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Analyse Krefeld lebt über seine Verhältnisse

Krefeld · Der Einbruch bei der Gewerbesteuer war von der IHK vorausgesagt worden. Krefeld aber muss wie alle Kommunen seinen Haushalt nach Regeln planen, die fehlerhafte Schätzungen ergeben.

Analyse: Krefeld lebt über seine Verhältnisse
Foto: T. L.

Die deutschen Kommunen wirtschaften wie Familien, die Fixkosten haben, aber kein festes Gehalt: Die Gewerbesteuern als eine der wichtigsten Einnahmequellen schwanken erheblich; die Schätzungen, mit denen die Kommunen ihre Haushalte planen, sind zudem sehr ungenau - wie das Beispiel Krefeld nun zeigt: Für die Jahre 2013 und ?14 hat sich die Kämmerei jeweils um mehr als 30 Millionen Euro verschätzt. Die IHK fordert nun, das Schätzungsverfahren zu reformieren. "Eigentlich müsste man das Verfahren ändern", sagte Gregor Werkle, Referent für Wirtschaftspolitik bei der IHK Mittlerer Niederrhein, auf Anfrage.

Im Schnitt hat die Stadt in den vergangenen 16 Jahren jedes Jahr gut 100 Millionen Euro Gewerbesteuern eingenommen. Das, was nun als katastrophaler Einbruch gewertet wird - also die nun erwarteten je 110 Millionen Euro für 2013 und 2014 -, bewegt sich also noch über dem Schnitt. Auch die Konjunktur köchelt zurzeit nach Einschätzung der IHK auf Normaltemperatur: "Es gibt keinen Abschwung und keinen Boom", sagt IHK-Fachmann Werkle. Das bedeutet: Statistisch gesehen dürfte die Stadt höchstens von Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von 100 bis 110 Millionen Euro ausgehen.

Das Jahr 2011 war für Krefeld bei der Gewerbesteuer ein Rekordjahr mit fast 140 Millionen Euro Einnahmen. Ausgerechnet diese Zahl wurde zusammen mit anderen Größen wie Steuerschätzungen in Bund und Land zur Grundlage für die Krefelder Schätzung für 2013 und ?14 - keine Willkür des Kämmerers, sondern verabredete Praxis. Die IHK kritisiert das: "Wir haben Ende 2012 bei der Einbringung des Doppelhaushaltes gewarnt, dass die Annahmen zu hoch sind", sagt Werkle.

Die Indikatoren für die IHK, dass der Rekord von 2011 sich nicht wiederholen würde und ein Abschwung auf Normalmaß bevorsteht (also: keine Rezession, nur ein Abkühlen der Konjunktur auf das übliche Niveau), waren aus Sicht der IHK deutlich. Zum einen sind die Gewerbesteuereinnahmen von 140 Millionen Euro in 2013 auf 123 Millionen Euro in 2012 abgesackt. Zum anderen ging der Anteil der Unternehmen, die beim IHK-Geschäftsklimaindex ihre Lage als "gut" bezeichneten, kontinuierlich zurück: 2011 schätzten demnach 48 Prozent der Firmen die Lage als gut ein, 2012 waren es nur noch 37 Prozent, 2013 nur noch 27 Prozent. Werkle betont noch einmal, dass Kämmerer Cyprian kein Vorwurf zu machen ist: "Er hat mit seinen Schätzungen technisch und rechtlich richtig gehandelt." Cyprian hatte zudem im Pressegespräch betont, dass die Annahmen sogar zurückhaltend gewesen seien.

Das Problem ist aus Sicht der IHK das Verfahren - so nimmt die Schätzung ihren Ausgangspunkt bei drei Jahre alten Zahlen. Die IHK warnte schon Ende 2012 in ihrer Stellungnahme zum Haushaltsentwurf des Kämmerers die Stadt vor zu viel Optimismus. Die entscheidende Passage im Anschreiben von IHK-Hauptgeschäftsführer Dieter Porschen an Oberbürgermeister Kathstede (datiert auf den 19. November 2012) liest sich wie ein Stück Prophetie und sei deshalb zitiert:

"Zudem ist die Berechnung auch bei diesem Posten (gemeint sind die erwarteten Steuereinnahmen) wenig realistisch. Der Ansatz der Steigerungsraten im Haushaltsplan für die kommenden Jahre ist deutlich zu hoch. Der IHK-Geschäftsklimaindex für Krefeld liegt im Herbst 2012 bei 111 Punkten, damit zwar noch über dem neutralen Niveau von 100, jedoch auch deutlich unter dem Wert aus dem Herbst 2011 (121 Punkte). Es ist zu erwarten, dass die zukünftigen Wachstumsraten geringer werden. Aufgrund der hiesigen Branchenstruktur schlägt das Pendel von Auf- und Abschwüngen in Krefeld immer etwas stärker aus als im Bundesdurchschnitt. So ist damit zu rechnen, dass das Absinken der Wachstumsraten in Krefeld stärker sein wird als im Bundesgebiet insgesamt." Nichts anderes ist nun passiert.

Die traurige Wahrheit ist: Krefeld lebt mit seinen jährlichen Ausgaben von rund 650 Millionen Euro über seine Verhältnisse und dürfte, um keine bösen Überraschungen zu erleben, nur von Gewerbesteuereinnahmen von 100 bis 110 Millionen Euro ausgehen. Schwankungen nach oben wären gute Überraschungen - um im Bild von der Familie zu bleiben: wie Weihnachtsgeld.

Zurzeit rechnet Krefeld so, als gäbe es jeden Monat Weihnachtsgeld.

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