Razzia gegen „Letzte Generation“ „Dieses Geklebe ist für die Menschen in NRW schon lange eine Zumutung“

Düsseldorf · Nach der bundesweiten Razzia gegen Mitglieder der „Letzten Generation“ macht sich NRW-Innenminister Herbert Reul für eine bundesweite Überprüfung der Gruppierung stark. Reul will wissen, wie die Finanzströme der Klimakleber funktionieren.

Letzte Generation: Razzia in sieben Bundesländern
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Bundesweite Razzia gegen Letzte Generation

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Foto: dpa/Christoph Soeder

Nach der bundesweiten Razzia gegen Anhänger der „Letzten Generation“ forciert NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) eine bundesweite Überprüfung, ob es sich bei der Gruppierung möglicherweise um eine kriminelle Vereinigung handelt. „Kunstwerke, Straßen und jetzt Autos: Dieses Geklebe ist für die Menschen in Nordrhein-Westfalen und anderswo schon lange eine Zumutung. Da muss man sich ernste Sorgen machen, welches Hassobjekt von der Letzten Generation als nächstes auserkoren und sabotiert wird“, sagte Reul unserer Redaktion.

Es sei gut und richtig, dass der Rechtsstaat dabei nicht zuschaue, sondern sich wehre gegen diese Krawallmacher. „Als Unions-Innenminister haben wir schon Ende vergangenen Jahres gefordert, sich die Letzte Generation bundesweit genauer anzuschauen und zu prüfen, ob es sich um eine kriminelle Vereinigung handelt“, so Reul weiter, und er ergänzte: „Klar ist: Hinter diesen Straftaten steckt eine Struktur. Aber: Wie ist der Modus Operandi? Und wie funktionieren die Finanzströme? Dazu brauchen wir dringend weitere Erkenntnisse und werden uns auch auf der kommenden Innenministerkonferenz darüber austauschen“, so Reul.

Die Sicherheitsbehörden sind am Mittwochmorgen bundesweit gegen die Letzte Generation vorgegangen – in mehreren Bundesländern fanden Durchsuchungen statt. Sieben Klimaaktivisten im Alter von 22 bis 38 Jahren wird vorgeworfen, eine kriminelle Vereinigung gebildet oder unterstützt zu haben. Sie sollen Spenden in Höhe von rund 1,4 Millionen Euro gesammelt haben. Laut Staatsanwaltschaft München, die die Ermittlungen führt, sollen die Gelder den Aktivisten geholfen haben, Straftaten zu begehen. Die Durchsuchungen fanden in Berlin, Bayern, Hamburg, Hessen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Schleswig-Holstein statt.

In Berlin lässt Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos) prüfen, ob es sich bei der „Letzten Generation“ um eine kriminelle Vereinigung handelt. In NRW ließ NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) auf Anfrage durch einen Sprecher dazu mitteilen: „Der Minister der Justiz erteilt den Staatsanwaltschaften keine Prüfaufträge. Sie nehmen, gemäß den Leitlinien der Justiz, unabhängige und eigenverantwortliche Bewertungen vor.“

Auch in Nordrhein-Westfalen beschäftigen die sogenannten Klimakleber die Ordnungsbehörden. Ein Fall für den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz ist die Gruppierung aber bislang noch nicht gewesen. Die Sicherheitsbehörden in NRW behalten die Entwicklung aber im Blick halten und beziehen in ihre Prüfungen auch neue Aktionsformen und Forderungen ein.

Bei der bundesweiten Razzia am Mittwochmorgen wurden 15 Objekte durchsucht, wie die Generalstaatsanwaltschaft München und das Bayerische Landeskriminalamt mitteilten. Hintergrund sind demnach zahlreiche Strafanzeigen seit Mitte des vergangenen Jahres. Der Tatvorwurf lautet Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Zudem wurde auf Anweisung der Staatsanwaltschaft die Homepage der Gruppe beschlagnahmt und abgeschaltet, wie ein Polizeisprecher sagte. Laut Polizei waren bundesweit etwa 170 Beamte im Einsatz. „Die 15 Hausdurchsuchungen haben alle Unterstützer hart getroffen. Sie machen uns Angst, aber wir dürfen nicht in dieser Angst verharren“, sagte Aimée van Baalen, Sprecherin der Bewegung. Zum Vorwurf der kriminellen Vereinigung sagte van Baalen: „Wir bereichern uns nicht.“ Die gesamten Aktionen, Strukturen, Namen, und Spendeneingänge seien öffentlich. „Wir haben keine Angst vor einem Prozess. Wir glauben an den Rechtsstaat.“

In NRW (Stand Ende April) lägen bisher Informationen zu insgesamt 16 nicht angemeldeten Versammlungen der Letzten Generation vor, teilte das Innenministerium auf Anfrage unserer Redaktion mit. Davon fanden sechs im vergangenen und zehn in diesem Jahr statt. Insgesamt seien bei polizeilichen Maßnahmen 184 Personen vom Straßenbelag gelöst worden, hieß es zuletzt aus dem NRW-Innenministerium. Dies müsse aber nicht unbedingt durch Speiseöl geschehen sein. In der Regel kleben sich die Aktivisten mit Sekundenkleber am Asphalt fest; dieser wird meist durch Öl gelöst, das mithilfe eines Spatels oder Pinsels auf die verklebte Haut aufgebracht wird. Insgesamt seien bei Versammlungen im Zusammenhang mit Klebeaktionen in Nordrhein-Westfalen 19 Personen vorübergehend in Gewahrsam genommen worden.

 Aktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ blockieren eine Autobahn.

Aktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ blockieren eine Autobahn.

Foto: dpa/Julius-Christian Schreiner

Neben Straßenblockaden sind Anhänger des „Aufstands der letzten Generation“ (AdlG), wie die Bewegung in Langform heißt, etwa für versuchte Eingriffe in den Luftverkehr verantwortlich, weil sie laut NRW-Innenministerium in Flughafennähe Kleinfluggeräte und Luftballons aufsteigen ließen. In Nordrhein-Westfalen sei es darüber hinaus zu mehreren Manipulationen an Ölpipelines gekommen, zumeist durch Verschließen von Ventilen etwa an Pumpstationen.

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