/hsr/dpa)
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