Erste CSD-Demo in Köln vor 30 Jahren „Wir wollten nur zeigen – es gibt uns“

Köln · New Yorker Homosexuelle wehrten sich am 28. Juni 1969 gegen Polizeischikane, später entstand daraus der Christopher Street Day (CSD). Jochen Saurenbach hat vor 30 Jahren den Kölner Lesben- und Schwulentag mitgegründet und erinnert sich daran, wie die Teilnehmer der ersten CSD-Demo in Köln beschimpft wurden.

 Teilnehmer der ersten CSD-Demo in Köln am 7. Juli 1991.

Teilnehmer der ersten CSD-Demo in Köln am 7. Juli 1991.

Foto: Stefan Worring / KSTA

Es gab schon Jahre, da hat die Kölner CSD-Parade mit mehr als einer Million Besucher den Rosenmontagszug getoppt. Sie gehört mit der Berliner Parade zu den größten in Europa. Wenn Ende August Schwule, Lesben, Transsexuelle und Transgender wieder in Köln auf die Straße gehen, dann wollen sie vor allem eins: sichtbar sein. Und das ist es, was Jochen Saurenbach vor 30 Jahren erreichen wollte, als er mit ein paar Freunden den Kölner Lesben- und Schwulentag (Klust) gründete und am 7. Juli 1991 die erste CSD-Demo und ein kleines Straßenfest zwischen zwei Kneipen veranstaltete.

„Wir waren vielleicht 300 Leute damals, nicht verkleidet und ohne harte politische Forderungen“, erzählt Saurenbach. „Wir wollten nur zeigen: Wir sind da. Es gibt uns.“ Sie ließen sich feiern vor den Schwulenkneipen der Stadt – und wurden angefeindet von denen, die in den Heteroläden waren. „Da fielen Sprüche wie: Euch haben sie vergessen zu vergasen“, sagt Saurenbach. „Aber wir waren selbstbewusst und haben Jahr für Jahr mehr Menschen angezogen. Nach fünf Jahren tönte es begeistert aus den Heterokneipen: Luur ens, da kommen se!“

  Kölner Szene-Urgestein: Jochen Saurenbach

 Kölner Szene-Urgestein: Jochen Saurenbach

Foto: VVG Köln/Volker Glasow

Jochen Saurenbach ist heute 78 Jahre alt. Er kann sich gut erinnern an Zeiten, in denen er noch Angst hatte, bei Demos verprügelt zu werden. „Wir sind zeitweise nur als eigener Block innerhalb einer Antifa-Demo mitgelaufen“, sagt er. Bis 1994 standen sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts hierzulande unter Strafe. „Wir waren also kriminell“, sagt er. „Mit der Abschaffung des Paragrafen 175 fingen die Freiheiten eigentlich erst an“, sagt er. Doch Saurenbach, der aus Gummersbach stammt, hat schon 1972 mit der Eröffnung der ersten Diskothek für Homosexuelle am Kölner Rudolfplatz einen Ort geschaffen, an dem schwule Männer sich frei fühlen konnten. Der Club Pimpernel wurde weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. „Ich durfte draußen nicht Schwulenlokal dran schreiben, aber bald kannte jeder den Laden“, sagt Saurenbach.

Er stand nachts hinter dem Tresen und ermutigte seine Stammgäste, sich daheim zu outen, um so leben zu können, wie sie möchten. „Viele haben im Pimpernel ihr Coming-out begonnen und in Kaschmir und Leder gehüllt beendet“, heißt es in einem Kölner Stadtführer von 1983. Das Pimpernel blieb über viele Jahre der Treffpunkt der Schwulenszene. Auch Stars wie Freddy Mercury besuchten den Laden immer wieder. „Er war mehr Freund als Gast“, sagt Saurenbach. „Ich hab ihn vor der Theke sitzen gehabt, wo er in Ruhe sein Bier oder seinen Wodka trinken konnte – er sah ganz anders aus als auf der Bühne, eigentlich war er sehr klein, und er hatte überhaupt keine Starallüren.“ Mercury sei oft mit der Schauspielerin Barbara Valentin im Pimpernel gewesen. „Und wenn sie nicht dabei war, hab ich meinen DJ freigestellt, damit er Freddy ins Hotel fährt – er wollte vermeiden, dass Fans ihn womöglich doch erkennen und belagern.“

Heute erinnert nichts mehr an die Disko. Das Pimpernel wurde 1989 geschlossen, Saurenbach hatte genug von all den schlaflosen Nächten. Das Haus, in dem seine Disko war, wurde später abgerissen. Saurenbach engagierte sich in der Aidshilfe Köln, wurde 2013 zum Ehrenmitglied ernannt. Seit 1993 ist er Herausgeber der Szenezeitung „Box“, einem der größten Gratis-Magazine für schwule Männer bundesweit. „Das Magazin richtet sich an alle Altersklassen, nicht nur an junge Schwule“, sagt er.

Saurenbach interessiert sich nicht besonders für Fußball. Den Wirbel um die Entscheidung der Europäischen Fußball-Union Uefa gegen die Regenbogenbeleuchtung an der Münchner EM-Arena hat er mit einiger Überraschung zur Kenntnis genommen. „Erstaunlich, dass sich die ganze Heterowelt auf einmal für Schwule interessiert“, sagt er. Er glaubt nicht, dass sich dadurch langfristig etwas ändern wird, sich womöglich nach und nach doch mal ein paar Profispieler als homosexuell outen werden. „Fußball ist das letzte Refugium der heterosexuellen Männlichkeit – es ist unmöglich, da auszuscheren.“ So wie es immer noch vorkomme, dass sich schwarze Spieler Affengeräusche von der Tribüne anhören müssten, so würden Fans auch schwule Spieler beleidigen und bloßstellen, glaubt Saurenbach. „Fußball lebt vom Männlichkeitswahn, von einem Outing würde für einen Einzelnen viel zu viel abhängen, sein ganzes Sein, sein Leben letztlich.“

Saurenbach wird auch diesen Sommer an der CSD-Demo teilnehmen. So wie in den vergangenen 30 Jahren. Er wünscht sich für die Zukunft, dass die Schwulen-Community mehr an die alten Menschen denkt, sie aus der Isolation holt, die die Corona-Krise noch verstärkt habe. „Ich kenne viele, die heute 70 oder 80 Jahre alt sind, und ihren Lebenspartner immer noch als Kumpel ausgeben“, sagt er. „Sie haben in ihrer Jugend gelernt, sich verstecken zu müssen, und die Selbstdiskriminierung steckt vielen immer noch tief in den Knochen.“ Die Alten nicht zu vergessen, das sei nun die Aufgabe der Jungen. 

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