Kölner Aquariums-Chef Thomas Ziegler Der Mann für Giftnattern und Geckos in Not

Köln · Er wird angerufen, wenn eine Nosferatu-Spinne hinter der Heizung sitzt oder eine Schlangenhaut im Keller gefunden wird, aber auch, wenn am Flughafen Warane beschlagnahmt werden: Professor Thomas Ziegler leitet das Aquarium im Kölner Zoo – ist aber inzwischen Ansprechpartner für sämtliche Notfälle.

Thomas Ziegler, Leiter des Aquariums im Kölner Zoo, mit einer seltenen Burmesischen Sternschildkröte, deren Nachzucht im Zoo gelungen ist.

Thomas Ziegler, Leiter des Aquariums im Kölner Zoo, mit einer seltenen Burmesischen Sternschildkröte, deren Nachzucht im Zoo gelungen ist.

Foto: RPO/Claudia Hauser

Thomas Ziegler teilt sich sein Büro im ersten Stock des Verwaltungsgebäudes im Kölner Zoo mit zwei Kolleginnen – und mit einem kleinen Kerl, der unter einer halben Korkröhre in seinem Terrarium döst. Es ist ein junger Cat Ba Tigergecko. Ziegler hat diese bedrohte Gecko-Art 2007 auf einer Insel in Vietnam entdeckt. Nun ist ihm und seinem Tierpfleger-Team eine Nachzucht gelungen, die fürs Erste mit im Büro lebt. „Wir haben für die Art einen offiziellen Schutzstatus erwirkt“, sagt Ziegler, der seit 20 Jahren das Aquarium im Zoo leitet und Koordinator für Artenschutz- und Forschungsprojekte in Vietnam und Laos ist. Der promovierte Zoologe hat zudem eine außerplanmäßige Professur an der Kölner Universität und gibt Biologie-Kurse auch an der Uni Bonn und in Hanoi. Seine Wochen sind also ausgefüllt.

Doch wenn Zieglers Telefon klingelt, wird seine Hilfe oft dringend benötigt – und er muss alles andere erst einmal hinten anstellen. Da ist dann zum Beispiel jemand von der Giftnotrufzentrale in Bonn dran. „Neulich wurde eine Frau beim Blumenumtopfen vermeintlich von einer Giftspinne gebissen“, sagt Ziegler. Anhand eines Schnappschusses vom Spinnentier konnte der 52-Jährige schnell Entwarnung geben. „Das war eine harmlose, heimische Krabbenspinne.“ In Kellern werden auch häufig giftige Schwarze Witwen entdeckt. „Da kann ich auch immer schnell beruhigen, weil es sich meistens um eine Kugelspinnenart handelt, die in so gut wie jedem Keller sitzt“, sagt Ziegler. „Komplett harmlos.“

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Foto: Wiljo Piel/wilp

Weil Zoos von den Menschen als Zentren für Tiere wahrgenommen werden, landen viele Fragen bei Ziegler, der wegen seiner Idee vom Artenschutz-Zoo vor einiger Zeit von einem Fachmagazin für Zoos und Aquarien in die Top-50-Liste der international führenden Zoologen gewählt wurde. Der Kölner Fachmann leistet Amtshilfe, wann immer er gebraucht wird – auch nach Feierabend. Mal hat jemand eine Schlangenhaut in seinem Keller gefunden und will wissen, ob die zu einer ausgebüxten Kobra gehören könnte. Mal gerät jemand in Panik, weil er eine Nosferatu-Spinne hinter der Heizung im Wohnzimmer entdeckt hat.

„Diese arme Spinne hat das Pech, dass irgendwer das Gesicht des Vampirs Nosferatu auf ihrem Leib entdeckt hat – der Name assoziiert natürlich Gefahr“, sagt Ziegler. Dabei sei die Spinne wegen des Klimawandels nur vom Mittelmeergebiet auch nach Deutschland hochgewandert. „Das ist eine harmlose Spinne – ihr Biss ist nicht stärker als der einer Hauswinkelspinne, die in unseren Kellern sitzt.“ Und die Kobra entpuppt sich meistens als einheimische Ringelnatter. „Es ist hierzulande einfach ungewöhnlich, eine Schlangenhaut im Haus zu finden“, sagt Ziegler. „Die Menschen in Australien bleiben völlig entspannt, wenn ein Krokodil vor ihrer Haustüre liegt oder eine Schwarze Witwe im Bad sitzt – sie schauen einfach immer unter die Toilettenbrille.“

