Missbrauchsprozess gegen Priester in Köln „Tauchen üben“ in der Badewanne
Köln · Über Jahre hinweg soll ein katholischer Priester aus Gummersbach kleine Mädchen teils schwer sexuell missbraucht haben. Drei der mutmaßlichen Opfer sind seine Nichten. Nun muss der 70-Jährige sich vor dem Kölner Landgericht verantworten.
Bevor Hans U. am Dienstagvormittag Saal 210 des Kölner Landgerichts betritt, reicht seine Verteidigerin Pantea Farahzadi ihm noch eilig eine schwarze Ledermappe, die sich der 70-Jährige auf dem Weg zur Anklagebank schützend vor das Gesicht hält. Der größte Saal des Gerichts reicht nicht aus für all die Zuschauer, die den Prozess verfolgen wollen.
Die Staatsanwaltschaft wirft Hans U. vor, vier Mädchen teils schwer sexuell missbraucht zu haben. U. ist katholischer Priester. Drei der Mädchen standen in einem besonderen Vertrauensverhältnis zu ihm, weil sie seine Nichten sind, eine von ihnen ist sein Patenkind. Das vierte Mädchen war die Freundin einer befreundeten Familie. Seine mutmaßlichen Taten waren bereits Thema im Missbrauchsgutachten für das Erzbistum Köln, das im März veröffentlicht worden war. Es ist einer der wenigen bekannten Fälle, in denen der mutmaßliche Täter noch lebt.
Vor Gericht versucht der zweite Verteidiger des Angeklagten, Rüdiger Deckers, noch vor Verlesung der Anklageschrift, die Öffentlichkeit vom Prozess auszuschließen. Es kämen Aspekte aus dem persönlichen und intimen Lebensbereich seines Mandanten in der Anklageschrift zur Sprache, deren öffentliche Erörterung dessen schutzwürdige Interessen verletzen würde, wie der Verteidiger ausführt. Nach kurzer Beratung lehnt die 2. Große Strafkammer den Antrag ab. Zuschauer und Presse müssen den Saal aber verlassen, bevor Hans U. sich zu den schweren Vorwürfen äußert. Bis dahin liest der Angeklagte Seite für Seite konzentriert mit, was der Staatsanwalt laut verliest.
Hans U. soll zwischen 1993 und 1999 seine drei Nichten, die damals zwischen sieben und 13 Jahre alt waren, sexuell missbraucht haben. Er war damals Priester in Gummersbach, angeklagt sind 31 Fälle, drei davon stuft die Staatsanwaltschaft als schwer ein. Hans U. soll die Taten immer dann begangen haben, wenn die Geschwister zu Besuch bei ihm waren – meist waren sie einzeln bei ihrem Onkel, oft auch über eine längere Zeit in den Schulferien. Mal soll er die Mädchen beim gemeinsamen Spielen am Computer, mal beim Fernsehschauen auf dem Sofa missbraucht haben. Wenn eines der Kinder in der Badewanne saß, soll er sich dazu gesetzt haben. Er wolle „tauchen üben“ mit ihr, soll er zu einer Nichte gesagt haben. Er soll die Kinder auch auf unterschiedliche Art genötigt haben, ihn anzufassen. Einmal soll er im „Tausch“ gegen sexuelle Handlungen einen Computer versprochen haben, den er dem Mädchen dann auch kaufte. In einem Fall soll seine damals 13 Jahre alte Nichte geweint und „ich will das nicht“ gesagt haben – ihr Onkel soll sie dann unter dem Vorwand, sie trösten zu wollen, trotzdem missbraucht haben.
Die Staatsanwaltschaft hat vor zwei Wochen noch in zwei weiteren Fällen Anklage gegen den Geistlichen erhoben und die beiden Verfahren nun verbunden. Es geht um Taten aus dem Jahr 2011 in Wuppertal. Dort soll Hans U. eine Elfjährige sexuell missbraucht haben, als sie mit einer Freundin bei ihm war. Die heute 21-Jährige nimmt persönlich als Nebenklägerin am Prozess teil. Auch die anderen drei mutmaßlichen Opfer treten im Prozess als Nebenklägerinnen auf – vertreten durch ihre Anwälte. Auf die Frage des Vorsitzenden Richters Christoph Kaufmann, ob er sich äußern wolle, antwortet der Angeklagte: „Ich mache Angaben.“ Mehr erfährt die Öffentlichkeit nicht, Zuschauer und Pressevertreter müssen den Saal nun verlassen. Verteidiger Deckers will aber noch ein kurzes Statement loswerden: Es gehe im Verfahren nicht um den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Kindern innerhalb der kirchlichen Institution, sondern „im privaten Bereich“, wie der Anwalt sagt.
Im Prozess sollen mindestens 38 Zeugen aus dem persönlichen und beruflichen Umfeld des Angeklagten aussagen. Das Gericht will als Zeugen auch den Hamburger Erzbischof Stefan Heße hören, der früher Personalchef im Erzbistum Köln war. Er ist für den 18. Januar geladen. Ein Urteil könnte Ende Januar verkündet werden.