Missbrauchsfall Wermelskirchen „Man muss uns aus dem Verkehr ziehen“

Köln · Ein Pädokrimineller, der zur Zeit eine mehrjährige Haftstrafe absitzt, berichtet im Kölner Prozess gegen Marcus R. von gemeinsamen Taten. Das Opfer war ein damals 14 Jahre alter Junge, der Geld für den Missbrauch bekam. Er wünschte sich einen Hund – das nutzten die Täter aus.

 Der Angeklagte mit seinem Verteidiger Christian Lange im Landgericht Köln. (Archivbild)

Der Angeklagte mit seinem Verteidiger Christian Lange im Landgericht Köln. (Archivbild)

Foto: dpa/Oliver Berg

Der Zeuge schwärmt in Saal 7 des Kölner Landgerichts geradezu von einem Wiedersehen mit dem Angeklagten Marcus R. im Jahr 2017 nach mehr als zehn Jahren Funkstille: „Wir konnten da anknüpfen, wo wir vor einigen Jahren aufgehört hatten“, sagt Klaus K. Was nach Freundschaft klingt, war das ungute Aufeinandertreffen zweier Gleichgesinnter mit dem einzigen Ziel, Kinder sexuell zu missbrauchen, massenhaft Bilder- und Videomaterial zu tauschen und sich in ihren Fantasien gemeinsam hochzuschaukeln. Klaus K. kommt am Dienstag begleitet von Justizwachtmeistern ins Gericht. Der 39-Jährige sitzt gerade eine mehrjährige Haftstrafe ab, weil er unter anderem einen 14-jährigen Jungen schwer sexuell missbraucht hat – allein, aber auch zusammen mit Marcus R.

Dem Wermelskirchener Marcus R. werden in dem Prozess insgesamt 122 Taten in der Zeit zwischen 2005 und 2019 zur Last gelegt, die er im Prozess alle gestanden hat. Dazu zählen viele schwere Fälle sexualisierter Gewalt gegen Kinder. Das jüngste Opfer war ein vier Wochen altes Mädchen. Der 45-Jährige hatte als Babysitter gejobbt und so das Vertrauen vieler Eltern erlangt.

Der Zeuge Klaus K. hat den Angeklagten „im Internet kennengelernt“, wie er sagt. „In einem einschlägigen Chat – wir haben beide auf Kinder und Jugendliche gestanden.“ Das Leben als Mensch mit pädophiler Neigung sei oft einsam, sagt K. „Da ist man froh, wenn man einen Gleichgesinnten gefunden hat.“ Der erfahrene IT-Experte Marcus R. habe ihm dabei geholfen, Dateien zu verschlüsseln, vermeintlich sichere Seiten und Chats zu finden. R. sei weitaus vorsichtiger gewesen als er selbst, sagt der Lkw-Fahrer. Noch nicht einmal den richtigen Vornamen habe er von R. gewusst. Aber dass der auf sehr junge Kinder stehe. „Unter sechs Jahre“, sagt der Zeuge. „Er hat auch immer wieder nachgefragt, ob ein fünf- oder sechsjähriger Junge nichts für mich wäre.“ Das sei ihm aber „zu krass“ gewesen. Keine Bedenken hatte Klaus K. offenbar bei dem 14-jährigen Sohn eines Kollegen, dem er Geld gegen Sex bot. „Ich hab‘ mir gedacht, wenn man den bezahlt, wird der schon die Klappe halten“, sagt K. Der Junge ließ sich auch auf ein Treffen zu Dritt ein – mit dem Geld, das er von K. bekam habe er sich irgendwann einen Hund kaufen wollen, erzählt K. Doch die 200 Euro, die die Männer dem Jungen versprochen hatten, bekam er nicht.

Klaus K. berichtet fast stolz, wie loyal er als Freund gewesen sei. Vor einer ersten Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe vor einigen Jahren, habe er den Namen von Marcus R. nicht preisgegeben. Hätte er es getan, wäre R. vermutlich viel früher ins Visier der Ermittler geraten. Seine eigene erste Strafe, eineinhalb Jahre Haft, ausgesetzt zur Bewährung, habe ihn nicht besonders beeindruckt, erzählt K.. „Ich habe mich darüber lustig gemacht, dass sie mich haben gehen lassen – ohne jede Auflage“, sagt K. Heute glaube er: „Man muss uns aus dem Verkehr ziehen, damit wir auch mal einen anderen Blick auf die Dinge bekommen.“ Der Junge, den sie zusammen vergewaltigt haben, kam als 18-Jähriger noch einmal zu Klaus K. Er forderte das Geld, das ihm damals verweigert wurde, und alle Fotos und Videos des Missbrauchs. Klaus K. und Marcus R. hatten ihm versprochen, er sei nicht zu erkennen. Doch das war eine Lüge, wie K. sagt. Als der junge Mann die Bilder von Ermittlern gezeigt bekam, beschrieb er das später als Zeuge als „schlimmsten Moment in meinem Leben.“

Der Prozess wird im Januar fortgesetzt, ein Urteil wird für Ende Februar erwartet.

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