Hunderte Kirchenaustritte in Köln „Ich möchte in diesem Verein nicht mehr sein“

Köln · Sieben Minuten dauert es in Köln, aus der Kirche auszutreten. Viele Gläubige haben lange mit sich gekämpft, manchmal fließen Tränen. „Der Umgang mit den Missbrauchsvorwürfen ist so gefühllos und kalt“, sagt eine Frau. Beobachtungen im Oberlandesgericht, Zimmer 47.

 „Ich muss keine Kirchensteuern zahlen, um an Gott glauben zu können“: Santina Schwenger, 30 Jahre alt und Finanzbeamtin.

„Ich muss keine Kirchensteuern zahlen, um an Gott glauben zu können“: Santina Schwenger, 30 Jahre alt und Finanzbeamtin.

Foto: RPO/Hauser

Wenn es an Hannelore Zielers Dienstzimmer klopft, steht fast nie jemand vor der Tür, der sich die Entscheidung leichtgemacht hat. Die Justizamtsinspektorin ist im Kölner Amtsgericht für Kirchenaustritte zuständig und sitzt in einer Nebenstelle, in Zimmer 47 im Oberlandesgericht. Wer der Kirche den Rücken kehren will, muss dafür keine Gründe nennen. Aber viele wollen es. „Vor allem ältere Frauen, vielleicht 70 Jahre alt und sehr gläubig, sitzen dann hier und rechtfertigen sich“, sagt Zieler. „Dass sie der Kirche jetzt den Geldhahn zudrehen wollen, weil sie glauben, es sei das Einzige, was hilft.“ Hannelore Zieler sagt ihnen dann manchmal, dass sie kein schlechtes Gewissen haben müssen. Viel Zeit zum Reden bleibt ohnehin nicht, für jeden Termin sind exakt sieben Minuten angesetzt. Meistens steht der nächste schon draußen vor der Tür. Zurzeit kommen 50 Menschen jeden Tag. Bis Ende April sind alle Termine ausgebucht. Dabei hatte das Amtsgericht sie schon aufgestockt von 600 auf 1000 im Monat.