38 Dienstjahre für eisfreie NRW-Straßen "Mr. Winterdienst" geht in den Ruhestand

Gelsenkirchen · Sein Berufsleben hat Ludwig Niebrügge einer Frage gewidmet: Wie kann man den Winterdienst in NRW verbessern? Seine Ideen sorgen inzwischen bundesweit für sichere Straßen im Winter. Bald geht "Mr. Winterdienst" in den Ruhestand.

 Schon 38 Berufsjahre lang dreht sich für Ludwig Niebrügge alles um Eis und Schnee - auch im Sommer beschäftigt ihn, wie Autobahnen trotz Winterwetter gut befahrbar sein können.

Schon 38 Berufsjahre lang dreht sich für Ludwig Niebrügge alles um Eis und Schnee - auch im Sommer beschäftigt ihn, wie Autobahnen trotz Winterwetter gut befahrbar sein können.

Foto: dpa, bt gfh

Schon 38 Berufsjahre lang dreht sich für Ludwig Niebrügge alles um Eis und Schnee - auch im Sommer beschäftigt ihn, wie Autobahnen trotz Winterwetter gut befahrbar sein können. Als "Mr. Winterdienst", wie ihn Kollegen getauft haben, des verkehrsreichsten Bundeslandes hat ihn ein ganzes Berufsleben lang eine Frage besonders angetrieben: Wie können wir besser werden?

Ende des Monats geht der Maschinenbau-Ingenieur des Landesbetriebs Straßen.NRW mit 65 Jahren in den Ruhestand. Dass er zurückblicken kann auf eine Zeit des Wandels im Straßen-Winterdienst, hat auch viel mit seinen eigenen Ideen zu tun.

"Heute arbeiten wir daran, Glätte gleich zu vermeiden"

Als Niebrügge am 1. April 1978 - damals noch bei der eigenständigen westfälischen Straßenbauverwaltung - anfing, waren die Zeiten andere: "Unsere Arbeit war davon geprägt, Glätte zu beseitigen. Heute arbeiten wir daran, Glätte gleich zu vermeiden", beschreibt er die wohl wichtigste Veränderung.

Während früher Kontrollfahrzeuge ausschwärmten und sich erst ein Bild vom Straßenzustand machen mussten, steuern heute wachsame Mitarbeiter in der NRW-Winterdienstzentrale die Arbeit der Autobahnmeistereien möglichst so, dass schon Salz auf den Straßen ist, bevor Feuchtigkeit überhaupt gefrieren kann. Beim Vorausschauen hilft jede Menge Messtechnik auf der Straße und an den Räumfahrzeugen.

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"Prävention gelingt nicht immer. Und Schnee muss erst fallen, bevor man ihn räumen kann", erklärt Niebrügge, "aber nur Salz unter dem Schnee verhindert, dass er zu Eis festgefahren wird und sich nicht mehr räumen lässt".

Viele Konzepte maßgeblich mitentwickelt

Schon in seinen frühen Berufsjahren stellte Niebrügge fest: Für solche Voraussicht braucht es gute Prognosen, dazu wiederum bessere Technologien. "Die haben wir dann Zug um Zug eingeführt", sagt der groß gewachsene Mann mit schlichter Brille und Schiebermütze recht bescheiden. Tatsächlich hat er viele Konzepte maßgeblich mitentwickelt, die heute für den Winterdienst bundesweit Standard sind - wie die Idee einer vernetzten Straßenwettervorhersage.

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Foto: Patrick Schüller

"Als ich mitbekam, dass der Deutsche Wetterdienst ganze acht Messpunkte in NRW hatte, war mit klar, dass man das für gute Prognosen ausbauen muss", erzählt er. Er schlug dem Wetterdienst eine Kooperation vor, um ein dichtes Netz von Kontrollsensoren in den Straßen aufzubauen, die Feuchtigkeit und Temperatur direkt am Boden messen. Gesagt, getan: "Die beim Wetterdienst waren ganz aus dem Häuschen, als sie einen Rechner bekamen, der alle Daten zentral in Farbkarten erfasst", erinnert sich Niebrügge, "bis dahin hatten wir mit Telefonketten gearbeitet."

Aus dem nordrhein-westfälischen Pilotprojekt Ende der 1980er Jahre ist inzwischen das bundesweit eingesetzte Straßen-Wetter-Informations-System SWIS mit weit über 1000 Messpunkten geworden. Außerdem entwickelte er für die Streugeräte eine Steuerung mit Infrarotsensoren, die die Fahrbahntemperatur erfassen, um so das Salz besser dosieren zu können. Auch experimentierte er früh mit automatisierten Taumittelsprühanlagen.

Aus Skandinavien importierte Niebrügge in den vergangenen Jahren die Idee, statt Streusalz verstärkt flüssiges Salz auf die Straßen zu bringen. Anders als die Salzkörner springt die Sole nicht weg, wenn Autos darüberfahren. "Wir kommen mit weniger aus", sagt Niebrügge.

Und genau darum geht es ihm aus Wirtschaftlichkeit und Umweltgründen. Denn Streusalz gelangt über den Boden in die Natur, verändert den Nährstoffhaushalt, kann zur Versalzung des Grundwassers beitragen, klagt der Naturschutzbund.

Trotz aller Neuerungen: Insgesamt sei der Salzverbrauch gestiegen - zeitgleich mit den Anforderungen an Straßensicherheit. "Gerade hier in Nordrhein-Westfalen sind unsere Autobahnen jetzt schon an der Kapazitätsgrenze - jede kleinste Störung und erst recht winterliche Behinderungen können erhebliche Probleme verursachen", erläutert Niebrügge. Vereiste Straßen im wichtigen Transitland NRW sind nicht nur ein negativer Wirtschaftsfaktor - sondern auch ein erhebliches Risiko für Leib und Leben.

Auch dafür hat sich Niebrügge immer verantwortlich gefühlt: "Wenn ich in den Nachrichten von Glatteisunfällen höre, tut mir das jedes Mal richtig weh", sagt er. Draußen vor dem Fenster fällt Schneeregen vom Himmel. Niebrügges letzte Saison geht bald vorbei. Dann müssen andere den Winterdienst optimieren.

(lnw)
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