Landeskriminalamt NRW klärt auf So erkennen Sie Tinder-Schwindler

Düsseldorf · Bei der Partnersuche im Internet versuchen immer mehr Betrüger, gutgläubigen Singles Geld abzuknöpfen. Die Netflix-Serie „Der Tinder Schwindler“ erzählt von so einem Fall. Das Landeskriminalamt erklärt, welche Warnsignale zu beachten sind.

 Über Tinder versuchen auch Betrüger ihr Glück.

Über Tinder versuchen auch Betrüger ihr Glück.

Foto: dpa-tmn/Franziska Kraufmann

Manchmal ist die große Liebe nur ein Wischen auf dem Handy entfernt. Immer häufiger entpuppt sich die im Internet angebahnte Romanze aber nur als Lockmittel, um Singles das Geld aus der Tasche zu ziehen. Love oder Romance Scamming (engl. für Liebesbetrug) wird diese Methode genannt, bei der Betrüger die Anonymität von Online-Dating-Portalen wie Tinder für ihre betrügerischen Zwecke nutzen. Besonders spektakulär war der Fall von Simon Leviev, der sich als Milliardär ausgab, etliche Frauen viel Geld abknöpfte und wegen Diebstahl, Urkundenfälschung und Betrug verurteilt wurde. Die aktuell sehr erfolgreiche True-Crime-Serie „Der Tinder Schwindler“ auf Netflix zeichnet nach, wie ein Opfer Leviev auf die Schliche kam. Die Masche aber wird weltweit so oder ähnlich weiter praktiziert - auch in Nordrhein-Westfalen

 Eigens erfasst werden die Fälle hierzulande zwar nicht, sondern gehen als „sonstige weitere Betrugsarten“ in die polizeiliche Kriminalstatistik ein. Eine konkrete, belastbare Einschätzung, wie groß die Dimension des Phänomens in quantitativer Hinsicht ist, kann das Landeskriminalamt (LKA) NRW daher nicht abgeben. „Weil die Taten häufig den privaten Lebensbereich der Opfer berühren, ist aber von einer hohen Dunkelziffer auszugehen“, sagt LKA-Sprecher Udo Rechenbach. Er bezeichnet das Romance Scamming als moderne Variante des vormaligen Heiratsschwindels. „Unter Vortäuschung von Liebesgefühlen, Freundschaft oder auch beabsichtigter Partnerschaft werden die Opfer, die leicht über einschlägige Dating-Portale zu identifizieren sind, dazu gebracht, dass sie den Tätern mindestens vierstellige Geldsummen zur Verfügung stellen.“ Fast immer geschieht dies per Überweisungen, auch online. Manche Opfer werden auch als sogenannte Money Mules (engl. für Geldesel) genutzt. Dabei leiten sie Päckchen mit für sie unbekannten Inhalts weiter und machen sich noch selbst der Geldwäsche strafbar. 

 Eine kurze Einladung zum Chat per E-Mail auf Online-Partnerbörsen oder in sozialen Netzwerken dient häufig als Erstkontakt beziehungsweise als Lockmittel. Rechenbach empfiehlt bei Kontaktaufnahmen im Internet immer ein gesundes Misstrauen. Da die Betrüger oft mit deutschen Mailadressen arbeiten, sei selten ersichtlich, dass sich hinter den netten Zeilen ein Scammer verbirgt. Mehrere Warnsignale sollten allerdings aufhorchen lassen. Zum Beispiel die Sprache. So kommunizieren die Betrüger meistens in gutem Englisch. „Insider gehen davon aus, dass rund 95 Prozent der Englisch sprechenden Kontakte auf deutschen Dating-Seiten Romance- oder Love-Scammer sind“, sagt Rechenbach. Verlassen könne  man sich darauf aber nicht - denn es gebe auch viele, die perfekt Deutsch sprechen.

