Geld kommt Kommunen zugute Krematorien verkaufen Metallreste

Düsseldorf · Die Krematorien sammeln nach der Einäscherung die Überreste aus der Asche Verstorbener und verkaufen sie. Das Geld kommt den Friedhöfen zugute. Der Bundesverband der Bestatter fordert einheitliche Regeln.

Das kosten verschiedene Bestattungsarten
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Foto: Michael Reuter

Nur wenige Menschen denken daran, dass bei der Verbrennung einer Leiche mehr übrigbleiben kann als Asche — wie zum Beispiel Metallreste medizinischer Ersatzteile. Weil sich Angehörige mit dieser Frage selten befassen und ihre Rechte geltend machen, hat sich daraus für viele Krematorien eine Einnahmequelle entwickelt. Sie verkaufen die Metallreste an Verwerter. So hat das Krematorium in Bochum im vergangenen Jahr etwa 100.000 Euro erwirtschaftet — ohne die Angehörigen der Verstorbenen zu fragen, ob sie das Geld behalten dürfen.

Die Einnahmen flossen in den Gebührenhaushalt der Krematorien, die den Städten gehören. Der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Bestatter, Rolf Lichtner, sieht damit den Ruf seiner Branche bedroht. "Dass die Krematorien ohne Einwilligung der Angehörigen agieren, bringt mich auf die Palme — denn das ist Geschäftemacherei."

Keine klare Gesetzeslage

Was die kommunalen Krematorien mit dem Geld machen, ist laut Deutschem Städtetag ihnen überlassen. "Von uns gibt es keine Empfehlung, wie die Städte damit umgehen", sagt ein Sprecherin. Auch eine klare Gesetzeslage gebe es nicht. Der Bestatterverband verweist jedoch auf mehrere Entscheidungen von Oberlandesgerichten zu dem Thema. Demnach sei grundsätzlich alles beizusetzen, was nach der Verbrennung eines Verstorbenen zurückbleibe. Die Rechtsprechung habe den Hinterbliebenen jedoch ein vorrangiges Aneignungsrecht an den bei den Krematorien verbliebenen Metallen eingeräumt.

Wegen dieser Rechtslage fordert der Bundesverband der Bestatter eine entsprechende Vorgabe — zumal Angehörige Schadenersatzansprüche geltend machen könnten. "Es erscheint mehr als sinnvoll, klare Regelungen und transparente Verfahrensweisen zu entwickeln, die nicht zu einer negativen rechtlichen und moralischen Zuweisung für Krematorien und Bestatter führt", sagt Lichtner.

Die Krematorien in Bochum und Essen haben bereits auf die Kritik reagiert. "Es gab zwar nie Beschwerden von Hinterbliebenen, aber da es ein sehr sensibles Thema ist, arbeiten wir gerade an einer Formulierung, um sie den Bestattern an die Hand zu geben", sagt der Sprecher der Stadt Bochum. "In Zukunft wird dieser Punkt in den Antrag auf Einäscherung eingefügt", sagt der Leiter des Essener Krematoriums, Reinhold Velten. "Die Einnahmen werden bereits seit Jahren nur für den Friedhofszweck eingesetzt, zum Beispiel für die Pflege der Male anonymer Gräber", sagt Velten.

So gehen auch die kommunalen Krematorien in Duisburg und Dortmund vor, die beide jeweils etwa 30 000 Euro im Jahr aus Edelmetallresten erlösen. Sie informieren die Angehörigen aber ohnehin, dass der Erlös für Arbeiten auf dem Friedhof (Duisburg) eingesetzt wird — oder um den Preis für die Einäscherung gering zu halten (Dortmund) .

Das sei rechtlich zulässig, allerdings ethisch fragwürdig, meint Lichtner. "Die ethischen Regeln der Internationalen Kremationsvereinigung gehen davon aus, dass der Erlös nur zu gemeinnützigen Zwecken verwandt werden darf", sagt er. Damit scheide eine kommerzielle Verwendung aus — unter anderem auch zur Zuweisung zu Haushaltstiteln oder zur Ermäßigung des Kremationspreises.

Spende für gute Zwecke

Das Krematorium in Wuppertal, das privat betrieben wird, spendet seine jährlich etwa 30.000 Euro komplett an karitative Zwecke. Im vergangenen Jahr stiftete die Einrichtung das Geld an ein Kinderhospiz, zuvor an diverse Einrichtungen zur Hilfe von Menschen in Not. In den Niederlanden werden die Reste aller Krematorien zentral gesammelt und im Sinne der Internationalen Kremationsvereinigung einer gemeinnützigen Stiftung zur Verfügung gestellt.

Die Stadt Aachen hat sich vor drei Jahren dagegen entschieden, die Metallreste zu veräußern. "Wir haben nach einem Ratsbeschluss in unsere Friedhofssatzung aufgenommen, dass wir die Reste nicht verkaufen, sondern aus Gründen der Pietät der Urne beifügen", sagt eine Sprecherin.

Weil man etwas damit verdienen kann, hat sich Köln entschieden, die verwertbaren Reste ab August aus der Asche zu filtern. Dafür schafft die Stadt eine neue Aschemühle an, die nach den mehr als 5500 Einäscherungen pro Jahr nach Metallresten sucht. "Jeder Angehörige bekommt von uns aber die Gelegenheit, zu sagen, dass er nicht möchte, dass der Erlös der Metallreste dem Gebührenhaushalt zugeführt wird", sagt die Abteilungsleiterin der Kölner Friedhöfe, Stephanie Brimmer. "Das ist aus Gründen der Pietät selbstverständlich."

Die katholische Kirche hat hingegen offenbar keine Probleme mit der Vorgehensweise der Krematorien. Der Dortmunder Stadtdechant Andreas Coersmeier, der die Praxis seit 13 Jahren kennt, hat "aus religiöser Sicht keine Bedenken". Entscheidend sei der würdevolle Umgang mit den Verstorbenen, betont er.

(RP/top)
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