Lost Places Vergessene Zeugen der Industriekultur im Ruhrgebiet
Historische Bauwerke im Verfall oder verlassene Orte üben eine Faszination auf viele Menschen aus. Der Reisejournalist und Fotograf Karsten-Thilo Raab hat sich der morbiden Schönheit vergessener Zeugen im Ruhrgebiet gewidmet. Er zeigt nicht nur die Überreste einer alten Nazi-Autobahn oder das „Horror-Hotel“ von Oberhausen, sondern gibt zudem interessantes Wissen weiter. Tauchen Sie ein in eine Entdeckungsreise der besonderen Art.
Die Zeche Heinrich-Robert, das letzte fördernde Steinkohlen-Bergwerk in Hamm, wurde 2010 nach 109-jähriger Betriebsgeschichte stillgelegt.
Zu Hochzeiten waren mehr als 6000 Bergleute in der Zeche Heinrich-Robert beschäftigt. 1901 nahm das Bergwerk als Zeche de Wendel seinen Betrieb auf. Der Name wurde jedoch später in Steinkohlenbergwerk Heinrich Robert geändert, um den Repressalien durch die Nationalsozialisten zu entgehen.
Die meisten Gebäudeteile der Zeche werden bald verschwunden sein, die acht unter Denkmalschutz stehenden Gebäude sollen in Cafés, Büro- und Arbeitsplätze umgewandelt werden.
Nicht nur soll das Hotel Volksgarten in Oberhausen, gelegen inmitten eines Grüngürtels am Volksgarten, das schlechteste Hotel in Deutschland gewesen sein. Auch ein Mord soll sich hier zugetragen haben. Die erste Betreiberfamilie wurde demnach von einer Bande überfallen, mit ihren Kindern im Keller gefoltert und schließlich ermordet. Von einer anderen Familie übernommen, wurde das Hotel schließlich heruntergewirtschaftet. In Betrieb war es von 1910 bis 2014. Seitdem steht es leer. Der Villa haben Vandalismus und Feuer stark zugesetzt.
Die „So-da-Brücke“ oder Geisterbrücke in Castrop-Rauxel steht für eine Brücke, die keinerlei Funktion erfüllt und nicht benutzbar ist. Davon gibt es einige in Deutschland, eine davon steht seit 40 Jahren an der Dortmunder Straße und ist für viele ein Schandfleck.
Die „So-da-Brücke“ überspannt die Dortmunder Straße im Castrop-Rauxeler Stadtteil Frohlinde und hat Unmengen an Steuergeldern verschlungen. 1979 erfolgte der erste Spatenstich, zwei Jahre später stand der Stahlbeton-Klotz, allerdings ohne Anschluss an eine Straße. Aus den Plänen, nördlich der A40 eine Schnellstraße zu errichten und ein Teil davon eine Ortsumgehung werden zu lassen, wurde nichts. Obwohl der Bau der Ortsumgehung L654n immer noch im Landesstraßenbedarfsplan steht, hat die Politik in Castrop-Rauxel entschieden, den Bau nicht weiter fortzusetzen.
Hoch oben thront die Ruine der Burg Volmarstein im Stadtteil Volmarstein der Stadt Wetter über dem Ruhrtal. Wenn man einer Saga glaubt, wurde eine reiche Ritterfamilie, die auf der Burg wohnte, mit einem Fluch belegt und in einen Hasen, eine Katze und einen Hund verwandelt, weil sie ihre Untertanen schlecht behandelten.
Errichtet wurde die Burg im Jahr 1100 von Graf Friedrich I. von Schwarzenburg. Danach wurde die Burg mehrmals zerstört und wieder aufgebaut, bis sie an strategischer Bedeutung verlor. 1819 hieß der Besitzer der Ruine Graf Philipp von der Recke-Volmarstein, der mit großem Aufwand einige Teile wiederherstellen ließ. Heute existieren noch Teile der Grundmauern und die Fundamente von drei Türmen.
„Opel fahr‘n is wie wenze fliechst“ hieß der Werbespruch des Autoherstellers und beschrieb damit das Gefühl stolzer Opel-Besitzer. Heutzutage ist nicht mehr viel von dem Opel-Werk in Bochum-Langendreer geblieben (Foto zeigt den Eingang). Dort produzierte die Adam Opel AG etwa 14 Millionen Autos, unter anderem den Opel GT und das Kultauto Manta, bekannt aus dem Film „Manta, Manta“. 20.000 Mitarbeiter waren hier beschäftigt.
Das Werk II eröffnete 1962 mit der Produktion von Aggregaten für den Opel Kadett A, bis es im Jahr 2000 in das Joint Venture „GM-FIAT-Powertrain“ ausgegliedert und vier Jahre später die Motorenfertigung im Werk II komplett eingestellt wurde. 2012 folgte dann das endgültige Aus für die Produktion im Werk II und für die verbliebenen 300 Mitarbeiter.
Tief im Wald versteckt und halb überwuchert befinden sich im Pleßbachtal an der Stadtgrenze zwischen Witten und Sprockhövel die Überbleibsel der ehemaligen Verwaltungsgebäude der früheren Waschkaue und der Kohleverladung der Zeche Elisabethenglück.
