Kriminalitätsstatistik 2022 Wie kriminell ist NRW?

Düsseldorf · In vielen Kriminalitätsfeldern hat es in NRW im vergangenen Jahr mehr Straftaten gegeben. Einen besonders großen Anstieg gab es bei Diebstählen und in der Kinder- und Jugendkriminalität.

 In NRW ist die Zahl der Wohnungseinbrüche wieder gestiegen,

In NRW ist die Zahl der Wohnungseinbrüche wieder gestiegen,

Foto: dpa/Daniel Bockwoldt

Mit Sorge hat NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) auf die seit Jahren erstmals wieder gestiegene Kriminalität im Land reagiert. „Wir sehen einen Pendeleffekt nach der Zeit des Lockdowns, aber in manchen Bereichen auch eine Überkompensation“, sagte Reul. Der Dauerkrisen-Modus aus Pandemie, Krieg und Inflation habe viele Menschen egoistischer und gefrusteter gemacht. Das Aggressionspotenzial sei gestiegen. „Ich glaube, das spüren wir alle. Der Ton ist rauer geworden.“

Die nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden haben im vergangenen Jahr einen deutlichen Anstieg der Straftaten um 13,7 Prozent auf rund 1,37 Millionen erfasst. Damit wurde das Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019 überschritten. Gestiegen sind die Straftaten in vielen Bereichen. Allen voran gab es deutlich mehr Diebstähle, von denen 480.000 Fälle erfasst wurden – ein Anstieg um 23 Prozent. Sie machen demnach 35 Prozent aller Straftaten aus. Auch die Zahl der Raubdelikte steig um 37 Prozent auf 11.000 Fälle. Ebenfalls deutlich stiegen Fälle von Mord und Totschlag stiegen ebenfalls deutlich um 23 Prozent auf 380 an, es blieb aber in den meisten Fällen (290) - beim Versuch. Die Fälle von häuslicher Gewalt nahmen um 9,5 Prozent zu – und das im sechsten Jahr in Folge. Im vergangenen Jahr stieg auch die Zahl der Angriffe auf Rettungskräfte massiv an. 9600 Fälle zählte die Polizei. „Ein trauriges Jahreshoch in zehn Jahren. Da ist offensichtlich etwas ganz grundsätzlich ins Wanken geraten“, sagte Reul.

Besonders besorgt zeigte sich der Innenminister über die Zunahme im Bereich der Kinder- und Jugendkriminalität. „Wenn Sie so wollen, sind die Zahlen der Beweis dafür, dass die Pandemie unsere Kinder verändert hat“, sagte Reul. „Da müssen wir gegenarbeiten. Und wir müssen besser werden. Die Zahlen sind ein Arbeitsauftrag. Für die Polizei wie für die gesamte Gesellschaft“, so Reul. Die Zunahme der Fälle erklärte sich Reul auch damit, dass es für Kinder wegen der Pandemie wenig Raum gegeben habe, um sich sozial zu entwickeln und zu lernen, Konflikte zu lösen.

In den Bereichen Kinderpornografie und sexualisiertem Missbrauch von Kindern bleiben die Zahlen konstant hoch. Demnach wurden 4100 Fälle von Kindesmissbrauch registriert. Bei Kinderpornografie waren es mehr als 11.000 Fälle. Positive Nachrichten gibt es im Bereich von Messer-Attacken. Rund 4200 Fälle wurden in diesem Bereich registriert – ein Minus von fünf Prozent. Reul mutmaßte, dass der Rückgang mit den Waffenverbotszonen in Düsseldorf und Köln zu tun haben könnte. „Denn solche Zonen senden Signale: Messer sind unerwünscht“, sagte Reul.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) bezeichnete insbesondere die zweistelligen Zuwachsraten bei den im öffentlichen Raum begangenen Straftaten als Alarmsignal. „Sie tragen nicht zur Steigerung des subjektiven Sicherheitsgefühls in der Bevölkerung bei. Steuern wir nicht um, müssen wir mit den hohen Zahlen und einer Verunsicherung der Bürgerinnen und Bürger auf Dauer leben“, warnte der GdP-Landesvorsitzende Michael Mertens. Um die gestiegene Kriminalität wieder zurückdrängen, müsse der personelle Wiederaufbau der Polizei beschleunigt werden. „Dass die Polizei viele Straftaten nur noch verwaltet, nicht aber verfolgt, ist nicht hinnehmbar. Deshalb müssen die aktuellen Probleme bei der Nachwuchsgewinnung für die Polizei umgehend überwunden werden“, sagte Mertens.

Die Zahlen seien ein unüberhörbarer Weckruf für die Landesregierung, sagte die innenpolitische Sprecherin der SPD, Christina Kampmann. „Ob sich die aktuellen Entwicklungen dabei hauptsächlich durch Corona-Effekte erklären lassen, wird sich noch zeigen müssen.“ Es entstehe der Eindruck, dass NRW in der Kriminalitätsbekämpfung zurückgefallen sei. CDU-Innenexperte Gregor Golland entgegnete: „Solche Zahlen hätte sich die SPD in der Vergangenheit gewünscht. Sie sind immer noch deutlich besser als vor 2017. Unseren konsequenten Null-Toleranz-Kurs gegen Clans und Kriminelle werden wir deshalb entschlossen fortsetzen“, so Golland. Tatsächlich liegen die aktuellen Kriminalitätszahlen unter denen aus der Amtszeit des vorherigen NRW-Innenministers Ralf Jäger (SPD).

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