Doch manchmal wird es tatsächlich ernst. Einmal wurde der Aquariumskurator von der Feuerwehr zu einem Einsatz geholt, weil ein Schlangenbesitzer zerknirscht zugegeben hatte, dass eine afrikanische Giftnatter aus ihrem Terrarium verschwunden war. „Er hatte mehrere Schlangen, beim Durchzählen war ihm das aufgefallen“, sagt Ziegler. „Die waren schon kurz davor, das komplette Haus zu entkernen, aber das Einsatzteam konnte die Natter mit einer Falle einfangen.“

In einem Büro-Schrank verwahrt Ziegler jede Menge Sandalen, Gürtel, Uhrarmbänder und Taschen, die aus der Haut geschützter Tiere gefertigt und am Flughafen vom Zoll beschlagnahmt wurden. Er nutzt die Asservate zur Schulung seiner Studenten. Auch vom Zoll wird Ziegler immer wieder um Hilfe gebeten, wenn die Zollbeamten etwa wissen müssen, ob Lampenschirme, wie deklariert aus Rindsleder bestehen – oder ob es nicht doch eher die Haut eines Reptils ist. Lebende Tiere werden oft quälerisch transportiert. Ziegler hat schon Warane aufgepäppelt, die völlig verdreht in Toastern eingeschraubt oder in Säcken eingenäht waren.

Philippinenkrokodile im Kölner Zoo: Im Sommer 2021 sind erneut vier Jungtiere geschlüpft, die auf den Philippinen ausgewildert werden sollen.

Philippinenkrokodile im Kölner Zoo: Im Sommer 2021 sind erneut vier Jungtiere geschlüpft, die auf den Philippinen ausgewildert werden sollen.

Foto: RPO/Claudia Hauser

Bundesweit Schlagzeilen machte ein Fall im Jahr 2011. Damals entwischte zwei Japanern und einem Chinesen in einem Kölner Hotel eine Schlange. Die Männer wollten zur Reptilienmesse nach Hamm und hatten fast 600 Tiere bei sich. Viele von ihnen eingepfercht in Plastikdosen, wie etwa Burmesische Sternschildkröten, die hochgradig vom Aussterben bedroht sind. Die Polizei bat den Kölner Zoo, alle Tiere aufzunehmen. „Das war ein entscheidender Meilenstein in der Ausrichtung unseres Artenschutzengagements“, sagt Ziegler.

Einige der geretteten Arten konnten im Zoo vermehrt werden, darunter Zackenerdschildkröten und Tatarische Sandboas. Auch die Burmesische Sternschildkröte, die derzeit sogar auf Werbeplakaten des Zoos zu sehen ist, hat Nachwuchs bekommen. Aus der Beschlagnahmung gingen für diese und auch einige andere Arten Erhaltungszuchtprogramme in Europa hervor. Die Zoos tauschen sich dazu aus. „Moderne Zoos sind keine Tiergefängnisse, sondern setzen sich massiv für den Artenschutz ein“, sagt Ziegler.

Im besten Fall können Tiere ausgewildert werden: Vor drei Jahren konnten zwei Philippinenkrokodile in das südostasiatische Land zurückgeführt werden. Ziegler und seinem Team war es erstmals in Europa gelungen, die weltweit am stärksten bedrohte Krokodilart in Köln nachzuzüchten. Es gibt nur noch etwa 100 frei lebende Tiere. Die nächste Rückführung von im Kölner Zoo geborenen Philippinenkrokodilen ist bereits in Planung.

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Foto: Pixabay / Brett_Hondow

Zur Zeit sucht Ziegler Zoos, die Vogelspinnen aufnehmen. In Pillendöschen verpackt waren 1400 Jungtiere beschlagnahmt worden, je so klein wie ein Fingernagel. „Wir haben drei Tage gebraucht, um die Winzlinge alle vorsichtig aus den Döschen zu befreien.“ Bis eine Vogelspinne handtellergroß ist, dauert es ein paar Jahre. „Bisher haben wir noch nicht mal 100 vermittelt“, sagt Ziegler. Doch er bleibt dran. Beschlagnahmte Tiere zu töten, wie es etwa in den USA oder Australien geschieht, ist nicht im Sinne des Artenschutzes, wie Ziegler ihn versteht.

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