Die Zeche war ein ehemaliges Steinkohlenbergwerk in Durchholz, das 1847 mit der Kohleförderung startete. 1873 waren gerade mal drei Bergleute damit beschäftigt, 39 Tonnen Kohle zu fördern. Mit den Jahren stieg die Fördermenge: 1843 waren es 84.254 Tonnen Steinkohle bei 304 Bergleuten. 1962 war dann für die Zeche Schicht im Schacht.
Das St.-Barbara-Hospital mit seiner Backsteinfassade im Duisburger Stadtteil Neumühl steht seit rund 120 Jahren auf dem fast 60.000 Quadratmeter großen Klinik-Areal. Mit 150 Betten begann im Jahr 1906 ihre Klinikgeschichte. Anfänglich, um andere Krankenhäuser zu entlasten, die vermehrt Patienten mit Meningitis aufnahmen, spezialisierte sie sich mit den Jahren auf die Bereiche Dermatologie, Plastische Chirurgie, Rheumatologie und Koloproktologie.
1999 wurde das Krankenhaus dem Zweckverband Katholisches Klinikum Duisburg (KKD) angeschlossen, 2011 folgte eine Übernahme seitens des Helios-Konzerns. 2013 schloss das St.-Barbara-Krankenhaus dann endgültig seine Pforten. Seitdem stehen die Gebäude leer. Sie wurden zwischenzeitlich als Flüchtlingsunterkünfte genutzt.
Über die Geschichte des ehemaligen Bordells an der Nahestraße in Recklinghausen ist wenig bekannt. Damals gab es immer wieder Probleme im „sündigem Haus“. Es befand sich zum einem in einem Gebiet der Stadt, wo gemäß Bebauungsplan Bordelle, bordellartige Betriebe und Wohnungsprostitution verboten sind. Die Polizei führte demnach Razzien durch, auch weil Menschenhandel vermutet wurde.
Im April 2011 schloss das Bordell, nachdem die Stadt den Besitzern und dort arbeitenden Frauen die Nutzung verboten hatte. Seitdem zerstören immer wieder Vandalen die Villa, legen Feuer und werfen Fenster ein. Was mit dem 370 Quadratmeter großen Gebäude in Zukunft passieren soll, steht noch nicht fest.
Die Flussbadestelle in Bochum-Dahlhausen war vor einigen Jahrzehnten ein beliebter Treffpunkt. Errichtet im Jahr 1921 vom Linden-Dahlhauser Schwimmverein, lernten mehrere Generationen im Wasser der Ruhr das Schwimmen. Zehn Jahre später folgte die Kündigung des Verbandswasserwerks mit dem Verein. Dieser verkaufte das Vereinsheim 1935 für 3000 Reichsmark an die Stadt Bochum. 1967 untersagte man das Schwimmen in der Ruhr und ihren Seen, Grund war die Verunreinigung des Industriegewässers und die damit verbundenen gesundheitlichen Risiken. Seither ist der Verein bemüht, eine Genehmigung für die Flussbadeanstalt zu erhalten.
Nicht zu vergessen ist ein dreifacher Mord, der sich an der Badestelle im Zweiten Weltkrieg ereignete. Vier Tage nach der Befreiung der Stadt Bochum soll ein junger Nazi vier sowjetische Zwangsarbeiter an der Badestelle überfallen und drei von ihnen erschossen haben, während der vierte fliehen konnte. Der Täter wurde nie gefasst. Ein Gedenkstein, der an der Flussbadeanstalt aufgestellt wurde, soll an diese grausame Tat erinnern.
Über Jahrzehnte wurden an der Bergbausicherheit in der ehemaligen grubensicherheitlichen Versuchsanstalt in Dortmund Vorlesungen und Schulungen abgehalten. Die Geschichte dieser Anlage begann 1894 mit der Errichtung einer Bergbauversuchsstrecke (BVS). Als sich 1908 ein schweres Grubenunglück auf der Zeche Radbod in Hamm mit 350 Toten ereignete, stand das Thema Grubensicherheit im Fokus der Versuchsanstalt mit dem Ziel, Gefahrenquellen und Berufskrankheiten im Bergbau zu erforschen und Lösungen zu finden.
Das Foto zeigt einen ehemaligen Vorlesungssaal.
1990 kam es zu Zusammenschlüssen der Dortmunder Einrichtung mit anderen Organisationen des Steinkohlebergbaus zur Deutschen Montan Technologie und im Jahr 2002 zur Verlegung in das Carl-Beyling-Haus in Bochum. Heute besteht das Unternehmen unter dem Namen Dekra Testing and Certification GmbH mit Standorten unter anderem in Stuttgart, Dresden, München, Essen und Bochum.
Was mit dem Gebäude der „Deutsche Montan Technologie GmbH“ in Dortmund passieren wird, ist noch unklar. Das Areal ist riesig und zum Teil noch gut erhalten. Jedoch ist vieles mit Graffiti besprüht.
Noch mehr verlassene und unheimliche Orte im Ruhrgebiet sehen Sie in Karsten-Thilo Raabs 160-seitigem Buch „Lost & Dark Places Ruhrgebiet“.
Doch nicht nur im „Ruhrpott“ gibt es Lost Places, sondern auch in vielen anderen Städten in NRW, darunter etwa das Haus Fühlingen in Köln (Foto).

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