Mönchengladbach Kostenstreit: Toten wochenlang im Kühlhaus

Mönchengladbach · Trauernde warten immer öfter wochenlang auf die Bestattung ihrer Angehörigen. Der Grund: Sie selbst haben kein Geld für die Beerdigung, und das Sozialamt übernimmt die Kosten erst nach ausgiebiger Prüfung der Finanzverhältnisse.

 170 Anträge auf Bestattungskostenübernahme werden bei der Stadt jährlich geprüft und beschieden.

170 Anträge auf Bestattungskostenübernahme werden bei der Stadt jährlich geprüft und beschieden.

Foto: Werner Gabriel

Für Axel Weber, Stadtverbandsvorsitzender des Bestattungsgewerbes, hat sich die Situation "dramatisch zugespitzt". Bei ihm und seinen Kollegen lagern immer häufiger Verstorbene wochenlang in der Kühlung und können nicht beerdigt werden, weil die Kostenfrage nicht geklärt ist.

In der Stadt wartete eine Witwe aktuell seit dem 1. Dezember auf die Bestattung ihres verstorbenen Mannes. Sechs Wochen lag er in der Kühlung. Gestern wurde vom Ordnungsamt die Beerdigung angeordnet — zur Gefahrenabwehr. Denn in der Regel muss eine Leiche bis zum achten Tag nach dem Tod beerdigt sein.

Sechs Wochen in der Kühlung — solche Fälle dürfte es laut Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Bestatter, Dr. Rolf Lichtner, eigentlich nicht geben: "Haben die Angehörigen einen Antrag auf Kostenerstattung gestellt, sind die Sozialämter bestattungspflichtig und müssen in Vorleistung gehen", sagt er.

Bei der Stadt sieht man das anders: Hier wird zunächst geprüft, ob die Angehörigen die Beerdigungskosten ganz oder teilweise übernehmen können. Ist das dem hinterbliebenen Ehepartner nicht möglich, wird nach weiteren Verwandten gesucht. Es gehe hier auch um Steuergelder, sagt Stadtsprecher Walter Schröders. 170 Anträge auf Bestattungskostenübernahme werden bei der Stadt jährlich geprüft und beschieden.

Tendenz steigend. Schröders wehrt sich gegen den Vorwurf, dass die Stadt die Bezahlungsfrage aussitze: "Normalerweise geht die Prüfung sehr schnell" — wenn die Angehörigen alle angeforderten Unterlagen vorlegten. Doch das passiert nicht immer: oft, weil die Hinterbliebenen zu sehr mit der Trauer beschäftigt sind, manchmal auch aus Desinteresse. Dabei habe die Stadt bereits im Jahr 2007 die Sachbearbeitung an einer zentralen Stelle zusammengefasst, um das Antragsverfahren für die Trauernden möglichst einfach zu halten und es möglichst schnell durchführen zu können.

Egal, aus welchem Grund die Unterlagen möglicherweise verspätet eingereicht werden, "die Sozialämter müssen in Vorleistung gehen", betont Dr. Lichter. Dafür gebe es genügend Gerichtsurteile. "Nachher kann recherchiert werden, ob Angehörige tatsächlich bedürftig sind oder nicht. Dann können Forderungen gestellt und auch Bußgelder eingefordert werden", sagt der Jurist. Doch die Sozialämter im Land würden ihre ganz eigenen Wege gehen. Nicht selten würden die Kostenerstattungen herausgezögert — "manchmal aus Faulheit, manchmal aus Unwissen, manchmal aus Berechnung", so Lichtner.

In Mönchengladbach sei die Lage seit einem Jahr richtig katastrophal, sagt Axel Weber. Früher wäre nach einer gewissen Frist das Ordnungsamt eingesprungen, doch das berufe sich jetzt darauf, dass es die Beerdigung nicht anordnen könne, so lange das Sozialamt noch recherchiere. Und so hätten sich die Wartezeiten auf die so genannten Sozialbestattungen noch weiter ausgedehnt. Das sei zwar ein generelles Problem in NRW, sagt Dr. Lichtner, aber in Mönchengladbach und in Warendorf sei es "besonders auffällig".

(RP/rl)
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