Mediziner appellieren an Bevölkerung Lage auf Intensivstationen dramatisch

Düsseldorf · Die Intensivstationen sind erneut an der Belastungsgrenze. Schon jetzt müssen Patienten verlegt und planbare Operationen verschoben werden. Experten schlagen Alarm.

 Ein Facharzt versorgt einen Covid-19-Patienten auf einer Intensivstation. (Archiv)

 Ein Facharzt versorgt einen Covid-19-Patienten auf einer Intensivstation. (Archiv)

Foto: dpa/Jan Woitas

Die Lage auf den Intensivstationen in Deutschland spitzt sich dramatisch zu. Das sagte Professor Gernot Marx, Präsident der der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), am Montag auf einer Pressekonferenz. Demnach liegen derzeit 3675 Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen, 51 Prozent davon werden invasiv beatmet. Alleine im Verlauf der vergangenen Woche kamen auf den Intensivstationen 1887 Covid-19-Erkrankte hinzu, 689 starben in dieser Zeit. „Wenn wir weiter einen derart unbegrenzten Anstieg erleben, wird das in vielen Kliniken zu Überlastungen führen“, sagte Marx. Er appellierte an die Regierung, flächendeckend Strukturen für niederschwellige Impfangebote zu schaffen und, falls dies alles nicht ausreiche, für die nächste Ministerpräsidentenkonferenz am 9. Dezember zusätzliche Maßnahmen vorzubereiten. Das ungebremste Wachstum müsse unbedingt gestoppt werden. Marx: „Jeder kann mit seinem Verhalten helfen, die vierte Welle einzudämmen.“

 In Teilen Deutschlands sei das Allzeithoch in Bezug auf intensivpflichtige Covid-Patienten schon überschritten, etwa in Bayern, sagte Professor Christian Karagiannidis, Leiter des DIVI-Intensivregisters. Rund 30 Prozent der Patienten auf den Intensivstationen dort seien an Covid-19 erkrankt. Ähnlich sieht es in Sachsen und Thüringen aus. „Und wir stellen dort weiter stark steigende Zahlen fest“, sagte Karagiannidis. Weil viele Krankenhäuser in diesen Bundesländern bereits überlastet seien, müssten auch immer wieder Patienten verlegt werden. Nur durch eine derartige Umstrukturierung könnten Kapazitäten geschaffen werden. Erschwerend hinzu kommt, dass durch den Weggang von Pflegekräften bundesweit rund 4000 Intensivbetten weniger zur Verfügung stehen. „Weniger verfügbares Personal heißt auch weniger betreibbare Betten“, sagte Karagiannidis.

 Selbst wenn alle gerade verfügten Maßnahmen jetzt greifen würden, geht Marx davon aus, dass die Intensivstationen in der Spitze bundesweit von 4500 Covid-19-Patienten ausgehen müssen. Professor Andreas Schuppert, Modellierer der DIVI, hat verschiedene Szenarien durchgerechnet, wie sich die Belegungszahlen entwickeln könnten. Demnach schießt die Zahl der Intensivpatienten, sollten die Maßnahmen erst bei einer bundesweiten Inzidenz von 600 einen bremsenden Effekt zeigen, bis März 2022 auf mehr als 6000 hoch. Marx spricht sich dennoch gegen eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen aus, beispielsweise in der Pflege. „Ich sehe aber eine moralische Verpflichtung unter Medizinern und dem Pflegepersonal, sich impfen zu lassen, weil wir Patienten keinen Schaden zufügen dürfen“, sagte Marx. 

Duisburg: So sieht der Alltag auf einer Corona-Intensivstation aus
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So sieht der Alltag auf einer Corona-Intensivstation in Duisburg aus

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Foto: Christoph Reichwein (crei)/Christoph Reichwein (CREI)

 Das Impfverhalten sei ein dominanter Faktor für die Infektionsausbreitung, erklärte Schuppert. „Je geringer die Impfquote, desto schneller breitet sich die Infektion aus“, sagte Schuppert. Auf der anderen Seite könne man sich mit einer höheren Impfquote auch höhere Inzidenzen leisten, weil die Zahl der schweren Verläufe niedriger sei. Diesen „Impfbonus“ habe aber man aber mit der derzeitigen bundesweiten Inzidenz von fast 400 schon ausgeschöpft. Marx wies noch einmal darauf hin, dass es sich bei den Patienten mit schweren Verläufen hauptsächlich um Ungeimpfte handele. Impfdurchbrüche mit schweren Folgen würde man fast ausschließlich bei älteren Menschen mit relevanten Vorerkrankungen sehen. Marx: „Alle anderen sind durch eine Impfung sehr zuverlässig vor schweren Erkrankungen geschützt.“

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