Urteil gefallen Küken-Töten laut Gericht mit Tierschutzgesetz vereinbar

Münster · Die umstrittene Praxis, männliche Küken nach dem Schlüpfen zu töten, verstößt nicht gegen das Tierschutzgesetz. Das hat das Oberverwaltungsgericht Münster am Freitag entschieden.

Männliche Küken werden geschreddert.

Männliche Küken werden geschreddert.

Foto: dpa, mac pzi htf

Wie hält es die Gesellschaft mit den Tierrechten? Was sagen Politik und öffentliche Meinung zur Tötung gerade geschlüpfter Küken? Der 20. Senat des Oberverwaltungsgerichts in Münster räumte dieser Frage in der mündlichen Verhandlung am Freitag ungewöhnlich viel Platz ein.

Der Vorsitzende Richter Franz Oestreich referierte lange zum Stand der politischen Diskussion in Deutschland und zur Mehrheitsmeinung im Bundestag. Er beschrieb aber auch, dass die Deutschen nun einmal gerne viele - und vor allem preiswerte - Eier und Hühnchen verspeisen. "Hier gibt es einen Zielkonflikt zwischen der Agrar- und Lebensmittelindustrie und der Ethik", sagte der Richter.

Das alles sollte die Zuhörer im Gerichtssaal auf eines hinführen: Das OVG muss die Rechtslage ohne Blick auf die Moral beurteilen und schauen, ob die klagenden Unternehmen sich zu Recht gegen einen Erlass der rot-grünen Landesregierung zu Wehr setzen.

Der Düsseldorfer Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) wollte es nicht länger hinnehmen, dass männliche Küken aus Profitgründen getötet werden. "Es muss Schluss sein damit, Tiere wie Abfallprodukte zu behandeln", betonte er. Jetzt musste er allerdings eine Niederlage einstecken: Das Töten der Eintagesküken verstoße nicht gegen das Tierschutzgesetz, urteilte das OVG. Die Unternehmen hätten keine Alternative zu diesem Schritt und somit einen Grund zum Töten. Genau so einen Grund fordert das Tierschutzgesetz.

Der Verteidiger der Kükenbrütereien warf dem Grünen-Minister in der Verhandlung politische Spielchen vor. "Herr Remmel wusste doch, dass er hier heute in Münster verlieren würde", sagte Anwalt Martin Beckmann zum Abschluss der mündlichen Verhandlung.

Der Mainzer Tierrechtsexperte Andreas Ackenheil sieht aber genau darin das Verdienst des Ministers. "Vorstöße wie die von Remmel im Jahr 2013 sind dafür verantwortlich, dass wir das Thema heute wieder ein Stück anders bewerten", sagte Ackenheil der Deutschen Presse-Agentur. Er hatte gehofft, dass das OVG in Münster ähnlich wie vor Jahren das Bundesverfassungsgericht beim legendären Legehennen-Urteil die wirtschaftlichen Interessen hinter den Tierschutz einordnet. Die Bundesrichter hatten Hennen gegen den Widerstand der Industrie deutlich mehr Platz im Stall zugestanden.

Der Münsteraner Theologe Rainer Hagencord geht mit der Fleischindustrie hart ins Gericht. "Die Tierhaltung wird dem System angepasst, es sollte aber andersherum sein", beklagt der Leiter des Instituts für Theologische Zoologie in Münster. Der Papst habe zuletzt mit darauf hingewiesen, dass Tiere einen Eigenwert haben und nicht nur einen Zweck für Menschen erfüllen müssen. "Da jubel ich als Theologe natürlich", sagte Hagencord zum Rechtsstreit um die Küken-Tötung.

Hagencord nannte das Verbraucherverhalten in dieser Frage "pathologisch". Es sei krank, wenn ständig alle sagen, sie würden gerne mehr für Tiere tun, an der Fleischtheke aber gebe niemand einen Euro mehr aus für gute Produkte.

(lnw)
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