 Auch Bilder können Anhaltspunkte bieten. Betrügerische Frauen locken laut LKA ihre Opfer bevorzugt mit schönen Fotos, auf denen sie oft leicht bekleidet zu sehen sind, Männer setzen eher auf Fotos in Uniform. Inhaltlich lassen sich Scanner daran erkennen, dass ihre Opfer schon nach dem ersten Kontakt mit ellenlangen Briefen voller schwülstiger Liebesschwüre überhäufen. Allerdings lernen sie dazu und versuchen zunehmend, mit seriös wirkenden Mails Interesse zu wecken, fragen nach Hobbys, Kindern, Freunden, Glauben. Rechenbach: „Viele Scammer bezeichnen ihre neuen Partner schon bald als ,Ehemann’ oder ,Ehefrau’ und schmieden Heiratspläne. Deswegen scheint die Bitte um ein Visum oder ein gemeinsames Konto gerechtfertigt.“ Die Betrüger geben oft vor, in eine Notlage geraten zu sein, etwa nach einem Unfall, und dringend Geld zu benötigen. 

 Spätestens wenn es darum geht, etwas zu überweisen oder (gefälschte) Schecks in Deutschland einzuzahlen, sollten Betroffene unbedingt hellhörig werden. „Es sollte niemals Geld an unbekannte Menschen, die man nie persönlich kennengelernt oder gesehen hat, überwiesen oder auf sonstige Forderungen eingegangen werden“, sagt LKA-Sprecher Rechenbach. Darüberhinaus empfiehlt das Landeskriminalamt folgende Vorgehensweisen, um sich zu schützen: Erstens sollten Anfragen von Personen, deren Chatnamen ungewöhnliche Zeichen wie etwa Prozentzeichen enthalten, ignoriert werden. In diesen Mails könnte Schadsoftware enthalten sein. Zweitens sollte man den Namen der Internetbekanntschaft mit dem Zusatz „Scammer" beispielsweise bei Google eingeben. „Die Suchmaschine kann in vielen Fällen einen Verdacht bestätigen“, sagt Rechenbach. „Falls ein Bild mitgeschickt wurde, kann man mithilfe der umgekehrten Bildersuche zusätzliche Informationen dazu erhalten.“ Drittens ist es sinnvoll, dass man für Online-Kontaktbörsen oder für den digitalen Schriftverkehr mit einem Unbekannten eine alternative E-Mail-Adresse benutzt. So lässt sich verhindern, dass man im Fall eines Betrugs seinen Haupt-Mailaccount löschen muss.

 Ist klar, dass man einem Betrüger oder einer Betrügerin auf den Leim gegangen ist, sollte man natürlich auf jeden Fall jegliche finanziellen Forderungen ignorieren. Hilfreich ist es, alle Mails und Chat-Texte als Beweis zu speichern. Überweisungsbelege sollten aufbewahrt werden. „Wenn Sie es nicht selbst können, lassen Sie sich von computererfahrenen Freunden den sogenannten E-Mail-Header auslesen“, sagt Rechenbach. „Daran erkennen Sie, woher die Mail geschickt wurde.“ Auf jeden Fall sollte Anzeige erstattet werden. Die Strafverfolgung solcher Täter sei zwar schwierig, weil diese aus dem Ausland agieren. Wenn aber beispielsweise Banken strafrechtliche Schritte gegen Opfer unternehmen wollen, die unwissentlich gefälschte Schecks eingereicht haben, sei es es wichtig, dass die Tat angezeigt wurde. Zudem helfe die Polizei dabei, den Täter konsequent zu blockieren. Auf keinen Fall sollte man auf Mails oder Anrufe des Scammers antworten, sondern den Kontakt abbrechen und sich eine neue Mailadresse und Telefonnummer zulegen.

 Auch ein Opfer von Love Scamming muss unter Umständen strafrechtliche Folgen befürchten, wenn zum Beispiel ein gefälschter Scheck eingelöst wurde. Obwohl dies unwissentlich geschah, erstatten Banken oft Strafanzeige, weil gemutmaßt wird, dass gemeinschaftlich gehandelt wurde. Wenn man einem Scammer Kopien von Ausweisdokumenten geschickt hat, sollte auf jeden Fall die Polizei eingeschaltet werden. Reichenbach: „Problematisch ist, dass die Kontaktaufnahmen der Scammer sogenannte straffreie Vorbereitungshandlungen darstellen – eine absurde Mail allein ist nicht illegal.“ Tinder fährt bei Betrügern nach eigenen Angaben zwar eine „Null-Toleranz-Politik“ und sperrt sofort den Account. Oft tauchen die Scammer aber auf anderen Plattformen wieder auf. Auch der Tinder-Schwindler Simon Leviev hat über die sozialen Netzwerke angekündet, bald seine „ganze Geschichte“ erzählen zu wollen.

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